25 Years after - Mein Leben mit der CD; Folge 105: Mortification - Scrolls of the Megilloth
1060 West Addison und Collegienstr. 54 – zwei Adressen, die erst einmal gar nichts miteinander zu tun haben; die eine in Chicago, die andere in der Lutherstadt Wittenberg. 1060 West Addison ist Teil eines Running Gags in dem Kultfilm Die Blues Brothers. Diese Adresse steht auf dem (gefälschten) Führerschein von Elwood Blues. Als erst die Polizei und dann die Illinois Nazis, die beide hinter den Blues Brothers her sind, an der Adresse erscheinen, stehen sie gefoppt vor dem Wrigley Field, einem der traditionsreichsten Baseball-Stadien in den USA im Norden Chicagos. Wer sich zur Collegienstr. 54 begibt, macht auf den ersten Blick eine ähnliche Erfahrung. Denn er steht vor dem Lutherhaus, dem Religionsgeschichtlichen Museum in Wittenberg, in dem an den großen Reformator erinnert wird. Diese Adresse stand zwar nie auf meinem Führerschein. Dennoch war die Collegienstr. 54 vom 30. August 1994 bis zum 21. Februar 1995 zwar nicht Meldeadresse, aber tatsächlich für mehrere Monate meine Hauptwohnadresse. Der Gebäudeteil zur Straße hin, vor dem der Besucher erst einmal steht, existierte zu Luthers Zeit noch nicht. Tritt man durch den Toreinfahrt auf den Hof steht man vor dem ehemaligen Augustinerkloster, das Luther nach der Reformation von Kurfürst Friedrich dem Weisen als Wohngebäude bekommen hat. Der Seitentrakt und das Straßengebäude wurden später angebaut. Seit 1817 befand sich für 200 Jahre in diesen Gebäudeteilen eines der preußischen Predigerseminare. Zu „meiner Zeit“ war das Vikariat, die praktische Ausbildung der Pfarrpersonen nach dem Universitätsstudium, in drei Phasen gegliedert. Am Anfang standen neun Monate praktische Tätigkeit in einer Gemeinde (Gottesdienste, Beerdigungen, Jugendgruppen, Sitzungen, Krankenbesuche…). Danach folgte ein halbes Jahr theoretische Reflexion und Vertiefung des Erlebten im Predigerseminar. In dieser Zeit lebten wir in einer Gruppe von 20 Vikarinnen und Vikaren mit unseren Dozenten eben dort im Wittenberger Predigerseminar. Mein Zimmer befand sich hinter dem Fenster, das direkt über der Toreinfahrt zur Straße hin liegt. (Ich hätte gern ein entsprechendes Foto für diese Kolumne benutzt; bin aber in den letzten Wochen nicht mehr nach Wittenberg gekommen. So wütet Euch Henry Gibson in der Rolle des Chef-Nazis aus den Blues Brothers an – vor dem Wrigley Field.) Eigentlich hätte ich in dieser Kolumne ja schon lange vom (vorübergehenden) Wechsel nach Wittenberg berichten sollen. Aber es passte nie so recht. Im Dezember 94 kam aber eine passende CD ins Körbchen. Mit meiner Vorliebe für heftigere Klänge stand ich im Predigerseminar ziemlich alleine da. Und die passten ja inhaltlich in der Regel auch nicht so recht zum christlichen Bekenntnis. Eine Ausnahme waren die besonders heftigen Mortification. Und deren Klassiker Scrolls of the Megilloth wurde mir am 16. 12. 1994 per EMP ins Haus gebracht – mit seinem “theologischen” Artwork siehe Review mehr als passend zu einem Predigerseminar. Norbert von Fransecky |
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