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Reviews

Rossini, G. (Lehmann)

L´Italiana in Algeri


Info

Musikrichtung: Oper

VÖ: 03.05.2024

(PAN Classics / Note 1 / 2 CD / 2022, live / Artikelnr. PC 10455)

Gesamtspielzeit: 147:00

Internet:

Eroica Berlin

"ZUM VERGESSEN"

Nach einer historisch-informierten "Italienerin in Algier" live aus Amsterdam 2022 (Glossa) unter gleichem Vertriebsdach nun eine weitere Einspielung vom gleichen Jahr live aus Berlin beim Label PAN nachzulegen, erscheint auf den ersten Blick marktstrategisch rätselhaft. Indes: Man erlebt atmsophärisch eine gänzlich andere Oper, denn Ensembleleiter Jakob Lehmann setzt klar eigene Schwerpunkte. Seine Orchesteraufstellung und -besetzung müht sich ebenfalls um Authentizität, spielt aber mit mehr Schlagwerk (einschl. exotischem Kolorit und Schellenbaum), sehr bassbetont (drei Kontrabässe bei 12 Violinen, dabei resonanzverstärkend dreisaitig ausgelegt) und lässt den Instrumentalisten in den Solo-Passagen eine improvisatorische Freiheit, wie sie sonst nur den Sänger:innen zugestanden wird. Besonders markant fällt ins Ohr, dass die Rezitiative nicht nur mit einem Tasteninstrument, sondern mit Violoncello, Kontrabass und Hammerklavier begleitet werden, was mehr Potential zur Gestaltung und diesen Momenten zusätzliches Gewicht gibt. Auch tontechnisch spielt das Orchester die erste Geige und steht mit seinem nicht selten band-artigen Sound klar im Vordergrund, ja es droht in den Ensembles die Vokalstimmen bisweilen zu überdecken, obwohl ansonsten fein phrasiert und dynamisch abgestuft wird.

Im Live-Mitschnitt entsteht bei deutlich wahrnehmbaren Bühnengeräuschen und trockener Akustik eine volkstheaterhafte Atmosphäre. Der Gesang der durchweg jungen Solistenriege mag nicht immer etwas für Puristen sein, will dies aber auch gar nicht. Vielmehr geht es darum, ein Maximum an Lebendigkeit zu erzeugen. Und das gelingt. Von der ersten Minute an prickelt die Stimmung, fliegen die musikalischen Bälle in aberwitzigem Tempo hin und her, überträgt sich die Spielfreude. Dabei gibt es veritable Entdeckungen, wenn etwa David Ostrek mit viel komischem Gespür den Mustafá gibt oder Hannah Ludwig die ihre eigenwillige Isabella sorglos auch mal aggressiv röhren lässt, um sich danach sogleich wieder in reinere Höhen aufzuschwingen. Negativ fällt - neben dem eher schwachen Chor - eigentlich nur Milos Bulajic auf, der sich offenbar an unguter Stelle das vermeintlich notwendige Markieren der Tenöre in der italienischen Oper abgelauscht hat und nun die Stimme eng in die Höhe knödelt, um Durchsetzungskraft vorzutäuschen.

In den rossinitypischen "everybody goes crazy"-Momenten der Finali droht Lehmann vor lauter Begeisterung der Laden fast auseinanderzufliegen und vom Wumms des Orchesters an die Wand gedrückt geht in den Gesangslinien das Italienisch in die Dutten. Doch ehrlich gesagt: Es stört nicht, sondern beglaubigt am Ende nur, dass es hier wirklich drunter und rüber geht bzw. jeder durchdreht. Womit wir dann doch wieder bei Stendhal wären, der meinte, es sei just diese Oper, die einen alles Elend der Welt vergessen lasse. Vielleicht erfreut sie sich wegen des erhöhten Bedarfs nach solchem Vergessen derzeit besonderer Beliebtheit - hier jedenfalls funktioniert es in aller Frische perfekt .



Sven Kerkhoff

Besetzung

David Ostrek, Polly Ott, Laura Murphy, Adam Kutny, Milos Bulajic, Hannah Ludwig, Manuel Walser

Eroica Berlin
Jakob Lehmann
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