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La Dame aux camélias (DVD)
Info
Musikrichtung:
Romantik Ballett
VÖ: 22.06.2009 (Opus Arte / Naxos / 2 DVD / 2008, live / Best. Nr. OA1008D) Gesamtspielzeit: 191:00 |
SCHWERES PARFÜM
Schon manches, von dem man glaubte, es sei nicht tanzbar, hat John Neumeier in große Balletterfolge verwandelt: Von Bachs Matthäuspassion über die "Medea" auf Werke von Bartok und Schnittke bis zum "Tod in Venedig" zur Musik aus "Tristan und Isolde" und Bachs Goldberg-Variationen. Und so verknüpfen sich naturgemäß hohe Erwartungen mit einer von Neumeier choreographierten Variante der Geschichte um Alexandre Dumas´ Kameliendame, die den Opernfreunden als "La Traviata" vertraut ist.
Das Ballett, das erstmals 1978 in Stuttgart Premiere hatte, erfuhr 2006 eine Neuinszenierung an der Pariser Oper. Diese kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zeit ein wenig über das Ballett hinweggegangen ist und Neumeier mittlerweile mit anderen Mitteln ein anderes Niveau zu erreichen versteht.
Im von Neumeier selbst verfassten Libretto vollzieht sich das Geschehen auf drei Handlungsebenen: Da in der Gegenwart die eigentliche Geschichte um die tragische Liebe zwischen Armand und Marguerite schon Vergangenheit ist, lernen wir Episoden ihrer Beziehung in Rückblenden kennen. Zudem wird, als Theater im Theater, zugleich die Geschichte von Manon Lescaut erzählt, in ihrer Tragik und dem Scheitern einer großen Liebe an gesellschaftlichen Vorgaben der "Kameliendame" nicht unähnlich und ebenfalls als Opernstoff bekannt. Die Geschichten und Zeitebenen ergänzen oder erläutern einander allerdings kaum, sondern spiegeln sich allenfalls bruchstückhaft oder bieten assoziative Anklänge.
Nicht unproblematisch ist die Musikauswahl. Statt auf solche Solo-Klavierwerke zurückzugreifen, die eine mikroskopisch-analytische Ausdeutung zugelassen hätten, baut Neumeier in den Mehrpersonenszenen auf Chopins Werke für Klavier und Orchester und Sätze aus den Klavierkonzerten. Diese gehören schon für sich genommen nicht zu den großen Würfen des Komponisten, sondern bieten bei eher beiläufiger Behandlung des Orchesters, im wesentlichen eine Folie für pianistische Kunststücke. Kein Wunder, dass es auf dieser Grundlage schwierig ist, sich den Figuren tänzerisch wirklich zu nähern, so dass es oft bei einer äußerlichen Nachzeichnung der Geschehensabläufe bleibt. Was Neumeier sonst auszeichnet, nämlich bekannten Stoffen und/oder bekannter Musik eine andere, neue Dimension abzuringen und somit ungeahnte Perspektiven zu eröffnen - hier wird es nicht durchweg erreicht. Es dominiert statt dessen in diesen Teilen eine ästhetisierte Salon-Atmosphäre, bei der das Ballett zumeist in neo-klassischen Figuren verharrt. Den Tänzern wird die große Geste abverlangt und so häufig, wie die Hände vor das tränenreiche Gesicht geschlagen werden und Protagonisten vor Schmerz zusammenbrechen um gleich darauf federleicht weiterhüpfend die Bühne zu verlassen, muss man das als affektiert beschreiben. In diesen Momenten liegt über allem der Duft eines schweren, auf die Dauer Kopfschmerz auslösenden Parfüms.
Daneben allerdings gibt es Szenen von großer psychologischer Dichte und Intensität, wie z.B. das Zusammentreffen zwischen Marguerite und Armands Vater, Monsieur Duval, sowie das unter dem Zeichen dieser Begegnung stehende Wiedersehen der beiden Liebenden am Ende des zweiten Aktes. Hier ist jede Bewegung, jede Geste mit Bedeutung aufgeladen und alles fällt kleinteiliger, sensibler aus. Solo-Klavierstücke bieten die Basis, um sich den Figuren, ihren Empfindungen und Gedanken mit mikroskopischer Genauigkeit zu nähern. In diesen Momenten ist Neumeiers Ballett aus den späten 70ern schon ganz auf der Höhe seiner späteren Kunst und hieraus beziehen die Neuinszenierung 2006 und die DVD-Produktion ihre unbedingte Berechtigung.
Sven Kerkhoff
Besetzung
Agnés Letestu: Marguerite Gautier
Stéphane Bullion: Armand Duval
Michael Denard: Monsieur Duval
Dorothée Gilbert: Prudence Duvernov
Delphine Moussin: Manon Lescaut
Des Grieux: José Martinez
Paris Opera Ballet
Paris Opera Orchestra
Emmanuel Strosser, Frédéric Vaysse-Knitter: Klavier
Michael Schmidtsdorff: musikalische Leitung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |