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Info
Zeit: Juli 2011
Ort: Balingen - Messegelände
Besucher: ca. 15.000
Internet:
http://www.bang-your-head.de
Der Wettergott meinte es dieses Jahr gut mit dem Bangervolk in Balingen. Zwar war es zur Anreise und am ersten Festivaltag noch bewölkt, dafür aber trocken. Am Samstag schien die Sonne dann kräftig und der großen Hard Rock- und Metal-Party konnte erst recht nichts mehr im Wege stehen. Die Organisation war abermals tadellos, bekam aber zumindest in diesem Jahr zwei kleine Flecken, die im weiteren Text näher erläutert werden. Auch war der Sound vielfach ziemlich schlecht, was aber auch daran lag, dass die von den Verstärkern kommenden Töne stark vom Wind gestört wurden. Aber ansonsten gab es viel hochwertige Bands die das Messegelände und heuer zum zweiten Mal auch die anliegende Halle rockten und für ein abwechslungsreiches Programm sorgten. Auch wenn sich das Billing im Vorfeld etwas schwächer las, hatten dann doch wohl die meisten ihren Spaß an der gewohnt traditionell ausgerichteten Sache. Und deshalb stürzen wir uns gleich voll ins Vergnügen!
Vor die Veranstaltung hat der Horst (mal wieder) die Warm-Up Show gesetzt. Natürlich findet auch diese wieder in der Halle auf dem Gelände statt. Nachdem man 2010 das Dreißigjährige der New Wave of British Heavy Metal feierte, steht die diesjährige Aufwärmveranstaltung unter einem anderen Motto. Und dieses lautet „A night of German Metal“. Originell oder nicht, zumindest spielten für einheimische Truppen zum Tanztee auf.
Als das Redaktionsteam den Saal betrat, waren gerade die Youngster KISSIN’ DYNAMITE dabei, die recht zahlreich erschienene Menge aufzustacheln. Optisch ist man vom „Heavy Tokio Hotel“-Look mittlerweile zu einer jungen Antwort auf Mötley Crüe mutiert. Neckisch schauen die immer noch Jugendlichen damit aus. Und es ist schon witzig anzuschauen, wie die kleinen Mädels vor der Bühne zu einer stockkonservativen Musik abgehen, die sie vorher nicht mal mit der Kneifzange angefasst hätten. Aber tun wir der Band nicht unrecht. Was sie machen, das machen sie gut und ihr Sound in der Schnittmenge zwischen Accept und Hair Metal macht live schon Spaß. Auch sonst ist man offensichtlich mit Herzblut dabei, auch wenn man sich zahlreiche einstudierte Posen aus den 80ern draufgepackt hat. Aber wer wollte nicht schon immer mal eine Zeitmaschine haben? Hier braucht man sie nicht!
Schwaben die nächste: Nach ihrem letzten, nicht ganz so starken Longplayer Memorial roots wurde es recht ruhig um BRAINSTORM. Nach einem erneuten Studioaufenthalt sind sie wieder da. Und zumindest live stark wie immer! Mit einem leckeren Song-Potpourri, welches sich zu großen Teilen aus Titeln von Metus mortis und Soul temptation zusammen setzte, knallte man den Fans einige starke Kanonaden vor den Latz. Schade, dass der Hallensound mit der Urgewalt mal wieder nicht mithalten konnte. Denn dieser war zeitweise ziemlich suboptimal. Aber davon ließ sich so gut wie keiner den Spaß verderben. Weder das partygeile Publikum, noch die Band selbst. Vor allem Sympathiebolzen Andy B. Franck war wieder super gelaunt und hielt mit der eigenen Begeisterung für die gute Stimmung nicht hinterm Berg - und dieses Mal zum großen Teil im breiten schwäbischen Dialekt. So ist’s recht! Einen neuen Titel hatte man auch mit im Gepäck. Der klang (oh welch Überraschung…) zu 100 % nach Brainstorm. Das war noch kein Überhöhepunkt. Sondern der wurde mal wieder mit ihrer großen Hymne „All those words“ erreicht. Im Ganzen mal wieder ein starker Auftritt. Ob das der gute Axel Rudi Pell mitsamt Band noch einen draufsetzen kann?
Naja, nicht ganz. Dazu haben Brainstorm den Leuten dann doch zu sehr eingeheizt. Was man bekam, war einfach ein routinierter und recht guter Auftritt, wie man ihn von AXEL RUDI PELL eben kennt. Das heißt, einige gute Songs und eine Band, die sich richtig austobt. Die 70er und ihre Jamorgien sind in Wattenscheid also nach wie vor präsent. Gut gelaunt zeigt sich die ganze Band. Johnny Gioeli war anfangs etwas zu sehr aufgedreht und musste sich erst eine Zeitlang warm singen, bevor die gewohnte Form erreicht wurde. So bekam man „Fool fool“ sicher schon besser zu hören. Aber ansonsten gab es wenig auszusetzen. Und wer von langen Instrumentalspielereien und Mitsingspielchen nichts hält und sich darüber beschwert, war wohl noch nie auf einem Axel Rudi Pell-Konzert. Also nett wie immer. Danke und gute Nacht!
Die Ehre das Festival auf der Hauptbühne zu eröffnen, hatten anno 2011 die Balinger Hardrocker HUMAN ZOO, die kurzfristig wegen der Absage von Crash Diet aufs Programm rutschten. Die Band hatte einen gewissen Unterhaltungswert. Trotzdem nutzte man die Zeit etwas um über das großzügige Gelände zu schlendern. Und hier bekam man den ersten organisatorischen Kritikpunkt zu spüren. Nicht nur bei den eigenen Getränkeständen hatte man komplett auf ein Bonsystem umgestellt, auch bei sämtlichen Essensständen war diese nun so. Das zog nun eine riesige Preiserhöhung nach sich, da ein Bon generell 1,70 EUR wert war und die ganzen Händler ihre Preise danach richten mussten. Besonders unerfreut waren wohl nicht nur die Kunden. Denn diese blieben vielfach fern und verköstigten sich außerhalb des Geländes. Hier besteht durchaus noch Handlungsbedarf!
Aber kommen wir nun wieder zur Musik. Als nächstes waren die Schweden PORTRAIT an der Reihe, die von zahlreichen Pressekollegen derzeit ziemlich abgefeiert werden. Aber Vorschusslorbeeren für ihren „Mercyful Fate light“-Sound hin oder her, an diesem Tag kam von der Bühne her leider nicht so viel rüber, auch wenn einige Hardcorefans das ganz anders sahen und die Band lautstark abfeierten. Für Ersthörer war der etwas verzwickte Sound zu anstrengend und Sänger Per Karlsson bestach an diesem Tag nicht wirklich mit stimmlicher Ausstrahlung. Seine Intonation war bisweilen ziemlich wackelig und klang anstrengend. Da konnte die Band mit ihrer Spielfreude auch nicht mehr allzu viel rausreißen. An diesem Tag war die Bühne einfach zu groß für diese Jungs!
Ähnliches gilt auch für die Polen CRYSTAL VIPER, auch wenn diese - und dort speziell Frontfrau Marta - wesentlich sympathischer wirkten. Für ihren verhältnismäßigen Schunkelsound konnten sich gleich einige Zuschauer mehr begeistern. Titel wie „Metal nation“ oder „The last axeman“ sind schon unverschämt eingängig. Und die obligatorische Coverversion von „Agents of steel“ (Agent Steel) war sicher auch dem/der einen oder anderen bekannt. Metallische Gourmetkost ist das trotzdem nicht wirklich. Aber als metallischer Frühschoppen in Ordnung. Und eine Steigerung zu der Band vorher allemal.
Den Abschluss des treumetallischen Trios bilden am Freitag die Hamburger STORMWARRIOR. Diese Band, die musikalisch voll und ganz dieselbe Straße wie Helloween und Running Wild entlang fährt, sieht man im Süden ja auch nicht allzu oft. Leider ging die Musik stellenweise ziemlich im Klangmatsch unter, was die Freude auch bei den härtesten Anhängern etwas dämpfte. Auch auf der Bühne war nicht allzu viel geboten. Überwiegend standen die Musiker wie die Ölgötzen auf den Brettern. Da lag es also an den gespielten Songs, für die richtige Satisfikation zu sorgen. Von „Valhalla“, über die Hymne „Heading northe“ und einem Medley aus ein paar älteren Schinken, waren die wünscheswertesten Nummern aus dem Stormwarrior-Kanon vorhanden. Man hat um diese Zeit auch schon schlimmere Gruppen gesehen - aber auch bessere.
Nach diesen recht melodischen Erlebnissen, war es jetzt mal an der Zeit, dass der grobe Knüppel geschwungen wird. Die holländischen Brutalo-Thrasher LEGION OF THE DAMNED hatten sich angesagt, um die Messegelände in Schutt und Asche zu legen. Und wie zu erwarten, gab es von der ersten bis zu letzten Sekunde erbarmungsloses Geballer ohne Ende. Dass dazu zahlreiche Rüben geschüttelt wurden, war da nur obligatorisch. Auch ein erster Moshpit bildete sich zwischendurch. Genügend Energie gab es also auf wie vor der Bühne. Welche Songs die Band spielt, war mit der Zeit nicht mehr wirklich auseinander zu halten. Doch ihre Hymne „Son of a jackal“ erkannten dann doch die meisten. Unterm Strich war es ein ziemlich lässiges Erlebnis. So einen Tritt in den Allerwertesten kann man durchaus gut vertragen. Und wenn die Band auch auf CD mit ihrem gleichförmigen Geprügel etwas langweilt, live taugt das schon!
Das Keep-it-true hatten die wieder vereinigten CRIMSON GLORY im April bereits im Sturm genommen. Sollte man das nun im Juli auf einer großen Bühne wiederholen können? Ein derartiges Kollektivausflippen konnten man vielleicht auch nicht erwarten, aber die Publikumsreaktionen auch nur als wohlwollend zu bezeichnen, wäre eine bodenlose Untertreibung! Nach dem Eröffnungsdoppel „Mayday“ und „Valhalla“ hatte man die Fans spätestens mit dem unverschämt eingängigen „Dragon lady“ die Leute im Sack. Die Band zeigte sich auch wieder in einer bestechenden Form und Neusänger Todd La Torre bewies ein weiteres Mal, dass er die großen Fußstapfen eines Midnights füllen kann. „Queen of the masquerade“ war ein weiterer Stimmungshöhepunkt und das Publikum ließ sich sogar dazu erweichen, bei „Azreal“ kräftig mitzusingen. Balladen ließ man an diesem Tag erwartungsgemäß zu Hause, was im strahlenden Sonnenschein wohl eh nicht funktioniert hätte. Und so endete ein weiterer grandioser Auftritt mit dem feinen „Red sharks“. Hoffentlich ist dieses Aufbäumen von Crimson Glory nicht nur auf ein paar wenige Liveauftritte beschränkt!
Mit DEATH ANGEL folgte ein weiteres Highlight auf dem Fuße. Die Thrasher für ihre vorhandenen Livequalitäten zu loben, bedeutet regelrecht Eulen nach Athen zu tragen. Daran hat sich auch nichts geändert, obwohl man vor nicht allzu langer Zeit seine Rhythmussektion austauschte. Die beiden Herren Will Carroll und Damien Sisson fügten sich heute überraschend gut ins (optische) Bandgefüge ein, auch wenn es anfangs befremdlich wirkte, an den Plätzen zwei hochgewachsene Amis zu beobachten. Der unbändige Bock auf Metal und positive Prügelei war nach wie vor vorhanden und vor allem Shouter Mark pushte das Publikum von der ersten Sekunde an ziemlich nach vorne und machte zahlreich Fersengeld. Es gibt wohl wenige Frontmänner, die so euphorisch ihre Songs präsentieren. Highlights waren an diesem Nachmittag u.a. das neue „Truce“, die nicht mehr ganz so neuen „Thrown to the wolves“ und „Lord of hate“, sowie die Oldies „Bored“ und „Seemingly endless time“. Eine kleine Verbeugung an den kleinen Mann mit der riesigen Stimme gab man mit „Heaven and hell“ zum besten. Das war dann nur noch das Sahnehäubchen an einem eh mal wieder ziemlich überragenden Auftritt. Dass man wieder zahlreiche Zugaberufe vernehmen konnte, war da nur die logische Konsequenz.
Eigentlich war es ja nur eine Frage der Zeit, bis QUIET RIOT endlich mal auf dem Bang-Your-Head spielen würden. Schließlich haben sie bereits 1983 mit „Metal Health“ eine passende Hymne hierzu geschrieben. Auf dem Programm standen sie vor ein paar Jahren auch mal. Auf die Bühne schafften sie es aber erst jetzt. Für den 2007 gestorbenen Kevin DuBrow stand der neue Sänger Mark Huff auf der Bühne. Und der machte seine Sache alles andere als schlecht - überwiegend sogar hervorragend. Trotzdem kann man sich dem Eindruck nicht erwehren einen Seniorenclub dabei zu beobachten, seine Jugend wieder aufleben zu lassen. Aber immerhin hatten sie großen Spaß dabei. Spätestens bei der zweiten und allseits bekannten Slade-Coverversion „Cum on feel the noize“ und dem Titeltrack ihres bekanntesten Albums (Titel s. weiter oben) schwappte dieser Spaß auch auf das Publikum über. Und so hatte die Band sich ihren Applaus am Ende doch mit harter Arbeit verdient. Und ein guter Kontrast zwischen zwei handfesten Thrash-Acts taugten Quiet Riot allemal.
Genauso wie bei Death Angel bräuchte man wohl auch kaum noch bewundernde Worte über die Livequalitäten von OVERKILL zu verlieren. Aber trotzdem mach ich das mal. Denn auch an diesem Freitag waren Blitz, D.D. & Co. wieder unglaublich gut drauf! Wie diese Band - allen voran natürlich ihr Sänger - diese Energie hernimmt, das fragt man sich immer wieder. Von der ersten bis zur letzten Sekunde dieser Stunde bekommt man hier pures Adrenalin. Bereits mit dem eröffnenden „The green and the black“ und erst recht mit dem folgenden Oldie „Rotten to the core“ war die Stimmung auf Hochtouren. Verglichen mit anderen Thrashbands ist es auch immer schön zu sehen, wie Overkill ihre Aggression positiv ausleben und das Ganze doch schön entspannt wirkt und nicht unnötig aufgestachelt. Abgefeiert wurde jeder Titel. Egal ob dieser auf den Namen „Bring me the night“, „Elimination“, „Fuck you“ oder „Old school“ hörte. Wieder mal ein Sieg für eine der besten Livebands des Planeten und eines der Festivalhighlights in diesem Jahr!
Puh, im Vorfeld durfte man schon skeptisch ob der Idee eine Blackmetal-Band für dieses Festival zu verpflichten sein. Denn diese Art von Musik in Balingen zu hören, war eine Premiere. Glücklicherweise handelte es sich um IMMORTAL und keine andere ihrer Genregenossen. Denn mit ihrer mittlerweile ziemlich selbstironischen Art, bei der ein nicht zu übersehendes Augenzwinkern zum guten Ton gehört, schafften sie es sogar Leute auf ihre Seite zu ziehen, die mit diesem eisigen Sound sonst nicht allzu viel anfangen können. Dabei startete das Ganze doch recht pompös. Ein gigantischen Backdrop, viel Nebel und Feuer. So muss das sein, wenn das schwarz-weiß bemalte Trio wuchtig auf die Bühne stapft. Zwar war der Sound stellenweise (wie so oft an diese Wochenende) etwas matschig. Aber trotzdem verfehlten schwarzmetallische Hymnen wie „Sons of northern darkness“, „Damned in black“, „One by one“ oder der Abschluss „The sun no longer rises“ nicht ihre Wirkung. Dafür gab es erstaunlich viel mehr Applaus als gedacht. Die Mischung aus eiskalter Musik und Pyroshow kam ziemlich gut an. Die Position als Co-Headliner braucht man Immortal im Nachhinein gar nicht wirklich streitig machen.
Wer es etwas handfester bevorzugte, konnte sich in der Zwischenzeit in der Halle breitmachen. Dort spielten nämlich zur gleichen Zeit die momentan überall gern gesehenen CRIPPER um die Frontbrüllerin Britta Görtz, die mal wieder ihren männlichen Konkurrenten zeigt, wo der Bartel den Most holt. Richtig voll war die Halle zu diesem Zeitpunkt zwar nicht. Aber trotzdem konnte sich das begeisterungsfähige Grüppchen vor der Bühne sehen lassen. Freunde der etwas härteren Gangart hatten es danach an der gleichen Stelle schwerer sich zu entscheiden. Black Metal auf der Hauptbühne oder doch lieber die wiedervereinigten Deather ASPHYX in der Halle? Für letztere haben sich dann doch einige entschieden, die sich sogar gegenseitig zu einem kleinen Moshpit einluden. Trotzdem wurde es zum Ende des Sets etwas leerer. Denn die folgende Band wollten nicht allzu viele verpassen.
Und der unumstößliche Headliner und der Abschluss auf der Hauptbühne waren die wiedererstarkten ACCEPT. Der Andrang war wirklich groß und das ganze Festivalgelände war rappelvoll, als die Band mit „Teutonic terror“ loslegte. Accept wurden wie verlorene Söhne begrüßt und euphorisch abgefeiert - und das Generationen übergreifend. Nach einem gewissen Udo Dirkschneider fragte zu diesem Zeitpunkt keiner mehr. Denn sein Nachfolger Mark Tornillo ist mehr als ein würdiger Ersatz, sondern eher eine sinnvolle Ergänzung. Sein rauhbeiniges Organ passte wieder einmal hervorragend zu alten Klassikern wie „Breaker“, „Neon nights“, „Losers and winners“, „Fast as a shark“ oder „Starlight“. Natürlich stünde auch er ohne seine Hintermannschaft ziemlich auf verlorenem Posten. Aber auch die restlichen vier Herren in der Band ließen nichts anbrennen. Mit viel Spaß in den Backen feuerte man seine Songs wie aus Kanonen auf die Leute - per se lächerliches Synchronposing natürlich inklusive. Aber ihr wisst ja: Wer hat's erfunden? Genau, die Solinger. Der Applaus für Accept ist sogar noch mächtiger als der Sound der aus der PA kommt. Sollte das mitgeschnittene Bild- und Tonmaterial tatsächlich mal auf DVD erscheinen, würde sich ein Kauf sicherlich lohnen. Eine wirklich große Geschichte, dieses Konzert!
Während der meisten der 15.000 Besucher nun Richtung Ausgang und Zeltplätze schlenderten, bekam man noch die letzten paar Songs von AMORPHIS aus der Halle zu hören. Ein ganz schönes Pech für die Finnen, genau zu gleichen Zeitpunkt wie die teutonische Metallegende spielen zu müssen...
Zu gähnender Stunde zehn Uhr morgens auf die Bühne gehen zu müssen ist jedes Mal wieder eine undankbare Sache. Wenn man dazu noch etwas schwerere Kost in Form von progressiv angehauchtem Metal spielt, macht es das nicht gerade leichter, das Stimmungsbarometer sprunghaft nach oben schnellen zu lassen. Trotzdem schlugen sich IVANHOE vor einem wirklich sehr überschaubaren Häuflein ziemlich achtbar. Immerhin brachte man ein paar unbedarfte Rockerseelen zum Mitklatschen. Ihre Musik rollt halt vielleicht doch etwas mehr, als bei so manch anderem Genregenossen.
Numero due war die Koblenzer Truemetal-Brigade METAL INQUISITOR. Die Chance mal vor etwas größerem Hause und nicht nur auf dem Keep-it-true oder dem Headbangers-Open-Air auftreten zu können, darf natürlich nicht ungenutzt bleiben. Kurz vor elf war die Truppe schon hellwach und motiviert bis in die Haarspitzen. Trotzdem wirkte man komischerweise etwas hüftsteif. Man hat doch hoffentlich doch nicht etwas zu fest gefeiert gestern? Egal, ihre Songs klangen live allemal ziemlich gut. Wie so oft besser und unterhaltsamer als auf Platte. Mit ihrem traditionellen Sound brachte man auch das richtige für den Metal-Frühschoppen mit. Das dachten sich wohl so einige Zeitgenossen. Denn das Messegelände füllte sich zunehmend und über positive Resonanzen konnte sich das Quintett nicht beklagen. Passend dazu begann auch die Sonne damit die Luft so richtig einzuheizen, womit sie bis zu ihrem Untergang nicht mehr aufhören sollte.
Mit ihrem Dio-mäßigen Sound passten die ASTRAL DOORS natürlich genauso gut auf dieses Festival wie das Hinterteil auf den Eimer. Selbst wer die Band noch nicht kannte, hatte sichtlich seinen Spaß dabei. Nur schade, dass die Gruppe etwas zurückhaltend wirkte. Bewegung gab es bis auf Sänger Nils Johansson wenig bis keine. Und auch dieser gab es sich eher betont cool als theatralisch. Hier galt eben eher das Motto: Let the music do the talking. Und dieses Gespräch war natürlich ein kurzweiliges, auch wenn das Keyboard im Gegensatz zur Gitarre etwas zu penetrant an diesem Tag tönte und die richtigen Klassiker immer noch andere Bands schreiben. Aber die 40 Minuten verflogen recht schnell. Als Festivalband gehen Astral Doors wohl so ziemlich immer.
Für den richtigen Rock'n'Roll-Faktor sorgten dann ganz andere. Zum Beispiel TYGERS OF PAN TANG. Nachdem sie die große Überraschung auf dem Keep-it-true im letzten Jahr waren, mussten sie nun beweisen, dass die Chose auch auf der großen Bühne funktioniert. Und meine Fresse, das tat es - und nicht zu knapp! Der Fünfer fackelte auch nicht lange und feuerte ohne Mätzchen einen feinen Rocker nach dem Anderen von der Bühne. Strahlender Sonneschein, ein Bierchen in der Hand und solche Musik. Rockerherz, was willst Du mehr?! Geradeaus und auf den Punkt gespielt, schlagen Songs wie „Tyger bay“, „Suzie smiled“, „Raised on rock“ oder das mit ausgedehnten Mitsingspielchen versehene „Rock and roll man“ voll ein. Ganz egal ob man die Stücke vorher kannte oder nicht. Die Band ist wirklich bestechend gut eingespielt und mit einem Sänger wie Jacopo Meille kann man eh nur gewinnen. Die Stimme und die Ausstrahlung sind einfach grandios. Genauso wie die Abschlussnummer „Hellbound“. Die Tygers haben mal wieder derb gerockt. Bitte bald mal wieder!
Nicht weniger rockig, dafür noch ein bisschen spaßiger wurde es im Anschluss bei Dänemarks immer noch heißesten Rockband Disneyland After Dark - kurz D-A-D. Dass hier kein Auge trocken bleibt, war wohl auch den härtesten Metallern bewusst und so brandete dem Quartett großer Applaus entgegen, als Sänger Jacob Binzer laut schreiend auf die Bühne stürmte und das Festivalfolk mit seinem charmanten, gebrochenen Deutsch begrüßte, während seine Bandkollegen mit „Evil twin“ sehr schmissig loslegen. Mit „Bad crazyness“ und „Girl nation“ wird auch nicht nachgelassen und so ist eine richtige Party im Gange. Zwischendurch gibt es auch immer wieder mal etwas Neueres vom Schlage „Scare yourself“ und „Monster philosophy“. Das groovt schon wie Sau. Nebenbei sitzt der Band und vor allem ihrem Frontmann wieder ziemlich der Schalk im Nacken, was speziell an den Ansagen kaum zu überhören ist. Irgendwann schafft der Mann es sogar, dass das komplette Publikum den Schlagzeuger beständig mit dem Satz „Komm schon Laust, wir wissen Du schaffst es!“ anzufeuern. Mit dem euphorisch angenommenen „Sleeping my day away“ spielt man erst einmal ein vorzeitiges Ende vor. Zugabengeplänkel auf Festivals? Braucht wirklich keiner! Die letzte Nummer hätte dann irgendwie auch keiner gebraucht. Denn das abschließende, grungige „Reconstructdead“ war ein echter Stimmungskiller. Da vermisste man die nicht gespielten „Laugh in a half“ und „After dark“ noch viel mehr...
Rock'n'Roll-Party die dritte - dieses Mal nur etwas schmutziger. HARDCORE SUPERSTAR sind nach wie vor ziemlich angesagt. Und so darf der Vierer nach 2009 heuer wieder über die Bühne jagen. Ja, warum auch nicht, war auch dieses Mal wieder geil. Wie die Band ihren Sound zelebriert ist schon lässig. Nummern wie „Last call for alcohol“ oder „We don't celebrate sundays“ nimmt man ihnen ohne wenn und aber ab. Und nicht wenige im Publikum hüpften genauso euphorisiert über die Bühne wie Sänger Jocke. Kein Wunder, das hier rollt und hat einen unbändigen Drive. Leicht angeglamter und fast schon metallischer Riffrock der klingt, als käme er direkt aus der Hölle des sonnigen L.A. der 80er. Von der Temperatur hätte es heute auch gepasst. Aber hätte es auch geregnet, die Schweden hätten der Meute auch so bestens eingeheizt. Geile Liveband - keine Frage!
Dass es danach um einiges introvertierter zugehen würde, war natürlich klar, wenn die wiedervereinigten Progmetal-Meister PSYCHOTIC WALTZ 55 Minuten lang das Bang-Your-Head verzaubern sollten. Dass sie in all den Jahren der Inaktivität nichts verlernt hatten, bewiesen die Herren bereits auf der Frühjahrstour mit Symphony X und Nevermore. Die Frage war natürlich, ob sie die grandiose Atmosphäre von damals auch auf ein Open Air retten konnten. Es funktionierte tatsächlich. Das lag vor allem an dem traumhaften Zusammenspiel und der einnehmen Ausstrahlung von Sänger Devon Graves a.k.a. Buddy Lackey. Wie immer untermalte er die fantasievollen und so gut wie niemals einfachen Stücke recht gestenreich. Nicht selten agierte er fast wie ein Besessener. Die Setlist war im Gegensatz zur Tour ziemlich umgestellt. So bekam man als Eröffnung „Mosquito“ und „Locust“ zu hören. Im weitere Verlauf spielte man sogar das sentimentale und wunderschöne „I remember“. Nicht gerade wenig Applaus gab es speziell hierfür. Der Raum vor der Bühne war zwar etwas luftiger als vorhin, dafür spendeten diese Anwesenden umso mehr Applaus. Die Dankbarkeit und die Rührung der Musiker konnte man an ihren Gesichtern ablesen. Einen Schlusspunkt setzte man mit „Halo of thorns“. Psychotic Waltz hätten gerne weiter gespielt und waren selbst überrascht, dass die Zeit so schnell vorüberging.
An dieser Stelle hätten eigentlich die Pretty Maids auf der Bühne stehen sollen. Da es irgendwelche Probleme mit dem Flug gab, sprang für sie JEFF SCOTT SOTO dankbar in die Bresche, der sonst später in der Halle hätte auftreten sollen. Wer würde hier nicht tauschen, wenn man doch auf der Hauptbühne seine Sachen spielen darf? Es waren aber trotzdem einige verwirrt, als der Mann mit den langen, schwarzen Locken hier stand. Musikalisch war es doch etwas anderes. Funkiger und modernere Hardrock, anstatt pur Traditionelles. Leider gab es anfangs Probleme mit dem Mikro von Jeff, was ihm die Stimmung vermieste. Doch an seinem tollen Gesang merkte man es ihm nicht an. Musikalisch war das schon nicht von schlechten Eltern, auch wenn die Band des Sängers recht blass wirkte. Richtig Stimmung kam allerdings erst auf, als Soto zwei Songs aus seiner Zeit mit Axel Rudi Pell ans Tageslicht beförderte. Ebenso fein war ein Medley aus alten Talisman-Liedern. Genau diese Art von Melodic Rock wollten viele hier von dem Sänger hören. Nicht auf ungeteilte Liebe traf es, als Jeff die Bühne verließ und die Band rein instrumental verstorbene Musiker mit Ausschnitten ihrer Hits (grob von Gary Moore bis Michael Jackson) huldigte. Man hätte ihn doch singen hören wollen... Und wenn er das tat, war es schon gut. Allzu oft kommt man ja auch nicht in dieses Vergnügen.
Nach dieser überwiegend recht entspannten Sache sollte es nun wieder Metal auf die Ohren geben. Nun gut, es gibt so einigen, die halten SONATA ARCTICA eh mehr für eine Schlagerband mit harten Gitarren. Mit den Schunkelmelodien und dem übermäßig penetranten Keyboardsound überzeugte man die Hasser nicht gerade vom Gegenteil. Der Sound war generell eher suboptimal und ziemlich verwischt - ein beständiges Donnern. Aber gerade direkt vor der Bühne ließ man sich nicht davon abbringen, die Finnen abzufeiern. Gerade der weibliche Anteil war riesig. Sind die Jungs wirklich so süß? Auf den Rezensent wirkt das ganze eher langweilig und die Band nicht so recht sympathisch. Gerade das dämliche und ausgedehnte Gelaber von Sänger Tony Kakko schreckte ab. Geteilte Meinung also bei Sonata Arctica. So gesehen nichts Neues. Aber...
…es sollte im Anschluss mit HELLOWEEN nicht besser werden. Der Start mir „Are you metal?“ war ja gar nicht so schlecht. Aber das Soundmatsch-Gewummer wurde mit der Zeit immer schrecklicher statt besser. Hinzu kam das übliche schräge Gegröle von Andi Deris. Noch schlimmer waren die überlangen Mitsingspielchen und seine dummen Ansagen, die wohl witzig sein sollen. Dazu zeigte Bandkopf Michael Weikath wieder seine bösesten Blicke. Wird ihm wohl immer mehr klar, dass die Band nicht weiter von ihrer ruhmreichen Vergangenheit leben kann? Positive Stimmung verbreiteten dafür der motivierte Gitarrist Sascha Gerstner und das basspielende Urgestein Markus Großkopf. Neben den üblichen Klassikern brachte man ein gar nicht so schlechtes Medley aus den drei Keeper-Lontracks „Keeper of the seven keys“, „The king for a 1000 years“ und „Halloween“ zum Besten. Danach gab es noch das Superhittriple „Future world“, „Dr. Stein“ und „I want out“. Doch da war der Rezensent schon in der Eventhalle verschwunden. Denn dort fand zu diesem Zeitpunkt etwas viel Angenehmeres statt.
Hier spielten nach Desaster dann doch noch die PRETTY MAIDS zum Tanz auf. Und hier ging es souverän wie immer (aber nicht ohne die nötige Spielfreude) zur Sache. Zum Anfang gibt es ein paar neuere Songs. Doch mit „Walk away“ beginnt der angenehme Oldie-Reigen. Zu diesem Zeitpunkt kommt leider schon nicht mehr alle Interessierte in die Halle. Ein Zeichen, wie beliebt die Band auch heute noch ist. Die Dänen verbreiten aber auch eine wundervolle Stimmung. Wahrscheinlich noch mehr, als es auf der Hauptbühne der Fall gewesen wäre. Hier ist auch der Sound richtig gut und „Please don't leave me“, „Love games“ oder „Sin-decade“ klingen fein. Das Publikum nahm jeden Ton und jeden Melodiefetzen sehr dankbar entgegen. Sehr schön kommt auch das sehr melodische, neue „Little drops of heaven“. Der Schlusspunkt wird (wie üblich) mit dem lauten „Red, hot and heavy“ gesetzt. Mit Verlaub, nach diesem Auftritt brauchte man nicht lange überlegen, wer an diesem Abend das bessere „Future world“ spielte. Denmark 12, Germany 0 points!
Wesentlich handfester ging es derweil draußen zu. Und um das zu beschreiben, was dort abging, braucht man nur ein Wort: SLAYER! Wo man vorher nur noch Doublebass-Geballer vernahm, ist der Sound jetzt wieder glasklar und sehr massiv. Ganz wie man es sich für die diese Band wünscht. Eigentlich ist ja bei dem Vierer alles wie immer. Wenig Ansagen, die Songs kommen flott Schlag auf Schlag und spielerisch lässt man nichts anbrennen. Wie üblich gibt es einen passenden Mix aus altbewährten Gassenhauern und ein paar Kostproben aus dem aktuellen Jahrtausend - die nicht viel anders klingen. Doch einen kleinen, aber feinen Unterschied gibt es doch zu vermelden. Da Jeff Hannemann aus gesundheitlichen Gründen noch immer zu Hause bleiben muss, sprang wieder Exodus-Boss Gary Holt für ihn ein. Und dieser wesentlich agilere Bursche verleiht Slayer etwas mehr Lebendigkeit. Das hat was! Insgesamt war das Ganze das erhoffte und erwartete Abrisskommando. Ein würdiger Headliner wohl auch, aber natürlich kein richtige Stimmungsgranate wie tags zuvor Accept. Aber das liegt natürlich in der Natur der Sache.
Und während das Festival auf dem Open Air-Gelände mit dem obligatorischen Feuerwerk zu Ende ging, war danach doch noch nicht Schluss. Denn am Ende durften direkt nach Slayer die Monster-Rocker LORDI in der Halle ran. Das wollten sich natürlich sehr, sehr viele ansehen. Und wie zu erwarten, war die Halle mit 3.000 Besuchern unmittelbar voll und eine Ganze Menge standen vor verschlossenen Türen, was zu großem Unmut führte. Natürlich ist es eine gute Geste, den Leuten nach dem Schluss noch was bieten zu wollen. Doch das hat so nicht ganz funktioniert. Das interessierte die Leute in der Halle natürlich nicht. Denn die bekamen die erwartete Hardrock-Party. Ein bisschen Hollywood- und Masken-Klimbim hier und simple, eingängige Songs dort - das ist das Rezept einer Lordi-Show. Bei Songs wie „Who's your daddy?“, „Blood red sandman“, „Dynamite tonite“, „This is Heavy Metal“ oder „Devil is a loser“ wird lauthals mitgebrüllt und gefeiert. Zielstrebig steuert die Band auf den Höhepunkt zu. Dieser hört natürlich auf den Namen „Hard Rock Hallelujah“ - und wer kennt und mag das Ding nicht? Mit „Would you love a monsterman?“ geht dann nicht nur dieser Auftritt, sondern auch das Bang-Your-Head!!! 2011 endgültig zu Ende.
Natürlich war es wieder schön. Man blieb von großen Absagen verschont, das Wetter spielte super mit und man wurde Zeuge zahlreicher toller Konzerte. Was will man mehr für sein sauer verdientes Geld? Vielleicht schon jetzt eine Karte für das Festival 2012? Das kann man sich natürlich schon wieder erfüllen. Der Termin 13. und 14. Juli 2012 sollte man sich im Kalender anmerken!
Mario Karl
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