Reviews
Petit Standard
Info
Musikrichtung:
Modern Vocal Jazz
VÖ: 11.02.2019 (jazzwerkstatt) Gesamtspielzeit: 62:58 Internet: http://vesnapisarovic.me/ http://www.jazzwerkstatt.eu/ http://www.nuzzcom.com/ |
Vesna Pisarovic wurde am 9. April 1978 in Kroatien geboren. Ursprünglich widmete sie sich nicht dem Jazz und versuchte mehrmals eine Teilnahme beim Eurovision Song Contest zu erreichen, bis es dann 2002 klappte, und mit Platz elf war es nicht einmal ein ganz so schlechter Platz im Endergebnis. Pop und Rockmusik prägten das musikalische Umfeld der Sängerin. Erste Experimente mit Jazz erfolgten etwa 2005. Erst 2012 kam es zum Umschwung, der sich nachfolgend fortsetzte.
Seit etwa fünf Jahren arbeitet Vesna Pisarovic nun mit ihrem Projekt Petit Standard, hier mit dem Bassisten Joe Fonda, dem Drummer John Betsch und als Gast Gebhard Ullmann. Ihre Begleitmusiker sind verfügen über reichlich Erfahrung, so ist John Betsch bekannt durch seine Zusammenarbeiten mit vielen Größen der Jazz-Szene, zum Beispiel Mal Waldron, Dewey Redman, Archie Shepp, Abdullah Ibrahim oder David Murray. Kenner werden bemerken, dass es sich zumeist um Musiker der freieren Spielart des Jazz handelt, für Petit Standard sicher ein Vorteil.
Der Bassist Joe Fonda ist ihn ähnlichen Gefilden unterwegs gewesen, neben einigen gleichen Musikern wie Betsch waren das noch Han Bennink, Randy Weston, Perry Robinson, Barry Altschul und viele mehr. Gast an Saxofon und Klarinette ist Gebhard Ullmann, einer der führenden Protagonisten der freien Jazz-Szene Berlins. Ja, diese Umstände lassen vermuten, dass auch auf dieser Platte nicht der „konsumfreundliche“ Jazz geboten wird.
Und so bestimmt auch ein weites und offenes Gestaltungsumfeld die Musik, die Rhythmusgruppe agiert oft frei schwebend und sehr kreativ. Ullmann trägt mit leidenschaftlichem Spiel zum Sound bei, ganz hervorragend kommt in diesem Sinne der Auftakt mit “Hooray For Herbie“, eine Komposition von Mal Waldron. Ganz anders erscheint uns dann der Klassiker der Gershwin’s, “The Man I Love“. Während Vesna auf dem ersten Song ihre Stimme noch als Instrument, wortlos, einsetzt, singt sie nun mit sehr viel Gefühl und individuellem Ausdruck, spontan habe ich mich an Billie Holiday erinnert, nicht der Stimme wegen, sondern bezüglich des Umgangs mit der Melodie.
Und so gefallen mir jene Songs auch besser, die mit Text ausgestattet sind, denn hier kann die Sängerin ihre persönliche Note vollends ausspielen, den Text dehnen, unkonventionell, mal in langgezogenen Kurven, dann wieder fast stolpernd, stets jedoch ungewöhnlich. Wahre Höhepunkte sind für mich stets die Beiträge von Ullmann, der das Klangspektrum seiner Instrumente vollumfänglich ausnutzt, und wenn er dann zusammen mit der scattenden(?) Vesna aufeinandertrifft, mitten in einem Solo, dann gibt das doch reibende Momente, die aufhorchen lassen.
Die Band spielt keine Eigenkompositionen, alle elf Fremdtitel werden jedoch dermaßen in eine neue Verpackung gehüllt, dass man schon von gelungenen Neuinterpretationen sprechen kann, solche, die dadurch mitunter ganz neu klingende Songs schufen, ohne das Original nicht erkennen zu können. Auf jeden Fall – dieser Vokal-Jazz ist äußerst interessant, auf hohem Niveau, irgendwo zwischen strukturell geordnetem und freiem Jazz angesiedelt. Mit einem Klassiker von Fats Waller und Andy Razaf, “Honeysuckle Rose“, endet diese spannende Platte, und – das ist ein ganz neues “Honeysuckle Rose“ geworden!
P.S.: Diese Art der Musik erinnert mich stark an ein grandioses, immer noch vergriffenes Album aus 1975, “Social Sketches“ von Marc Levin, einst auf ENJA Records erschienen und mit finnischen Musikern eingespielt.
Trackliste
2 The Man I Love [Gershwin/Gershwin] (4:53)
3 Morning Joy [Lacy/Kaufman] (6:08)
4 Peggy's Blue Skylight[Mingus/Provizer] (6:30)
5 Lonely Woman [Coleman/Guryan](5:36)
6 Prospectus [Lacy/Cendrars](6:26)
7 A Flower Is A Lonesome Thing [Strayhorn](6:41)
8 Jitterbug Waltz [Waller/Maltby Jr.] (4:32)
9 Ladies In Mercedes [Swallow/Winstone](4:22)
10 Art [Lacy/Melville] (5:14)
11 Honeysuckle Rose [Waller/Razaf] (6:13)
Besetzung
Joe Fonda (bass)
John Betsch (drums)
Gebhard Ullmann (tenor saxophone, bass clarinet)
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |