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Cellokonzerte
Info
Musikrichtung:
Wiener Klassik
VÖ: 02.05.2005 hänssler classic / Naxos (CD, DDD (AD: 2004) / Best.nr. 98.477) Gesamtspielzeit: 58:17 Internet: Hänssler Peter Bruns |
FRISCHZELLENKUR
Haydns Cellokonzerte kennt man als meist rokokohaft dargebotene, gefällige Stücke, die dem Solisten reichlich Gelegenheit bieten, sein virtuoses Können zu zeigen und die sich daher im Konzertbetrieb großer Beliebtheit erfreuen. Den Rokoko-Zopf schneidet der junge Cellist Peter Bruns dem "Papa Haydn" jedoch beherzt und radikal ab. Was er mit seinem Cello, einem Instrument von Carlo Tononi (Venedig, 1730), aus diesen Stücke herausholt, ist wahrhaft erstaunlich. Mit messerscharfem, schlankem Ton, spielerisch zupackender Schärfe und Mut zur Subjektivität rückt er ihnen zu Leibe. So wirken die scheinbar vertrauten Werke auf einmal teils radikal, teils düster, immer aber kraftvoll expressiv und neuartig.
Anders als bei Nigel Kennedy auf der Violine überschreitet Bruns jedoch nie jene Grenze, hinter der das Original verschwimmt und der Interpret sich in den Vordergrund drängt. Er demonstriert stattdessen ganz einfach, dass Haydn, auch wenn man ihm seine vermeintliche Harmlosigkeit nimmt, noch immer Haydn bleiben kann. Das gilt selbst bei den mutigen, aber in sich schlüssigen Kadenzen.
In seinem späteren D-Dur-Konzert zeigt Haydn nicht nur eine Vorliebe für eigenwillige harmonische Wendungen, sondern auch eine Vervollkommnung, bisweilen sogar Überwindung klassischer Formmodelle. Es gibt aber Teile, die sogar eher barock anmuten und von Bruns auch so dargestellt werden.
Hingegen ist das populärere Konzert in C-Dur einfacher strukturiert, zudem anmutiger im Grundton. Bruns arbeitet diese Unterschiede durchaus feinsinnig heraus, lässt aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass C-Dur nicht unbedingt pure Gemütlichkeit bedeuten muss. Schon den ersten Satz geht er kernig, bei den kurzen Wendungen zum moll hingegen mit romantisch klagenden Ton an. Dieses innerlich drängende, romantische Element bleibt auch beim im Grundtempo durchaus ruhig genommenen Adagio erhalten, so dass das rasante, traumwandlerisch sicher gespielte Finale weniger als abrupter Kontrast, denn als logische Fortentwicklung erschient.
Dass dieser Interpret eigene Wege geht, zeigt auch die Auswahl des ergänzenden Stücks auf der CD. Die Variationen "Tod ist ein langer Schlaf" des in Sibirien geborenen Edison Denissov (1929-1996) beruhen auf dem gleichnamigen Kanonthema Joseph Haydns. Denissov ebnet hier den Unterschied zwischen Soloinstrument und Orchester ein, indem vielfach auch Solostimmen aus dem Orchester mit dem Cello-Part verwoben werden. Die Variationen pendeln dabei zwischen dunkler Nachdenklichkeit und herber Schroffheit. Ein gelungener Kontrapunkt zu den Haydn-Werken.
Das Mannheimer Kammerorchester findet erst im C-Dur-Konzert zu seiner Form, begleitet dann aber den (klangtechnisch ohnehin deutlich bevorzugten) Solisten auf künstlerisch hohem Niveau und passt sich hier seiner Interpretation geschmeidig an. Hingegen wirkt das Ensemble im D-Dur-Konzert matt.
Sven Kerkhoff
Trackliste
4 E. Denissov, Tod ist ein langer Schlaf 14:29
5-6 J. Haydn, Cellokonzert C-Dur 21:43
Besetzung
Mendelssohn Kammerorchester Leipzig
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |