Reviews
Solo, System Tribe
Info
Musikrichtung:
Experimental, Avantgarde
VÖ: 07.09.2018 (Why Play Jazz) Gesamtspielzeit: 37:20 Internet: http://www.stefanschultze.com/ http://www.uk-musikpromotion.de/profil.html |
Entscheidend für den Erfolg einer Veröffentlichung ist es, über die Dauer der Spielzeit einer Platte die Spannung zu erhalten, einen Spannungsbogen zu schaffen, ein Auf und Ab verschiedener Stimmungen zu präsentieren. Und je kleiner die Band ist, desto mehr lastet dieses auf den Schultern der Musiker. Ganz schwierig wird es, wenn ein Interpret eine Solo-Platte vorstellt, so wie es in diesem Fall der Pianist Stefan Schultze wagt. Mit System Tribe legt der 1979 Geborene sein Debüt vor.
Früher spielte er im Landesjugendjazzorchester Niedersachsen und gründete 2004 das Quintett schultzing und das Oktett Oktoposse. Ja, und nun ganz allein, aber nicht ganz, denn ich bin dabei. Und ich bin überrascht, etwas zu hören, das ich nicht erwartet hatte. Und das war Jazz, genau das hätte ich vermutet, ein typisches Jazz-Piano-Solo-Album. Doch hätte ich „vorgewarnt“ sein müssen angesichts der Angabe der durch Schultze verwendeten Instrumente, siehe unten im Line-Up. Auf der Platte selbst wird als Instrument nur das Piano angegeben, das ist insofern irreführend.
Spannungsbogen, das hatte ich eingangs erwähnt. Ein solcher Bogen entsteht unter anderem im unterschiedlichen Aufbau von Songs, von der Vielseitigkeit innerhalb dieser oder im Abwechslungsreichtum der gebotenen Musik. Und so geschieht es dann auch, alle meine Kriterien werden erfüllt. Startet es mit dem Titelsong sehr perkussiv und repetitiv, das präparierte Klavier bringt trance-artige Stimmung ins Spiel, man kann dahintreiben, aber muss sich dabei gefallen lassen, unterbrochen zu werden durch jäh einsetzende kraftvolle Klangfetzen. Und so ist es sehr entspannend, sich in das sehr minimalistische “Silva“ zu ergeben, mit sehr reduziertem Piano-Einsatz, hier und da ein Ton, der Zeit zum Verklingen hat, bevor der nächste erscheint.
Und so ist doch tatsächlich jeder Song anders strukturiert, Schultze nutzt dabei die auszuschöpfenden Möglichkeiten des Pianos einschließlich seiner Präparation, sowie erzeugt mit dem Rhodes als auch verwendeten Tonband-Aufnahmen sehr unterschiedliche Stimmungen, die sehr hohe Vielfältigkeit bieten, “Culture Vulture“ bewegt sich in einem experimentellen Klangkosmos, der an Steve Reich erinnert, das perlende „“Return“ klingt wiederum wie eine auf klassischer Musik basierende Skizze voller romantischer Emotion. “Fracking“ wirkt vergleichsweise aggressiv mit seiner lärmenden Klangkulisse, “Rooftop“ könnte ein Lied für einen Kinderfilm sein, das Rhodes wird von Geräuschen unterstützt, die wie Vogelstimmen klingen. Noch einmal wird es fast schon ein wenig penetrant die Nerven angehend experimentell mit “Tong-Gu“, mit einem Sound, als würde man Blechtrommeln und Stahlwerkzeug vereinen, bevor der fast dreizehn Minuten währende Abschluss die Bühne betritt. “Fade“, wobei der Musiker um einen Ton geänderte Akkorde benutzt, ein langatmiges Finale, Minimalismus, der zum Entschleunigen einlädt.
Diese Musik fordert heraus, sie ist nie langweilig, sie öffnet Türen und bietet sich an, andere Klangwelten zu entdecken, wer möchte, kann mit auf die Reise gehen und auch belohnt werden, wobei “Fade“ doch sehr polarisieren könnte ob des Sinns oder Unsinns dieser wenigen auf Länge gedehnten Tonfolgen.
Trackliste
2 Silva (3:45)
3 Culture Vulture (2:36)
4 Return (3:22)
5 Fracking (5:13)
6 Rooftop (1:36)
7 Tong-Gu (3:30)
8 Fade (12:55)
(all compositions by Stefan Schultze)
Besetzung
So bewerten wir:
00 bis 05 | Nicht empfehlenswert |
06 bis 10 | Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert |
11 bis 15 | (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert |
16 bis 18 | Sehr empfehlenswert |
19 bis 20 | Überflieger |