Weinberger, J. (de Souza/Kosky)
Frühlingsstürme (DVD)
EIN LETZTES MAL
Man muss ihn sich wohl als glanzvollen Abend inmitten wirtschaftlichen und politischen Elends vorstellen: Jenen 10. Januar 1933, an dem Jaromir Weinbergers (1896-1967) Operette „Frühlingsstürme“ im Berliner Admiralspalast Premiere feierte und – auch dank der prominent besetzten Partien (u.a. Richard Tauber in der Hauptrolle) - zum Erfolg avancierte. Die Schallplatte war sogar schon vor der Premiere produziert worden. Bis in den März hinein wurde das Stück noch mehrfach gegeben, doch dann war Schluss, meinten die Nazis doch, kein Stück eines tschechisch-jüdischen Komponisten auf der Bühne der Hauptstadt ertragen zu können.
„Frühlingsstürme“ war Weinbergers erste Operetten und zugleich das Opus ultimum dieses Genres. Eigentlich tendierte Weinberger eher zum ernsten Fach und hatte einige Jahre zuvor etwa mit seiner Oper „Schwanda“ europaweit reüssiert. Doch war ihm die leichte Muse nicht völlig fremd, hatte er doch in seinen frühen Jahren unter Pseudonym bereits Lieder für ein Prager Kabarett geschrieben. Ein wenig eklektisch tönt das Ganze gleichwohl, zugleich aber anspruchsvoll: Hier eine Portion Smetana, da ein wenig Puccini und Zemlinsky, eine Prise Jazz und vieles, was an die Operetten Paul Abrahams erinnert.
Die Story bleibt operettengemäß sinnfrei und dreht sich um Liebeshändel am Rande des russisch-japanischen Krieges. Ort der Handlung ist das russische Hauptquartier in der Mandschurai und im Mittelpunkt steht die allseits umschwärmte Figur der Lydia Pawlowska mit ihrer – politisch unmöglichen – Liebe zum japanischen Offizier Ito. Das alles gab Weinberger Gelegenheit, sein Werk mit allerhand exotischem Lokalkolorit zu würzen.
Für die Neu-Inszenierung an der Komischen Oper in Berlin hat Regisseur Barrie Kosky auf die Rekonstruktion und Ergänzung des Werkes durch Norbert Biermann zurückgegriffen. Kosky widersteht der Versuchung, eine 1:1-Rekonstruktion der Berliner Uraufführung zu versuchen oder aber das Ganze als Totentanz am Rande des historischen Abgrunds auf die Bühne zu bringen. Er entscheidet sich stattdessen für eine wunderbar leichte, bunte, revuehafte Darstellung mit vielen Tanzeinlagen und zum Teil wirklich zauberischen Bildern. Das unterhält auf das Beste, vor allem in den Musiknummern, während die gesprochenen Teile über weite Strecken arg histrionisch und slapstickhaft daherkommen. Die Bild- und Tonregie hat all dies sehr plastisch und souverän eingefangen.
Den mal schmissigen, mal feinsinnigen Orchesterpart versieht das Orchester der Komischen Oper Berlin unter der Leitung von Jordan de Souza mit Aplomb und sympathischer Leichtigkeit. Vera-Lotte Boecker brilliert mit strahlendem Sopran als Lydia Pawlowska. Ihren Geliebten Ito gibt Tansel Akzeybek in der Höhenlage mit recht viel Druck und dadurch gerade bei der anspruchsvollen Arie "Du wärst für mich die Frau gewesen" mit zu wenig tenoralem Schmelz (hörbar vor allem, wenn man Taubers historische Aufnahme dagegenhält), ansonsten aber klangschön. Beim zweiten Paar präsentiert Alma Sadé die Tatjana jugendlich-keck, während Dominik Köninger als ihr Verehrer Roderich Zirbitz nicht nur schauspielerisch, sondern auch stimmlich das Alpha-Männchen herauskehrt. In der Sprechrolle des General Katschalow beweist Stefan Kurt komödiantisches Talent.
Es lohnt sich also nicht nur aus musikhistorischen Gründen, diese letzte deutsche Operette zu kennen. Ihre verdienstvolle Wiederbelebung ist im Übrigen auch eine Art später Sieg über die Nazi-Barbarei.
Sven Kerkhoff
Besetzung |
Vera-Lotte Boecker, Sopran: Lydia Pawlowska
Alma Sadé, Sopran: Tatjana
Tansel Akzeybek, Tenor: Ito
Dominik Köninger, Bariton: Roderich Zirbitz
Orchester der Komischen Oper Berlin
Joran da Souza: Ltg.
Barrie Kosky: Regie
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