Reviews
Bolero u.a.
Info
Musikrichtung:
Impressionismus
VÖ: 14.09.2006 Zig-Zag Territoires / Note 1 (CD, DDD (AD: 2005) / Best.nr. ZZT 060901) Gesamtspielzeit: 71:33 Internet: Zig-Zag Anima Eterna |
BEREICHERUNG
Was ist es, das den Reiz von Maurice Ravels (1875-1937) unverwüstlichem "Bolero" ausmacht - das rhythmische Element, das so schwer erreichbare, nahezu unmerkliche Dauercrescendo oder die latent schwüle Erotik, die dem Stück anhaftet? Nein, wer das Werk unter Jos van Immerseels Leitung hört, dem wird klar: Das eigentlich raffinierte ist die Instrumentation, mit der Ravel einen unvergleichlich suggestiven Farbenreichtum bewirkt. Nie ist das derart klar herausgearbeitet worden, wie in dieser zwischen Orient und Okzident schwebenden, leicht jazzigen Interpretation. Immerseel nimmt dabei das Tempo aus dem Stück heraus, lehnt sich an Ravels eigene, technisch leider nur unzureichend überlieferte Einspielung an und benötigt so fast 17 Minuten, wo andere mit 15 oder gar 13 auszukommen meinen. Der Klangfarbenrausch gewinnt dadurch überrasschenderweise sogar noch an Eindringlichkeit. Und wenn man erst beim Solo-Saxophon-Einsatz angekommen ist oder die kühnen, frechen Schlusstakte gehört hat, dann kann man hinter diesen neu gesetzten Maßstab künftig schwerlich zurück.
Die Mühe, auch hier die historischen Instrumente aufzutreiben und das Risiko, das spieltechnisch mit ihrer Verwendung verbunden ist, einzugehen, zahlt sich dabei doppelt und dreifach aus. Diesen Bolero vergisst man einfach nicht mehr.
Auch die "Rapsodie espagnole" zehrt von diesen Vorteilen. Scharf und pointiert geht Immerseel sie mit seinem Orchester an, das tänzerische Element bekommt südländisches Feuer, jedoch abseits jeder fokloristischen Harmlosigkeit. Der "Pavane" vermag das allerdings die ihr immanente, etwas penetrante Süßlichkeit nicht zu nehmen.
Das auf einem Erard Konzertpiano aus dem Jahre 1905 von Claire Chevallier mit stupender Virtuosität zelebrierte "Konzert für die linke Hand" zeigt Ravel, wenngleich von Gershwins Vorbild beeinflusst, als Komponisten, der durchaus eigene Wege ging. Das verwendete Instrument spitzt dies insofern zu, als es eine besonders herbe und kraftstrotzende, in den tiefen Lagen fast schon bedrohliche Klangwelt schafft. Das Konzert erscheint somit eher bedeutungsschwer, denn unterhaltsam.
Einzig in "La Valse" hätte man sich eine rauschhaftere, weniger mechanische Deutung gewünscht.
Dies ändert aber nichts daran, dass es Immerseel mit dieser CD einmal mehr gelungen ist, scheinbar bekanntem Repertoire neue Seiten abzugewinnen und Perspektiven zu eröffnen, die erst die tatsächliche Bedeutung dieser Stücke erkennen lassen und ein ganz anderes, ungleich größeres Hörvergnügen ermöglichen.
Sven Kerkhoff
Trackliste
2 Pavan pour une infante défunte 06:03
3 Konzert für die linke Hand 20:51
4-7 Rapsodie espagnole
4 Prélude à la nuit 04:12
5 Malaguena 02:08
6 Habanera 02:40
7 Feria 06:36
8 La Valse 12:10
Besetzung
Claire Chevallier, Klavier (Instrument: Erard, 1905)
Ltg. Jos van Immerseel
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |