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Reviews

Neal Morse

One


Info

Musikrichtung: Prog

VÖ: 01.11.2004

(InsideOut / SPV)

Gesamtspielzeit: 119:13

Mit seinem zweiten Solo-Album hat das ehemalige Spocks-Beard-Mastermind Neal Morse DIE Progscheibe des Jahres 2004 vorgelegt, die auch sein beeindruckendes Debüt noch in den Schatten stellt. Längen, die das Doppelalbum gelegentlich hatte, oder ins Kitschige tendierende Parts, wie der fünfte Teil des Testimony-Konzeptes, sind Vergangenheit.

Das Konzept

Inhaltlich bleibt Morse seinem neuen Weg treu. War Testimony die biographische Aufarbeitung seiner eigenen Suche nach Gott, überführt One dasselbe Thema in eine allgemeine Perspektive. Die CD startet mit “The Creation“ im Garten Eden, verfolgt den Weg des Menschen in die Gottesferne (Track 2-4) und sieht ihn in die Verzweiflung stürzen (5). Dann beginnt das Gespräch mit Gott neu (6) und der verzeihende Gott Vater öffnet seine Arme (7), so dass am Ende die Wiedervereinigung von Schöpfer und Geschöpf gefeiert werden kann (8).
Letztlich wiederholt der fromm gewordene Proggie damit den Spannungsbogen der Bibel, die zwischen der Schöpfungsgeschichte im ersten Buch Mose (zu Beginn des Alten Testamentes) und dem himmlischen Jerusalem der Offenbarung (am Ende des Neuen Testamentes) immer wieder das Ringen von Gott und Mensch um die gemeinsame Beziehung thematisiert, die wie eine „gute“ Ehe von vielen Ups and Downs, Missverständnissen, Streits und Versöhnungen gezeichnet ist.

Die Musik

Morse eröffnet diese spirituelle Geschichte der Menschheit hymnisch und farbenfroh. Harmonische Klanglandschaften im Cinemascope-Format rufen Bilder fast unberührter Natur vor dem inneren Auge hervor. Die ersten Minuten des Openers könnten gut in einem Western aus der guten alten Zeit Verwendung finden, wenn die Kamera in einer langen Fahrt die weite Prärie, endlose Rinderherden, Berge in der Ferne und einen weiten, offenen Himmel präsentiert.
Ein jazzig gefärbtes Gitarrensolo scheint aber schon bald an zu deuten, dass das Leben so unkompliziert nun doch wieder nicht ist. Irgendwann setzt sich der Chef ans Klavier (“One Mind“), erhebt das Wort und macht uns den Elton John im Wunderland, um die „fellowship divine“ zu loben, in der der Mensch im Paradies in der Gegenwart Gottes gelebt hat. „Hat“ - Perfekt! Denn: Das wissen Bibelkundige. Die Harmonie ist von kurzer Dauer und schon lange Vergangenheit. Mit rauer Stimme schleudert Morse das gequälte “Why“ in den Paradiesgarten (“Where are you?“), als der Herr erkennen muss, dass die Menschen das einzige ihnen aufgegebene Gebot gebrochen und zum Paradiesapfel gegriffen haben.
Ein grandioser epischer Longtrack zur Eröffnung des Albums.

Nach dem ruhigen “The Man’s gone“ bricht der dramatischste Song von One mit brachialen Gitarrenwänden über den Hörer herein. Im Live-Einsatz bietet dieses Highlight unendliche Möglichkeiten für blackmoreartige Gitarren-Soli. Im Mittelteil wird die Sache kurzfristig ruhiger. Mit viel Kansas-Flair übernimmt die Orgel die Hauptrolle, um zu den ersten Vocals von "Author of Confusion" über zu leiten, einem vielstimmigen Acapella-Chor, der wohl die vom Titel bereits angedeutete babylonische Sprachverwirrung darstellen soll. Mit dem was in diesen 9 Minuten steckt, füllen andere Autoren ganze Doppelalben.

Wenn der Jubel jetzt erst mal Pause macht, dann nur weil wir uns von den 8.000er auf die „nur“ 7.500 Meter hohen Gipfel begeben. Hier wird "nur" edler melodischer Prog-Rock der allerersten Güteklasse zelebriert, für den 99,5 % aller Prog-Acts ihre Seele verkaufen würden, wenn die dafür gefragt wäre. Bei “Cradle to the Grave“ setzt Morse eine zweite Stimme ein. Der in der christlichen Szene sehr renommierte Phil Keaggy unterstützt ihn dabei, die Sehnsucht des in die Irre gegangenen Menschen nach Gott differenziert in Szene zu setzen.
Dieser Kunstgriff - öfters angewandt - hätte die Qualität sogar dieses Albums an einigen Stellen noch steigern können. (z.B. ein Ronnie James Dio in der Rolle des zornigen Gottes bei “Where are you?“)

Nach zwei im Wesentlichen ruhigeren Stücken kommt das vertrackt rhythmische “Help me“, das mit dem wieder deutlicher rockenden “The Spirit and the Flesh“ verbunden ist. Musikalisch wird das Wasser wieder kabbelig und unruhig. Die Spannung steigt. Man spürt geradezu, dass etwas Entscheidendes passieren muss. Am Ende des Doppeltracks ist die Entscheidung gefallen. Der Mensch begibt sich vertrauensvoll in die Arme Gottes, des “Father of Forgiveness“. Das geschieht andächtig, ruhig und sehr harmonisch, steigert sich am Ende aber zum hymnischen Gotteslob, das zum Teil von der jubilierenden E-Gitarre gesungen wird.

Und es darf wieder gejubelt werden. Noch einmal muss ich an den Show-Profi Elton John denken. Begleitet von satten Bläsersätzen und künstlicher(?) Live-Atmosphäre verwandelt sich Morses Gesang zum Chor der Erzengel: “One Voice singing Ecstasy“ (“No Separation“). Und an dieser Stelle wirkt - wenn ich ganz ehrlich bin - Morses Stimme doch etwas zu dünn.

Die Special Edition

Die bei InsideOut mittlerweile obligatorische Special Edition bietet im Fall von One so viel, dass man die zusätzlichen Euronen hier auf jeden Fall investieren sollte. 40 Bonusminuten auf einer zusätzlichen CD erscheinen in einem fantastisch aufgemachten Booklet, das man durchaus auch ohne CDs über den Buchhandel vertreiben könnte. (Einziger winziger Kritikpunkt: Die Lyrics zu den Bonus-Tracks fehlen.)

Und diese 40 Minuten sind echte Zugaben. Lediglich ein Song ist eine Alternative Version eines Albumtracks. “Cradle to the Grave“ erscheint diesmal komplett mit Neals Vocals. Dazu gibt es vier weiter Morse Songs. “Back to the Garden ist eine Mischung von Prog und Simon & Garfunkel Sounds, das inhaltlich gut zum Albumkonzept passt; “King Jesus“ eine weitere göttliche Hymne.

Außerdem gibt es vier Coversongs. “Wir hatten einen Studiotag über und wollten ein wenig Spaß haben,“ erklärt Morse dazu. “So bekam jeder von uns einen Coversong zum Arrangieren nach Gusto, und einen haben wir uns gemeinsam zur Brust genommen.“ Herausgekommen ist eine flotte Popnummer, bei der man George Harrisons Gitarre noch gut heraushören kann (“What is Life?“), eine kongeniale U2-Kopie, die allerdings erneut die Grenzen von Neals Stimmvolumen erkennen lässt, eine poppige Badfinger-Nummer (“Day after Day“) und ein Who-Cover, das das Neal Morse Ensemble zu bislang nicht gekannten Härtgraden reifen lässt.

Von „normalen“ Prog/Rock/Pop-Stars auf die Welt los gelassen, wäre diese Bonus-Scheibe allein Grund zum überschäumenden Jubel gewesen.



Norbert von Fransecky

Trackliste

CD 1 (79:57)

1 The Creation (18:24)
1.1 One Mind
1.2 In a perfect Light
1.3 Where are you?
1.4 Reaching from the Heart

2 The Man's gone (2:59)
3 Author of Confusion (9:31)

4 The separated Man (18:00)
4.1 I'm in a Cage
4.2 I am the Man
4.3 The Man's gone (Reprise)
4.4 Something within me remembers

5 Cradle to the Grave (4:50)
6 Help me/ The Spirit and the Flesh (11:15)
7 Father of Forgiveness (5:49)

8 Reunion (9:12)
8.1 No Serparation
8.2 Grand Finale
8.3 Make us one

Bonus Disc (39:16)
1 Back to the Garden (4:26)
2 Nothing to believe (3:29)
3 Cradle to the Grave (Neal's Vocal) (4:55)
4 King Jesus (4:48)
5 What is Life? (4:28)
6 Where the Streets have no Name (5:46)
7 Day after Day (3:25)
8 Chris Carmichael's Aria (1:07)
9 I'm free/ Sparks (6:36)

Besetzung

Neal Morse (Keys, Git, Voc)
Mike Portnoy (Dr)
Randy George (B)

und

Phil Keaggy (Git Solo <1,4.3>, Lead Voc <5, Bonus 5>)
Chris Carmichael (Violine, Viola, Back voc)
Gene Miller (Add Voc)
Rick Altizer (Add Voc)
Michael Thurman (Horn)
Rachel Rigdon (Violine)
Hannah Vanderpool (Cello)
Dave Jacques (B)
Jim Hoke (Sax)
Neil Rosengarden (Trompete)
Bill Huber (Posaune)
Glenn Caruba (Perc)
Aaron Marshall (Back Voc)
Missy Hale (Back Voc)


Produzenten:
Neal Morse
Mike Portnoy
Randy George
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So bewerten wir:

00 bis 05 Nicht empfehlenswert
06 bis 10 Mit (großen) Einschränkungen empfehlenswert
11 bis 15 (Hauptsächlich für Fans) empfehlenswert
16 bis 18 Sehr empfehlenswert
19 bis 20 Überflieger