Purcell, D. - Matteis, N. - Eccles, J. u.a. (Langlois de Swarte, Th. - Dunford, Th.)

The Mad Lover - Sonatas, Suites, Fantasias & various Bizzarie from 17th-Century England


Info
Musikrichtung: Barock Violine Kammermusik

VÖ: 13.11.2020

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2019 / Best. Nr. HMM902305)

Gesamtspielzeit: 80:25



JUNGE MIT ALTEN MEISTERN

„Nicola Matteis der Jüngere” – wer hier an eine Kunstgalerie denkt, liegt nicht ganz falsch. Würde es sich um Gemälde handeln, hingen die Stücke auf dieser Platte wohl allesamt im Seitenflügel eines großen Museums mit dem Hinweis „Alte englische Meister“ – immerhin wären sie dort jederzeit für Interessierte anzuschauen.
Bei Musik liegen die Dinge etwas komplizierter, sie muss immer wieder zum Klingen gebracht werden, damit sie gehört werden kann. Und wie viel hängt gerade bei den älteren Ton-Meistern von einer adäquaten Wiedergabe ab!

Diesbezüglich darf man hier ganz unbesorgt sein: Was die beiden jungen, doch schon sehr erfolgreichen Musiker Théotime Langlois de Swarte (Violine) und Thomas Dunford (Laute) auf diesem Album mit Stücken von John und Henry Eccles, von Vater und Sohn Mattei sowie Daniel und Henry Purcell zu Wege bringen, ist schlicht hinreißend, technisch wie musikalisch.
Langlois De Swarte spielt eine reich timbrierte Barockgeige von Jacob Stainer vom Ende des 17. Jahrhunderts. Und der dunkle, feinmodulierte Ton von Dunfords Lautenspiel inspiriert ihn zu einem differenzierten, intensiv-sanglichen Ton, der gleichermaßen klar, leuchtend und innig ist.

Die intime kammermusikalische Situation rückt die Sammlung in das denkbar beste Licht; dabei ist das Attribut „kleinmeisterlich“ für das Programm eher irreführend. Wir hören hochbarocke Kammermusik für Violine, die in ihrer schönsten Blüte steht. Der direkte, verbindliche Ausdruck, die oft tänzerische Gestik sowie der Ideen- und Gestaltreichtum lassen die großzügigen 80 Minuten, die das Programm währt, in keinem Moment zu lang erscheinen. Es gibt also manches Kabintettstück zu entdecken. Selbst ein Großer wie J. S. Bach dürfte dem solistischen Saitentanz der jubilierenden „A-Moll Fantasia“ vom jungen Matteis ebenso wenig seine Anerkennung versagt haben wie deren Gegenstück, der „con discretione“ zu spielenden „C-Moll Fantasia“. Gerade dieses Werk ist von großer Subtilität und Ausdruckstiefe, man lauscht ergriffen – das ist wahrhaft erfüllte Klangzeit!

Der Ausgangspunkt des Programms, eine Ground aus der Bühnenmusik zu „The Mad Lover“ von John Eccles, steht für die zahlreichen Variationenstücke auf dieser Platte, die mit ihren eingängigen La-Folia-Themen und Ciacona-Bässen auch solche Hörer ansprechen dürften, die eher popaffin sind.
Langlois De Swarte bemerkt im Booklet-Text, wie gerade dieses Eccles Stück, das auf so magische Weise zwischen Dur- und Moll changiert, über die Jahre zu einer Art Besessenheit für ihn geworden ist und ihn motiviert hat, nach verwandten Stücken zu suchen. Dass es nun gerade englische oder in England tätige Komponisten sind, verleiht dem Album bei aller Vielfalt doch eine gewisse Geschlossenheit. In ihrer mehr oder weniger offenen Melancholie reflektieren viele der langsameren Sätze die dunkle Zeit der puritanischen Cromwell-Herrschaft. Doch leuchten zwischendurch immer wieder übermütige, musikantische Spielstücke wie die besagte A-Moll-Fantasie heraus.

Der Reichtum bildet sich auch im Instrumentalspiel ab: Es ist diese Mischung aus musikalischer Spannung, Virtuosität und selbstvergessener Hingabe, die die Darbietung auszeichnet und das Album zu einem bemerkenswerten Einstand Langlois De Swartes bei Harmonia Mundi macht. Sein Freund und Begleiter Thomas Dunford hat an dem Gesamteindruck ganz wesentlichen Anteil. Dunfords Ton hat eine bemerkenswerte Substanz und Tiefe; das organisch fließende, fein abgestufte Spiel steht dem von Langlois De Swarte in nichts nach. Gerne würde man ihn einmal nur mit Repertoire für sein Instrument hören. Zumindest von Théotime Langlois De Swarte wird es demnächst weitere Alben bei Harmonia Mundi geben, dann mit Werken des späteren 18. und auch 19. Jahrhunderts.

Bei diesen solchen Künstlern muss man sich weder um die Zukunft der (Alten) Musik noch um das belgische Traditionslabel Sorgen machen!



Georg Henkel



Besetzung

Théotim Langlois de Swarte, Violine
Thomas Dunford, Laute



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