Reviews
Conquest (Review-Serie, Folge 8)
Info
Musikrichtung:
Hard Rock
VÖ: 02/1980 (1997) (Bronze / Castle) Gesamtspielzeit: 61:10 Internet: http://www.uriah-heep.com |
50 Jahre Uriah Heep – Reviews zum Jubiläum; Folge 8: Conquest
Seit Juli 2020 würdigen wir das 50jährige Bestehen von Uriah Heep (Das Debütalbum Very ‘eavy, very ‘umble wurde im Juni 1970 veröffentlicht.), indem wir alle Uriah Heep-Alben besprechen, von denen in der fast zwanzigjährigen Geschichte von musikansich.de noch keine Review erschienen ist.
Mit Conquest erreichen wir das umstrittenste Album der Bandgeschichte. Das sagen im Booklet des 1997er Re-Releases, das wir hier besprechen, sowohl Mick Box selbst, als auch Robert M. Corich, der die Liner Notes verfasst hat. Dieser selbstkritische Blick passt zu einem Album, das 10 Jahre nach Bandgründung um ein Haar zum Sargnagel für die Band geworden wäre.
Um der Wirkung des Albums gerecht zu werden, hätte man 1997 das Cover ändern müssen. Statt einer Band die siegreich (Conquest!) ihre Fahne in die Höhe reckt, hätte man ein Schlachtfeld zeigen müssen, auf dem sich zwischen Trümmern, Bombenkratern und Leichenbergen noch ein oder zwei schwer Verletzte mit zuckenden Bewegungen als Überlebende zu erkennen geben.
Uriah Heep in der Krise
Das Album stand von vorneherein unter keinem guten Stern. John Lawton und Lee Kerslake hatten die Band verlassen – Lawton erst während der Aufnahmen. Es existieren Bootlegs, auf denen Conquest-Material mit ihm am Gesang zu hören ist. Einen festen Schlagzeuger hatte die Band noch nicht gefunden. Chris Slade, der zuvor mit der ebenfalls bei Bronze unter Vertrag stehenden Earth Band von Mannfred Mann die Klassiker vom Debüt 1971 bis Watch (1978) eingespielt hat und später u.a. bei AC/DC und Asia war, war von vorneherein nur eine Übergangslösung für dieses eine Album. Anders sah es ursprünglich beim Sänger John Sloman aus, den die Band gegen den Widerstand von Ken Hensley ins Boot geholt hatte.
Dass Hensley mit seiner Skepsis nicht Unrecht hatte, hört man Conquest an. Mag manch einer in Sloman auch einen neuen Robert Plant gehört haben, zu Heep passte er definitiv nicht. Hensley zog die Konsequenzen und verlies die Band. Man versuchte ihn durch Gregg Dechert zu ersetzen, der zuvor mit Sloman bei den kanadischen Pulsar gespielt hatte. Er ist auf einigen Bonus-Stücken dieser Remaster-Edition zu hören.
Auf der folgenden Tour wurde Mick Box deutlich, dass diese Formation alles andere als erfolgsversprechend war. Er entschied sich zusammen mit Trevor Bolder einen Neuanfang zu machen. Sänger der Wahl war Original-Sänger David Byron, der Heep nicht zuletzt aufgrund der Spannungen mit Ken Hensley verlassen hatte.
Als Byron absagte bekam Trevor Bolder das Angebot erneut Nachfolger von John Wetton zu werden. Er hatte ihn bereits 1976 bei Uriah Heep ersetzt. Nun sollte er sein Nachfolger bei Wishbone Ash werden. Bolder akzeptierte und Uriah Heep waren zur One-Man-Band namens Mick Box geworden.
Eine paar Tage war der Gitarrist am Boden zerstört. Er schloss sich in seiner Wohnung ein und betrank sich zwei Tage lang besinnungslos, so Corich in den Liner Notes. Dann berappelte er sich und spielte mit einer neuen Besetzung das härteste Album ein, das Heep bis dahin veröffentlicht hatten. Aber das ist eine andere Geschichte, zu der Mario in der nächsten Ausgabe das Nötige sagen wird.
Das schwierige Album
Conquest beginnt mit zwei Katastrophen. Dem heiser gesungenen Semi-Longtrack „No Return“ fehlt jede Substanz für diese Länge und bei dem düster und schleppenden „Imagination“, bei dem Sloman Hensley in jeder Sekunde bei seiner Skepsis Recht gibt, fragt man sich, ob das ein Vorläufer des Gothic Rocks sein soll.
„Feelings“ mit seiner Pseudo-Live-Atmosphäre lässt etwas aufatmen. Es ist immerhin ein legitimer Heep-Song. Dass aber dieser Song, der selbst zu Wonderworld- und High and mighty-Zeiten Ausschussmaterial gewesen wäre, auf Conquest zu den Highlights zählt, sagt eigentlich alles.
Das zweite Highlight ist „Carry on“, der Top-Song von Conquest, ein krachender Rocker, der die Stimme zumindest teilweise mitträgt und zeigt, dass es nicht nur an Sloman liegt, dass Conquest nicht kommt. Orgel und Gitarre können hier gut punkten, während „Won’t have to wait too long“ Bolder Gelegenheit gibt zu zeigen, was er mit vier Saiten anstellen kann.
Kurz vor Ende kommt die bei Heep obligatorische Ballade. Aber wenn man hört, wie Sloman bei „Out on the Street“ agiert, sieht man vor dem geistigen Auge Ken Hensley sagen „Ich hab’s Euch ja gesagt.“.
Conquest - wie gesagt – ein Schlachtfeld mit wenigen Überlebenden.
Die Remaster-Bonüsse
Drei Singles hat man nach Conquest veröffentlicht. Ihre non-Album Tracks bilden den Löwenanteil der Bonus-Tracks dieser Remaster-Ausgabe, die das Album so deutlich aufwerten, dass man auch denjenigen, die Conquest bereits im Regal vergammeln lassen, zur Anschaffung raten kann.
Nur eine der drei Singles ist eine Auskopplung aus dem Album. Auch das lässt tief blicken. Zu Recht ist das „Carry on“. Die b-Seite war „Been hurt“, eine coole Nummer, die selber Hitpotenzial gehabt hätte – Vielleicht sogar mehr als ihre a-Seite – und klingt, als könne es noch ein Überbleibsel aus den Innocent Victim- oder Fallen Angel-Sessions sein.
Der Album-Opener „No Return“ durfte trotz seiner Länge die b-Seite von „Love Stealer“ sein, einem packenden Cover eines alten Hits der Pop-Boy-Group Hello, der – anders als im Booklet behauptet - natürlich nicht von Trevor Bolder mitkomponiert wurde.
Komplett neu ist die dritte, mit Gregg Dechert eingespielte, Single „Think it over“ / „My Joanna needs tuning“. Die beiden Stücke sind gut zwischen Rock und Pop positioniert. „My Joanna needs tuning“ leidet erneut unter dem Gesang. „Think it over“ wird auf dem folgenden Album Abominog in neuer Einspielung erscheinen.
Mit dem zwischen Pop und melodiösem AOR-Refrain changierenden „Lying“ gibt es auch noch einen Out-Take, den selbst Single-Sammler noch nicht besitzen.
Fazit: Dass es Uriah Heep in 50 Jahren Bandgeschichte zumindest einmal gelingen sollte dieses Album noch zu unterbieten, konnte damals niemand wissen. Vor allem aber konnte niemand ahnen, dass nach 10 Jahren und Conquest noch mehr als 40 Jahre Bandgeschichte folgen sollten.
Trackliste
1 | No Return | 6:03 |
2 | Imagination | 5:49 |
3 | Feelings | 5:25 |
4 | Fools | 5:01 |
5 | Carry on | 3:56 |
6 | Won't have to wait too long | 4:51 |
7 | Out on the Street | 5:52 |
8 | It ain't easy | 5:48 |
9 | Been hurt (B-Seite von „Carry on") | 3:57 |
10 | Love Stealer (Single-A-Seite) | 3:29 |
11 | Think it over (Single-A-Seite) | 3:34 |
12 | My Joanna needs tuning (B-Seite von „Think it over") | 3:03 |
13 | Lying (Out-Take) | 4:23 |
Besetzung
John Sloman (Lead Voc, Piano, Perc)
Chris Slade (Dr, Perc)
Trevor Bolder (B, Back Voc, Lead Voc <8>)
Ken Hensley (Keys, Git, Back Voc)
Gerry Bron (Produzent, Timpani <7>)
Greg Dechert (Keys <11,12>)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |