Bartók, B. - Ligeti, G. (Pintscher, M.)
Kammermusik und Konzerte
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Info |
Musikrichtung:
Klassische Moderne & Neue Musik Ensemble
VÖ: 06.11.2015
(Alpha / 2 CD / DDD / 2014 / Best. Nr. Alpha 217)
Gesamtspielzeit: 108:40
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PERSPEKTIVREICHE KOMBINATION ZWEIER KLASSIKER
Die Kombination von zwei kammermusikalischen Werken Béla Bartóks und drei Konzerten von György Ligeti eröffnet spannende Hörperspektiven bei diesem alten und (irgendwie immer noch) jungen Klassiker.
Vor allem in seinen spätem Klavierkonzert und dem Violinkonzert hat Ligeti sich ausdrücklich auf seinen ungarischen Landsmann zurückbezogen. Dies weniger, was Klang und Technik angeht, als in der Ausprägung einer sehr eigenen Sprache, die sich von ethnomusikalischen Eindrücken ebenso inspririert zeigt wie von der Lust am Experiment mit ungewöhnlichen Harmoniken und nichttemperierter Stimmung. War es bei Bartók die rumänische Volksmusik, so schöpfte Ligeti seine Anregungen nicht nur aus dieser, sondern u. a. auch aus der polyphonen und polyrhythmischen Musik Afrikas.
Nachdem er in den 1960er Jahren zunächst durch flirrende, schwebende und ungewöhnlich schöne mikropholyphone Klangraummusik für Aufsehen gesorgt hatte, suchte er in den 1970er und 80er Jahren nach neuen Lösungen, um nicht in einer stilistischen Sackgasse stecken zu bleiben. Der Wandel von einer eher an Klangfarben orientierten hin zu einer wieder stärker harmonischen, melodischen und rhythmischen Musik kündigte sich freilich auch schon früh an; Ligeti hat immer mehrgleisig komponiert.
Dafür ist sein Cellokonzert ein schönes Beispiel: Auf einen schwebenden, zart instrumentierten ersten Teil im typischen "alten" Ligeti Stil folgt ein schattenhaft virtuoser zweiter Part, in den sich schließlich ein bizarres Pattern verirrt, das an ein Uhrwerk erinnert.
Im Klavierkonzert dann tickt, jazzt, klopft, pulsiert und irrlichtert es dann von vornherein und spieltechnisch auf höchstem Schwierigkeitsniveau. Dieses rhythmische Labyrinth mit seinen mitunter selbstähnlichen, sich ständig überlagerndern Figurationen hat ebenso wie das Violinkonzert seinen Platz im Repertoire gefunden. Ist das Klavierkonzert ein Rhythmuslabor, tritt beim Violinkonzert die Melodik und Harmonik in den Vordergrund, freilich in oft "verdrehter" oder "verzerrter" Weise. So färben an einer Stelle Lotusflöten und Okarinas den Satz durch Mikrotöne.
Stets ist Ligeti auf der Suche nach neuen Lösungen für traditionelle Formen und Verfahren: Das Violinkonzert endet mit einer hochvirtuosen Kadenz, in der sich die Musik in apokalyptischem Furor selbst zu verzehren scheint - dies aber immer auch mit einem ironischem Augenzwinkern. Bei Ligeti, der als Jude Naziterror und bis zur seiner Flucht in den Westen die kommunistische Diktatur in seinem Heimatland überlebte, gehen Zartheit und Ironie, Gelächter und Schmerz, Trauer und aberwitziger Schrecken problemlos zusammen.
Mit der Neuaufnahme der drei "Klassiker" macht sich das Ensemble Intercontemporain selbst Konkurrenz. Bereits 1994 erschien eine Aufnahmen mit demselben Programm bei der DG, unter Pierre Boulez und Aufsicht des Komponisten. Die neue Produktion wartet mit anderer Leitung (Matthias Pintscher) und Solisten auf, die der alten Besetzung in nichts nachstehen, wie überhaupt diese Neueinspielung sehr überzeugt: der Ton ist weniger zugespitzt und höhenbetont, alles wirkt eine klein wenig entspannter und, bei etwas langsamereren Tempi, gleichsam "körperlicher". Die alte Aufnahme ist strenger und klingt auch etwas "verrückter"; sie steht vor allem beim Klavier- und Violinkonzert noch ganz im Bann des Neuen, Unerhörten, das zur Welt gebracht wird. Nun geht es darum, andere, poetische und atmosphärische Facetten der Musik herauszuspielen. Dazu trägt auch die sehr klangpräsente, differenzierte Aufnahmetechnik Wesentliches bei.
Mit Bartók teilt Ligeti den Sinn für Humor, Rhythmus und die Lust an ungewöhnlichen Besetzungen. Contrasts ist ein launiges Trio für Klarinette, Violine und Klavier; die Sonata ist für zwei Klaviere und Schlagzeug geschrieben: beides sind rhythmisch scharf profilierte, originelles Kompositionen. Während sich das Trio sich äußerlich noch in relativ klassischen Bahnen bewegt, erobert in der Sonate das Schlagzeug die Kammermusik und ist ein gleichberechtigter Solist, der sich durch differenzierte Klangfarben v. a. bei den Pauken auszeichnet. Auch diese Stücke erfahren durch diverse Solisten des Ensemble Intercontemporain gelungene Wiedergaben.
Die Aussattung der Doppel-CD mit mehrsprachigem Booklet, ausführlichen Werkportraits sowie Interviews mit den Solisten der Konzerte ist vorbildlich und eine repräsentative Eröffnung einer Serie mit Aufnahmen Neuer Musik durch Pintscher und das Ensemble Intercontemporain beim Label Alpha.
Georg Henkel
Trackliste |
CD I Bartók: 42:02
01-03 Contrasts
04-06 Sonata für zwei Klavier und Schlagzeug
CD II: Ligeti: 66:38
01-05 Klavierkonzert
06-07 Cellokonzert
08-12 Violinkonzert
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Besetzung |
Hidéki Nagano: Klavier
Pierre Strauch: Cello
Jeanne-Marie Conquer: Violine
Ensemble Intercontemporain
Matthias Pintscher: Leitung
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