Veracini, F. M. (Biondi)
Adriano in Siria
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Info |
Musikrichtung:
Barockoper
VÖ: 1.11.2014
(fra bernardo / Note 1 / 3 CD / 2014, live / Best. Nr. FB 1409491)
Gesamtspielzeit: 172:00
Internet:
Europa Galante
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SCHÖN VERRÜCKT
Ein Exzentriker, ein Narr, ein Verrückter – so sahen viele Zeitgenossen den Komponisten Francesco Maria Veracini (1690-1768). Und so ganz Unrecht hatten sie nicht: Jemand der schonmal mit dem Messer auf die eigene Frau losging, sich aus dem Fenster stürzte (um hinterher zu behaupten, ein Konkurrent habe ihn gestoßen) und sich im Auftritt als dämonischer Teufelsgeiger gefiel. Dass Veracini aber auch musikalisch ein hochinteressanter Komponist war, dringt erst nach und nach wieder ins Bewusstsein der Barockbegeisterten. Umso schöner, dass das Wiener Konzerthaus Anfang des Jahres ein Bühnenwerk des gebürtigen Florentiners auf den Spielplan hob. Die Oper „Adriano in Siria“ schrieb Veracini 1734 für die Londoner Opera of Nobility, das Konkurrenzunternehmen zu Händels Opernbetrieb. Und da in diesem Wettstreit nicht mit Masse und Klasse gegeizt wurde, trat bei der Uraufführung wirklich alles an, was damals Rang und Namen hatte: Die Kastraten Senesino und Farinelli, die Primadonna Cuzzoni und der virtuose Bassbariton Antonio Montagna.
Was Veracini für diese exquisite Besetzung ersonnen hat, kann sich wahrlich auch heute noch hören lassen. Wenngleich vieles an Händels Tonsprache erinnert, verblüffen die Arien doch immer wieder durch zahlreiche harmonische und instrumentatorische Einfälle, die in ihrer Extravaganz zum Querkopf Veracini passen. Seine Vorliebe für Dissonanzen, ungewöhnliche Harmonien, für Sprünge zwischen den Stimmlagen geben dem über dreistündigen Werk die nötige Würze. Sie deuten aber auch darauf hin, dass die Barockoper eben mehr war, als ein bloßes Star-Theater, sondern wirklich herausragende Ausführende verlangte.
Das Werk stellt die Sänger vor extreme Herausforderungen. Und so tat Dirigent Fabio Biondi (von dem auch die größtenteils rekonstruierten Rezitative stammen) wahrhaft gut daran, für seine Wiener Aufführung ebenfalls die erste Garde zu verpflichten. Auf den Einsatz von Countertenören verzichtete er dabei. Stattdessen singt Sonia Prina die Titelpartie und das mit einer solch profunden Tiefe, solch dramatischem Gespür und solchem Volumen, dass es ein ums andere Mal verblüfft. Hier vermisst man wirklich nichts, was ein Senesino seinerzeit geboten haben mag. Ein wenig anders sieht das bei Ann Hallenberg aus, die den einst von Farinelli verkörperten Farnaspe singt: Sie tönt im ersten Akt recht angestrengt und singt sich erst im Verlaufe der Oper frei. Ihr fällt dabei die wohl anspruchsvollste Barockarie überhaupt zu „Amor dover rispetto“ – was Veracini hier verlangt, grenzt ans Unmögliche. Hallenberg gibt ihr Bestes, muss aber häufig nachatmen und verschleift ein paar der aberwitzigen Koloraturen; trotzdem ein aufregendes Hörerlebnis und eine beachtliche Leistung, an der sich überhaupt erst ermessen lässt, wie hoch die Qualität und das Lungenvolumen des vergötterten Farinelli gewesen sein muss. (Und nach der man weiß, warum dieses Paradestück sich sonst niemand einzuspielen wagt.)
In den weiteren Partien glänzt vor allem Roberta Invernizzi mit einer höchst beweglichen Stimme, aber auch der volltönende Bass Ugo Guagliardo meistert seine Bravourarien auf höchstem Niveau. Das (von Veracini ungewöhnlich reich besetzte) Orchester Europa Galante spielt mal federnd mal druckvoll. Der Live-Mitschnitt ist von einer etwas trockenen Akustik geprägt, wird aber kaum durch Nebengeräusche gestört.
Sven Kerkhoff
Besetzung |
Sonia Prina (Alt): Adriano
Ann Hallenberg (Mezzosopran): Farnaspe
Roberta Invernizzi (Sopran): Emirena
Romina Basso (Mezzosopran): Sabina
Lucia Cirillo (Mezzosopran): Idalma
Ugo Guagliardo (Bass): Osora
Europa Galante
Fabio Biondi: Ltg.
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