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Rock Meets Classic 2012: Eine Handvoll (semi-)legendärer Sänger plus Band und Orchester zelebrieren einen Sack voll Rock-Klassikern




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Titel: Rock Meets Classic 2012


Nach 2010 und 2011 geht die Veranstaltung, die von Antenne Bayern präsentiert wird bereits in die dritte Runde. Heuer sind mit Jimi Jamison, Robin Beck, Chris Thompson, Steve Lukather und Ian Gillan wieder einige Hochkaräter am Start. Unterstützt werden sie dabei von der Mat Sinner Band und dem Bohemian Symphony Orchester aus Prag. Tausendsassa Mat Sinner (Sinner, Primal Fear, Voodoo Circle) hat wieder einmal eine schlagkräftige Truppe um sich geschart. Mit Alex Beyrodt und Oliver Hartmann hat er ein Gitarren-Duo dabei, das sein Handwerk durchaus versteht und aus diversen Projekten (Avantasia, Voodoo Circle, Echoes) bekannt ist. Keineswegs darf Ralf Scheepers vergessen werden, der äußerst mannschaftsdienlich den Background-Chor verstärkt und eigentlich Frontmann der Band Primal Fear ist.

Wie immer in der Arena ist das Gedränge groß und es kommt mir wieder einmal so vor, dass die Gänge bzw. die Architektur der Arena eine große Fehlkonstruktion darstellen. Die Arena ist größtenteils ausverkauft, es sind im Innenraum keine und auf den Rängen einige wenige freie Plätze zu erkennen. Von den Zuschauern her ist der Altersschnitt eher auf Mitte 40 anzusiedeln, wobei auch einige jüngere Fans mit am Start sind. Da das Konzert von Antenne Bayern präsentiert wird, kommt ein Moderator des Senders auf die Bühne und kündigt das Orchester, die Sänger und die Band an. Leider haben sie offensichtlich einen ziemlichen Anfänger auf die Bretter geschickt. Die Moderation ist ziemlich hölzern, wirkt teilweise lächerlich und man ist froh, als der arme Tropf endlich das Weite sucht.

Die Band und das Orchester werden mit viel Applaus empfangen und ein sehr gut gelaunter Mat Sinner begrüßt das Publikum. Los geht’s mit dem Song „Jump“, der von einem der Background-Sänger grandios gesungen wird. Dann kündigen stampfende Rhythmen großes an: Jimi Jamison (ex und wieder Survivor) kommt auf die Bühne und beginnt stilecht mit dem Rocky-Soundtrack „Burning Heart“. Der Song ist bestens bekannt und so bekommt der sympathische Sänger viel Applaus. Mit dem neuen Song „Didn't Know It Was Love“ wird ein cooler neuer Song präsentiert, den Jimi Jamison letztes Jahr auch auf seiner Solo-Tournee gesungen hat. Doch es sind die alten Klassiker, die das Publikum hören will. So folgen der Herzschmerz-Song „The Search Is Over“, das geniale „Can’t Hold Back“ und als finaler Dampfhammer „The Eye Of the Tiger“. Der Sound ist zu jeder Sekunde klasse, Jimi Jamison singt außergewöhnlich gut und das Ganze ist insgesamt eine runde Sache. Allerdings versteht man Jimis Ansagen kaum, hier ist der Ton ein wenig seltsam - oder er spricht so undeutlich. Es gelingt Mr. Jamison sehr selten Kontakt zum Publikum aufzubauen und dieses zu begeistern. Von daher wird er eher mit Anstandsapplaus bedacht.

Auf zweiter Position hat sich Robin Beck eingeschlichen. Die Ehefrau von James Christian (Sänger von House Of Lords) dürfte den meisten wohl noch aus der Coca Cola-Werbung und dem dazugehörigen Song „First Time“ bekannt sein. Als Robin Beck die Bühne betritt, muss ich erst einmal genau hinschauen: Die Frau ist wirklich sehr klein! Ihre Stimme ist jedoch bestens und somit legt sie gleich mit dem schmissigen „Hide Your Heart“ los. Sie wirkt auf der Bühne etwas unsicher und man merkt ihr an, dass sie nicht über die Frontmann-Qualitäten anderer Sänger verfügt. Ihre Ansagen sind teilweise etwas albern und unpassend, aber zu verschmerzen. Der zweite Song „Tears in The Rain“ ist eine typische Rockballade mit Klasse und kommt live sehr gut an. Den Abschluss bildet natürlich ihr wohl bekanntester Song, „First Time“. Es ist cool, dieses Lied einmal live zu hören. Allerdings merkt man auch, dass Mrs. Beck sich hier stimmlich doch ziemlich anstrengen muss. Ihr Auftritt kommt an und das Nürnberger Publikum bedankt sich artig.

Was nun folgt, ist ein wahrer Triumphzug eines gewissen Chris Thompson, seines Zeichens ehemaliger Sänger der Manfred Mann’s Earth Band. Der Einstieg mit „You're The Voice“ (bekannt durch John Farnham) ist sehr gut gewählt und bringt das Publikum schon mal gewaltig auf Trab. Er begründet die Entscheidung dieses Lied live zu präsentieren mit den Worten: „Weil ich’s geschrieben habe…“ Der Mann ist ein absolutes Phänomen. Stimmlich noch besser als schon auf den entsprechenden Studioversionen ist er auf der Bühne ein ständiger Unruheherd und scheint permanent unter Strom zu stehen. Er heizt das Publikum an und es gelingt ihm problemlos, die große Halle bis auf den letzten Platz zum Mitmachen zu animieren. Die Songs sind mit dem überragenden „Blinded By The Light“, „Davy’s On The Road Again“ und dem finalen „Mighty Quinn“ sehr gut gewählt und Mr. Thompson veredelt jeden einzelnen davon mit seinem Goldkehlchen. Mat Sinner fordert ihn noch einmal auf die Bühne, um sich seine Portion Extraapplaus abzuholen - den er sich auf jeden Fall verdient hat. Das Publikum ist restlos begeistert und feiert ihn nach allen Regeln der Kunst ab.

Nun folgt eine kurze Pause, nach der Steve Lukather, der Gitarrist von Toto, angekündigt wird. Mit „Africa“, einem der großen Toto-Hits, geht es los und Steve Lukather, der sympathische Vollblutmusiker, versprüht von Anfang an eine gute Laune auf der Bühne. Er sucht den Kontakt zu fast allen Mitmusikern in der Band und man merkt ihm an, dass es ihm Spaß macht mit diesem Orchester live zu spielen. Bei „Rosanna“ singt Steve Lukather den Beginn. Der Primal Fear-Sänger Ralf Scheepers setzt bei der höheren Lage ein und singt diesen Part mit viel Gefühl und Präzision. Es ist schon beeindruckend, welche Wandlungsfähigkeit dieser Koloss an den Tag legen kann! Mit „I’ll Be Over You“ hat sich ein Song ins Repertoire eingeschlichen, der eher nicht aus sämtlichen Radiosendern bekannt ist. „While My Guitar Gently Wheeps“ widmet er George Harrisson und Sängerin Amanda Sommerville übernimmt hier die hohen Parts. Den Abschluss bildet der Knaller „Hold The Line“, bei dem Steve Lukather ein weiteres Mal eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass er einer der besten Hardrock-Gitarristen überhaupt ist. Steve Lukather lässt sich ausgiebig vom Publikum feiern und macht die Bühne frei für den Deep Purple-Sänger Ian Gillan.

Nach dem letzten Toto-Song setzen sich die meisten wieder hin. Mat Sinner fordert jedoch die Fans auf, stehen zu bleiben denn es kommt „The Voice Of Rock, Ian Gillan“. Die Ansage ist wenn überhaupt schmeichelhaft, da mit „The Voice Of Rock“ in meinen Augen nur Glenn Hughes, ehemaliges Deep Purple-Mitglied, betitelt werden darf. Und im direkten Vergleich ist Ian Gillan hier mittlerweile um einige Klassen schlechter. Wer die Deep Purple-Songs kennt weiß, dass hier nur „Highway Star“ angespielt werden kann. Mit diesem Song geht’s dann auch los und Ian Gillan kommt entspannt wie immer auf die Bühne. Letztes Jahr hatte er auch die Headliner-Position, wobei ich damals von seinem Gesang und dem Auftritt etwas enttäuscht war. „Highway Star“ wird von der Band gut gespielt. Vor allem das Gitarrensolo von Oliver Hartmann und Alex Beyrodt, das sehr eng am Original angelehnt ist, ist wirklich genial gemacht. „Knocking At Your Backdoor“ und das überragende „Perfect Strangers“ sind wie für die Präsentation mit Orchester gemacht und werden dadurch noch um einiges intensiver - vor allem „Perfect Strangers“. Ich habe mich mittlerweile vor an die Bühne gestellt und muss durchaus sagen: Ian Gillan singt heute nicht einmal schlecht. Okay, bei „Highway Star“ sieht er ziemlich alt aus aber bei den anderen beiden Songs bringt er eine gute Leistung. Besonders freue ich mich immer über „Woman From Tokyo“. Hier passt auch fast alles und Ian Gillan singt durchaus gut. „When A Blind Man Cries“ nimmt das Tempo wieder ein bisschen raus und dabei stellt sich eine fast magische Stimmung in der Arena ein. Die Tatsache, dass der Uralt-Song „Hush“ gespielt wird finde ich äußerst cool. Beim letzten Song „Smoke On The Water“ werden alle anderen Künstler noch einmal auf die Bühne geholt und jeder außer Steve Lukather singt einen Teil der Strophe. Das Orchester hat sich hier komplett Sonnenbrillen aufgesetzt und zelebriert diesen Song regelrecht. Überhaupt das Orchester: Der Wahnsinn, was diese Damen und Herren vom Stapel lassen. Man merkt das Engagement, die Begeisterung und die Spielfreude des kompletten Ensembles, das sich vom Dirigenten bis zu jedem einzelnen Musiker durchzieht. Teilweise stehen die Musiker während der Songs auf und vermitteln eine regelrechte Begeisterung. Auch die Musiker der Matt Sinner Band und die Background Sänger und Sängerinnen sind mit Begeisterung bei der Sache und veredeln die gespielten Songs.

Unter tosendem Beifall werden alle beteiligten Musiker vom enthusiastisch aufgelegten Nürnberger Publikum verabschiedet. Der Abend war ein absoluter musikalischer Hochgenuss, die Verschmelzung von Rock mit klassischer Musik funktionierte wieder einmal einwandfrei. Ich bin gespannt, welche Sänger im nächsten Jahr wieder eingeladen werden bzw. ob die Konzertreihe fortgesetzt wird. Es wäre auf jeden Fall eine tolle Sache!




Stefan Graßl



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