Musik an sich


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Chopin, F. (Kempf)

Etuden


Info
Musikrichtung: Klavier

VÖ: 09.03.2004

BIS / Klassik Center Kassel (SACD /AD 2003/ Best. Nr. BIS-CD-1160)

Gesamtspielzeit: 62:00

Internet:

BIS



PIANISTISCHER GIPFELSTURM OHNE HÖHEPUNKTE

Frederik Chopins Etüdensammlungen op. 10 und 25 gehören mit ihren insgesamt 24 "Fingerübungen" zu den Achttausendern der Klavierliteratur: Immens, was die spieltechnischen Anforderungen angeht und nicht weniger anspruchsvoll im Bezug auf das poetische Potential, das es zu enthüllen gilt. Denn - und dies lehrt diese Einspielung des jungen englischen Pianisten Freddy Kempf erneut - es genügt nicht, die Musik nur virtuos und fingerfertig bravourös darzubieten.

Käme es nur darauf an: Die Aufnahme wäre sicherlich als sehr gelungen zu bezeichnen - so athletisch und kraftvoll, mit jugendlichem Überschwang nimmt Kempf diesen Gipfel (natürlich nicht, ohne auf den langsameren Plateaus gebührend innezuhalten und die Aussicht zu genießen). Doch: Der Sprint allein, und läßt er, wie hier, den vertrackten Satz auch noch so dramatisch aufschäumen, erweckt die Musik nicht zum Leben. Und reißt auch den Hörer nicht mit zum Gipfel empor.
Ursache dafür ist gerade Kempfs Direktheit. Interessant dabei ist: Seine Läufe scheinen sich häufig gar nicht zu bewegen, weil der Pianist es unterläßt, ihre Bewegtheit durch eine entsprechende Agogik zu artikulieren. Man kennt so was von japanischen Zeichentrickfilmen: Effektvoll und technisch perfekt, fehlt ihnen häufig das Gespür für die Schwere und Volumina der dargestellten Körper. Ein Elefant scheint da nicht massiger zu sein, als eine Maus.
Dazu kommt der sehr aktive Klang des Steinways. Gewiss ein großartiger Klang. Aber eben sehr viel weniger luzide als jene leichter gebauten Pleyel- oder Erard-Flügel, die Chopin kannte. Das muss kein Manko sein, man höre z. B. nur Maurizio Polinis silbrig perlendes Spiel auf seiner 1972er Aufnahme der Études (DG). Das allein wäre aber nichts, würde Polini diese Musik nicht auf so wunderbare Weise zum Leben erwecken. Man hört das Spielerische, Verträumte, Witzige, Phantastische, Atmende und Geheihmnisvolle. Eben diese Dimensionen gehen Kempfs eindimensionaler Neueinspielung ab.



Georg Henkel



Trackliste
01-12 12 Études op. 10 (30:28)
13-24 12 Études op. 25 (32:55)
Besetzung

Freddy Kempf (Steinway D)


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