Verschiedene
Tucson Songs – Exciting New Sounds From Southern Arizona
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Dank den Wüstenrockern Giant Sandweiß man, dass Tucson im Süden Arizonas an der mexikanischen Grenze liegt. Grenzstädte haben oft eine gewisse Vielfalt zu bieten und Tucson scheint sich inzwischen zu einer musikalischen Oase in der Wüste zu entwickeln. Zumindest vermittelt diese Kompilation zur Tucson-Szene, dass Giant Sand bei weitem nicht die einzige beachtenswerte Band der Stadt ist. Ihr Beitrag hat eher was von Lou Reed-artigen Sprechgesang als von Wüstenrock. Letzteren gibt es am ehesten noch im Opener, Gabriel Sullivan & Taraf de Tucsons „The Rust, The Knife“. Das hört sich an wie eine augenzwinkernde Fortsetzung der berühmten Filmmusik „The Good, the Bad and the Ugly“ von Hugo Montenegro aus dem Western „Zwei glorreiche Halunken“. Da ist alles drin, Mexico, Surf Sound, Johnny Cash und unrasierte Männer mit lockerem Colt. Natürlich sind auch Calexico vertreten, die Band, die aus Giant Sand einst hervorging. Zusammen mit Francoiz Breut klingen sie hier arg retromäßig: Jubilierende Trompeten, schmachtende Sänger und wie eine Fortsetzung von - Nancy Sinatra & Lee Hazlewood. Seltsam, dass genau die Retro-Titel am Anfang der Kompilation stehen. Auch Brian Lopez präsentiert sich irgendwo zwischen mexikanischem Herzensbrecher und 50er Jahre Highschool-Sound. Man bekennt sich wohl zu seinen Wurzeln, auch wenn diese für die meisten der Musiker lange zurückliegen dürften.
Die mexikanische Ecke wird noch mal abgedeckt von Sergio Mendoza, der unter den Fittichen von Calexico steht. Er präsentiert einen Mambo mit mexikanischer Melodieführung in verschiedenen Tempi plus einigen gruseligen Sounds. Hier wird geschickt mit alten Versatzstücken gespielt. Danach kommt aber kaum noch etwas, was mexikanische Einflüsse des Tucson-Sounds betrifft. Vielmehr ist dieser noch vielfältiger und daher aber auch wenig greifbar. Insofern präsentiert sich hier eher das Kaleidoskop der Szene von Tucson als ein definierbarer Sound. Immerhin zeigt sich die Talentschmiede fast ohne Durchhänger und kaum ein Stück wirkt an gängigen Moden orientiert.Marianne Dissards „Neige Romaine“ fängt z. B. mit Radiokauderwelsch an, in dem auch Angela Merkel zu hören ist, und aus dem sich dann eine Art Midnight Bar-Sound entwickelt. Courtney Marie Andrews gehört zu den Sängerinnen, die den immer mehr verbreiteten Gesangstil des Weinerlichen und Zittrigen pflegen. Bei einer guten Melodie klingt das recht betörend, wenn man sich wie hier nur mit Banjo und Gitarre begleitet. Das Highlight ist aber Naim Amors „Creole“, ein nostalgischer Country Shuffle, wie geschaffen für eine Filmmelodie mit sehnsüchtigem Engelschor. Das Ding hat wirklich das Zeug zu einem zeitlosen Ohrwurm zum Mitpfeifen.
Bei den letzten fünf der insgesamt 18 Titel verliert das Album leider an Fahrt. Insgesamt jedoch präsentiert sich hier eine eigenwillig klingende Szene mit allen möglichen Varianten von Americana und ohne Berührungsängste vor Schmachtfetzen. Aber Begriffe wie Alternative Rock, Americana und Wüstenrock versagen hier im Grunde. In Tucson wird experimentiert mit dem, was in der Stadt bislang überhaupt musikalisch eine Rolle gespielt hat – egal wie lange es her ist. Und das ist gut so.
Hans-Jürgen Lenhart
Trackliste |
01. Gabriel Sullivan & Taraf de Tucson, The Rust, The Knife
02. Brian Lopez, El Pajaro Y El Ciervo
03. Calexico feat. Francpoiz Breut, Keeper Of The Flame
04. Sergio Mendoza Y la Orkesta, Mambo Mexicano
05. Otherly Love, Crossed The Line
06. Andrew Collberg, Plastic Bows
07. Courtney Marie Andrews, It's Okay, l Understand
08. J. Daniel Twelker, Come Ride With Me
09. Gabriel Sullivan, Me And The Dog
10. Boffomet, The Circus Of Love
11. Golden Boots, Days Are Night
12. Naim Amor, Creole
13. Silver Thread Trio, Who Killed Cock Robin?
14. Marianne Dissard, Neige Romaine
15. Amy Rude & Heartbeast, Stump Of Love
16. Bread And Circus, Miss Me
17. AI Perry, Dreaming
18. Giant Sand, Recovery Mission |
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