Musik an sich


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„Wenn du sie magst, magst du sie, wenn nicht, dann nicht“ – Interview mit dem ABBA Biografen Carl Magnus Palm




Info
Künstler: Carl Magnus Palm

Zeit: 23.01.2011

Internet:
http://www.carlmagnuspalm.com/
http://www.abba.de

ABBA waren und sind noch immer ein Phänomen. Viele Millionen verkaufte Schallplatten und CDs, ein weltweit erfolgreiches Musical (und eine Filmadaption) mit der Musik der Band und das Dekaden nach Auflösung der Band. Biograf Carl Magnus Palm beleuchtet in seiner Biografie ABBA: Licht und Schatten – Die wahre Geschichte ausführlich die ganze Bandgeschichte von den Anfängen bis zum heutigen Tag. Im Interview gibt er einige persönliche Einblicke und Einschätzungen zum Erfolg der Band.

Hallo Carl Magnus Palm, viele ABBA-Fans werden Sie kennen, weil Sie viele Bücher über die Band geschrieben haben. Könnten Sie uns mehr über Ihre Karriere als Buchautor über ABBA erzählen (z.B. für die Nicht-ABBA-Fans)?

Ich habe mit einem Buch begonnen, das ABBA - The Complete Recording Sessions heißt und 1994 veröffentlicht wurde. Für dieses Buch konnte ich glücklicherweise mit allen vier ABBA-Mitgliedern Interviews führen, daneben aber auch mit ihrem Tontechniker Michael B. Tretow und einigen ihrer Session-Musiker. Dieses Buch hat mir den Ruf eingebracht, viel über ABBA zu wissen und danach hat sich das einfach von Projekt zu Projekt entwickelt.

Ist das Schreiben über Musik ihr Beruf oder haben Sie noch einen anderen Job?

Das Schreiben über Musik – meist über ABBA - ist mein Hauptberuf geworden. Manchmal mache ich noch ein wenig Übersetzungen aber heutzutage nicht mehr so oft.

Warum ABBA und keine andere Band?

Ich habe natürlich ihre Musik gemocht und es gab da noch das ‚offene Feld‘, dass ABBA zwar eine solch enorm populäre Band war, es aber eigentlich kein wirklich substantielles Buch über sie gab. Ich habe das als Herausforderung angesehen: eine gründliche Recherchearbeit zu machen und die Geschichten auszugragen, die entweder unbekannt oder längst vergessen waren. Es hat natürlich auch geholfen, dass ABBA eine schwedische Band ist, weil es für mich selbst – da ich selbst auch Schwede bin – somit einfacher war an Leute, Archive und Einrichtungen heranzukommen.

Wie würden Sie Sich selbst beschreiben? Sind Sie einfach ein Fan von ABBA oder ein richtig Besessener?

Ich würde sagen ‚einfach ein ABBA-Fan‘. Wäre ich ein ‚wahrhaft Besessener’ hätte ich wahrscheinlich nicht die Disziplin gehabt, die tiefgehenden Recherchen durchzuführen, wie ich das getan habe und noch weniger Geduld, um über die Gruppe ein Buch zu schreiben.

Welches ist Ihr Lieblingssong und Ihr Lieblingsalbum von ABBA?

Mein Lieblingslied ist “The Winner Takes It All“, weil es meiner Meinung nach einfach der perfekte Pop-Song ist: eine sehr einfache Melodie die durch die clevere Produktion und den atemberaubenden Gesang von Agnetha nach viel mehr klingt.

Mein Lieblingsalbum ist Voulez-Vouz. Ich mag es, weil es viele Disco-Rhythmen enthält und eine gewisse ‚Elastizität‘ im Sound von den meisten Songs. Hätten sie noch “I Have A Dream“ mit “Summer Night City“ ersetzt (welches nur als Single veröffentlicht wurde, obwohl es während der Sessions für Voulez-Vouz aufgenommen wurde), wäre es ein absolut makelloses Album.

Weshalb gibt es jetzt eine neu überarbeitete Version Ihres Klassikers ABBA: Licht und Schatten – Die wahre Geschichte (Erstauflage 2001) auch wenn ABBA selbst keine neue Musik veröffentlicht hat?

Viele Dinge sind in den letzten zehn Jahren geschehen, seit das Buch das erste Mal veröffentlicht wurde. So haben sich zum Beispiel die ABBA-Mitglieder einige Male ‚wiedervereinigt‘ (sie haben dieselben öffentlichen Veranstaltungen besucht), Agnetha hat ihr erstes Soloalbum seit 17 Jahren veröffentlicht und so weiter. Daneben gab es einige Updates und neue Informationen über die eigentlichen ABBA-Jahre. So, auch wenn ABBA als Gruppe keine neue Musik mehr veröffentlicht gibt doch viele Dinge, die die einzelnen Mitglieder so machen.

Haben Sie Kontakt zu Agnetha, Frida, Benny oder Björn?

Ich habe keinen Kontakt zu Agnetha und Frida, spreche aber manchmal mit Benny und Björn wenn ein Projekt in Arbeit ist, bei dem ich involviert bin.

Sie diskutieren viele Probleme innerhalb der Band und innerhalb der gesamten Struktur (z.B. mit Polar Music und ihr Manager Stig Anderson). Wissen Sie, was die vier über das Buch denken?

Nein, überhaupt nicht. Sie haben nie wirklich einen Kommentar dazu abgegeben außer Björn der mir kürzlich erzählte, dass er denkt es ist gut, dass ich ihre Geschichte bewahre und sie auch in korrekter Art und Weise erzähle. Ich denke nicht, dass eines der Mitglieder meine Bücher gelesen hat außer natürlich Björn und Benny, die mein erstes Buch - ABBA - The Complete Recording Sessions - gelesen haben, denn sie haben ein Vorwort dazu geschrieben.

Was denken Sie ist der Grund für den immer noch großen weltweiten Erfolg, auch wenn die Band schon lange nicht mehr existiert?

Wie viele andere ‚klassische‘ Bands die immer noch populär sind steht ABBA für etwas, das heute kaum noch existiert und das sind gute, starke Songs und ein Gefühl der Freude, was unter den Künstlern heute ziemlich unmodern ist. Daneben hatten ABBA damals so viele Hits an die sich die Menschen gerne erinnern, so dass man sie nicht wirklich vergisst (wie es vielleicht mit anderen Künstlern geschieht, die weniger Hits hatten). Ein Erfolg wie dieser scheint so eine Art Schneeball-Effekt zu haben: die Musik verschwindet nie ganz und so werden neue Generationen damit immer wieder vertraut und werden dadurch neue Fans von ABBA, und das geht so weiter.

Es scheint, dass die Band nach ihrer Auflösung in den USA noch erfolgreicher wurde. Gibt es dafür Gründe?

Das ist schwer zu sagen. Vielleicht hat das damit zu tun, wie sich die Musikbranche in den Jahrzehnten nach dem ABBA Split veränderte. Ich denke, dass die Gruppe heute als ein Klassiker angesehen wird und weniger als ein leichtgewichtiger Pop Act. Sicherlich, der Erfolg des Mamma Mia! Musicals hat in den USA wohl beigetragen, dass die Marke ABBA wieder gestärkt wurde. Aber ich denke immer noch nicht, dass die Amerikaner wissen, wer Björn, Benny, Angetha und Frida sind, so wie sie zum Beispiel John, Paul, George und Ringo auch als Einzelpersonen wahrnehmen.

Weshalb sollte heute jemand ABBA anhören?

Weil es gute Musik ist. Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen, als diesen. Wenn du sie magst, magst du sie, wenn nicht, dann nicht – so einfach ist das.

Gibt es einen neue schwedische (oder internationale) Band von der Sie denken, dass sie das Potential für eine ähnliche Karriere hat?

Nein, ich denke diese Art von Karriere kann es nicht mehr geben. Die Musikbranche ist heute so total verschieden wenn man sie mit den 1970ern vergleicht. Niemand kann heute so eine Wirkung erzielen, wie es ABBA taten.

Sie haben zwar auch ein Buch über die Beatles geschrieben, aber zumeist widmen Sie Sich schwedischen Künstlern. Denken Sie, dass schwedische Künstler heute zu wenig bekannt sind oder zu wenig wahrgenommen werden?

Nicht wirklich. Vor allem heutzutage, da schwedische Musik überall zu sein scheint. Ich lese in britischen Zeitschriften Rezensionen über schwedische Bands, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Vor gerade einmal einer Dekade wäre das nie passiert.

Gibt es noch etwas, das Sie unseren Lesern mitteilen möchten?

Ich hoffe, sie finden Gefallen an meiner ABBA Biografie. Ihre Geschichte ist viel interessanter, faszinierender und dramatischer, als sie vielleicht denken!

Vielen Dank!


Ingo Andruschkewitsch



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