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(07.07.2003, Stuttgart, Daimlerstadion)
"Extrem sentimental", fühle er sich heute. So begrüßt Herbert Grönemeyer das Publikum im restlos ausverkauften Gottlieb - Daimler - Stadion. In Stuttgart war sowohl Start als nun auch Ende seiner alle Rekorde brechenden Tournee "Das Beste von Gestern bis Mensch". Insgesamt rund 1,5 Millionen Menschen zog es in die Stadien der Republik. Grönemeyers Beziehung zum Schwabenländle scheint innig zu sein, dabei fand vor rund zwanzig Jahren diese zart aufkeimende Liebe zwischen Ruhrpott und Spätzlesmetropole ein abruptes Ende. Damals wurde Herbert von den Veranstaltern, wegen Überziehung der Spielzeit, rigoros der Strom abgedreht.
Ein Erlebnis über das der heute 47 Jährige noch gerne Witze macht. Die Genehmigung im Daimlerstadion spielen zu dürfen gleicht einer Art Wiedergutmachung. Schließlich fanden seit 1998 dort keine Konzerte mehr statt, selbst internationale Superstars bemühten sich seither vergeblich um eine Auftrittsgenehmigung.
Mit "Blick zurück" eröffnet Grönemeyer dann auch passend das Konzert und bereits beim ersten Ton springt der berühmte Funke über - nein - es muss eine ganze Funkenexplosion sein. Herbert strahlt und platzt beinahe vor lauter überschäumender Freude und Energie. Ganz nah will er den Fans sein, sprintet unzählige Male auf den von der Bühne abzweigenden Steg. Er schüttelt Hände, macht Späßchen und versorgt sich und seine Anhänger auch mal mit Gummibärchen.
Superstar Grönemeyer - aber doch so anders. In schönster Eintracht singt der Opa mit dem Enkel, tanzt die Mutter mit ihrer Teenie-Tochter und verliebte Pärchen kuscheln zu den wunderschönen Balladen.
Frauen lieben Grönemeyer wegen seiner poetischen Texte, die Männer sehen in ihm den Kumpel, der genauso mit schütterem Haar und Bauchansatz zu kämpfen hat wie sie selbst und dabei auch noch ohne Scham Gefühle zeigt. Er ist einer von uns, er ist authentisch.
Die Stimmung kocht zum ersten Mal über als das Lied "Glück auf" (Steigerlied) erklingt. Ganz textsicher sind die Schwaben da aber nicht, doch im Herzen schon längst "Ruhrpottler". Die Songs "Bochum", "Alkohol", "Männer", "Was soll das" und "Vollmond" rocken und lassen das Stadion in seinen Grundfesten erbeben.
Grönemeyer gibt an diesem Abend aber auch den Schauspieler, bei "Fanatisch" mimt er den Perversling, singt mal leise, mal messerscharf schneidend, kreischt und schreit um dann plötzlich die Stimme ins Falsett zu heben. Da steht fest er kann singen, auch wenn einige seiner Kritiker früher etwas anderes behauptet haben.
Mucksmäuschenstill wird es im Stadion als Grönemeyer das wohl berührendste Lied "Der Weg" anstimmt. Er widmet es einem Jungen der ursprünglich zum Konzert kommen wollte, "Er hat es nicht mehr geschafft." Im Hinblick auf Grönemeyers Biographie gewinnt der Song noch mehr an Bedeutung. Zeit für Trauer - doch im Anschluss spendet Herbie wieder Hoffnung. Ein riesiger aufblasbarer Eisbär tanzt auf der Bühne zu "Mensch". "Es ist okay, alles auf dem Weg", singen 50 000 Kehlen.
Untermalt werden die Songs von Bildern und Videosequenzen auf den Leinwänden an beiden Seiten der Bühne. Exzellent auch die seit Jahren bewährte Begleitband. Grönemeyer und seine Jungs harmonieren perfekt, eine improvisierte Reggae-Version von "Mensch" und ein jazziges "Luxus" bringen die Menge vollends zum Toben und selbst auf den Rängen hält es niemand mehr auf den Sitzen
Wegen eventueller Lärmbelästigung sollte, laut Auflage der Stadt Stuttgart, spätestens um 22.30h das Konzert enden. Mit geradezu diebischer Freude dreht Herbert da aber nochmals an den Dezibeln und spielt demonstrativ "Musik nur wenn sie laut ist". O - Ton Grönemeyer: "Wir spielen jetzt alles was uns sonst noch einfällt." Und das war eine ganze Menge. Die Arena in rotes Licht getaucht, ein Glitterregen von abertausenden Metallplättchen ergießt sich über die ausgelassenen Fans und gibt ein stimmungsvolles Bild ab. Der "Mambo" wird besungen, genauso wie das "Selbstmitleid" und "Unterwegs" welches besonders bejubelt wird, da es auf der aktuellen Tour noch nie gespielt wurde. Mit "Oh wie ist das schön" wird Grönemeyer immer wieder zurück auf die Bühne geholt. Um 23.30h ist dann aber endgültig Schluss. Mit einer wunderschönen Interpretation des Kirchenliedes "Der Mond ist aufgegangen", verabschiedet sich Deutschlands erfolgreichster Musiker. Sichtbar ergriffen vor so viel Zuneigung bedankt sich Herbert:
"Danke, bis irgendwann, macht`s gut oder ein bisschen besser - bleibt Mensch."
So endet ein dreistündiger Sommernachtstraum, bei dem selbst die diensthabende Polizei eine Besonderheit anzumerken hat. Selten ist ein Konzert von dieser Größe so friedlich abgelaufen. Die Menschen haben mit einem fast seligen Lächeln auf dem Gesicht, ganz ruhig und ohne Gedränge den Heimweg angetreten. Susanne aus Pforzheim bringt es auf den Punkt: "Herbert`s Lieder, seine unglaubliche Ausstrahlung und Energie geben einem soviel. Jetzt ist alles vorbei, wo soll ich mir in Zukunft mein Kilo Hoffnung und Zuversicht abholen?" spricht`s, lacht und schwebt davon.
Da hilft wohl nur eins - MENSCH, komm bald wieder.
Jutta Hinderer
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