PELICAN - Wir streben nach künstlerischer Aufrichtigkeit in allen Bereichen
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Mit instrumentaler Musik ist es bei vielen immer so eine Sache: Selten „rockt“ es und reißt mit, meist plätschert es irgendwie an einem vorbei. Und das nicht nur im New Age-Bereich, sondern auch nicht selten im aufstrebenden Post Rock (oder auch Post Metal), wo elegische und ins Leere verlaufende Songstrukturen oft als wichtiger empfunden werden als griffige Lieder. Das amerikanische Quartett PELICAN zählt hier glücklicherweise nicht dazu. Auf ihrem vierten Album What we all come to need haben sie es wieder geschafft den Hörer zu unterhalten. Mit kernigen Gitarren werden Songs erschaffen die hart und schwebend gleichzeitig sind. Überflüssigen Ballast hat man bereits mit dem Vorgängeralbum City of Echoes über Bord geworfen und konzentriert sich seitdem darauf, griffigere und nicht mehr so extrem ausladende Stücke zu schreiben. Was des einen Freud’, kann des anderen Leid sein. Und so stieß auch der vierte Streich nicht überall auf euphorische Reaktionen. Dies ist allerdings nicht unbedingt gerecht einer Band gegenüber, die sich künstlerische Aufrichtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, wie Gitarrist Laurent Lebec im folgenden Interview zu Protokoll geben wird. Deshalb sollte man PELICAN auf jeden Fall eine Chance geben und im CD-Regal nicht nur immer zu den (klanglich vergleichbaren) Red Sparowes oder Isis greifen.
Hallo Laurent! Euer letztes Album City of Echoes hast Du aufgrund der kürzeren und zugänglicheren Songs als euer „Pop-Album“ bezeichnet. What we all come to need folgt im Großen dieser Linie, ist meiner Meinung nach aber rockiger. Ist das also dann euer „Rock-Album“?
(lacht) Nun, das kommt schon irgendwie hin. Für mich ist es eine Fortsetzung der Themen und der Ästhetiken die wir auf City of Echoes erforscht haben. Aber wir haben den Vortrag verfeinert, so dass die Dinge schneller auf den Punkt kommen. Der Hauptunterschied, außer dem offensichtlichen, dass wir uns zwei Jahre Zeit gelassen haben um eine Ladung neuer Songs zu schreiben, ist dass wir uns mittlerweile wohler dabei fühlen uns selbst zu redigieren und es auch nicht mehr erzwingen, dass wirklich ALLES bis aufs letzte passt. Wir hatten dieses Mal auch eine großartige Zeit im Studio, bedingt durch mehr Zeit für die Aufnahmen, einem tollen Tontechniker mit einem guten Gehör und einer Latte von Liedern, die wir durch und durch stark finden.
Mit dem letzten Album seit ihr etwas von den sich langsam aufbauenden Strukturen abgekommen und habt euch direkteren und griffigeren Songs zugewandt. Warum habt ihr diesen Schritt von dem anfänglichen Sound weg gewagt?
Weil es sich richtig angefühlt hat. Ganz ehrlich, wir diskutieren solche Dinge nicht wirklich. Wir vertrauen ganz darauf was passiert. Aber wir fanden immer mehr, dass die längeren Stücke schwer auf der Bühne rüberzubringen sind. Die Songs fühlen sich in der Livesituation einfach nicht so gut an, wie wir es uns wünschen. Das Material, welches wir geschrieben haben nachdem wir viel getourt sind, wurde von dem definiert und beeinflusst wie wir uns selbst als Performer wahrgenommen haben. Und das neue Album geht diesen Weg noch weiter.
Bist Du immer noch zufrieden mit den älteren Alben oder würdest Du mit Deinem Wissen von heute irgendetwas daran ändern?
Du willst immer etwas daran ändern. Aber trotzdem würden wir es wohl nicht tun. Es ist es nicht wert nach etwas zu suchen, da wir es zu dieser Zeit geliebt haben. Ich möchte nicht in dieses Geschäft einsteigen, bei dem man Dinge neu aufnimmt oder hier und dort was verändert, so wie es Dave Mustaine (Gitarrist und Alleinherrscher von Megadeth - Anm.d.Verf.) bei den Re-Releases seiner alten Klassiker gemacht hat. Es ist wie eine Art trauriger Kommentar um die Vergangenheit deiner gegenwärtigen Gemütsverfassung anzupassen. Ich denke, Kunst sollte dadurch nicht korrumpiert werden.
City of Echoes wurde nicht überall besonders gut aufgenommen. Motiviert euch das mehr, um beim nächsten Mal ein noch besseres Album aufzunehmen, oder ist man da so selbstbewusst und steht einfach über den Dingen?
Ich war enttäuscht davon, dass einige Leute sich gegen etwas versperrt haben, auf das ich stolz bin. Aber es war sicherlich das letzte Mal, dass ich mich darum geschert habe, da man irgendwann realisiert, dass man die Dinge immer für sich selbst macht. Wir machten es jetzt so, aber wir haben uns mitunter darauf konzentriert ein paar Dinge anders zu machen. Das haben wir aber immer schon getan. Bei City of Echoes arbeiteten wir neue Lieder mit dem Hindergedanken aus, das wegzulassen was wir am Vorgänger The Fire in our throats will beckon the thaw nicht mochten. Natürlich, alles was man nach diesem Album schreibt, muss wohl episch sein, mit 15 Minuten langen Songs. (lacht) Es scheint so, als hätten einige zumindest darauf gehofft. Aber wenn du nicht auf deine eigene Muse und deine Inspiration hörst, kannst du nicht glücklich werden. Also haben wir uns in die Richtung bewegt, in die es uns getrieben hat.
Wie lange habt ihr an den neuen Songs, von der ersten Idee bis zur Fertigstellung, gearbeitet?
Es war ein zwei Jahre langer Prozess. Ich beginne zu schreiben, danach arbeiten wir gemeinsam an ein paar Liedern. An meinen meistens zuerst. Dann übernehmen die anderen das Ruder und bringen ihre eigenen Beiträge mit ein. Es ist ein ziemlich schmerzfreier Prozess und nach drei oder vier Liedern bewegen wir uns ziemlich flott und haben bereits ein Gefühl dafür, wie die endgültige Platte klingen wird. Die Lieder fünf bis sieben, oder acht, werden typischerweise ganz davon beeinflusst, wie die anderen sind, da wir immer ein Bündel an Songs als fertige LP im Hinterkopf haben.
Eure Lieder bestehen aus verschiednen Schichten und Extremen, mit wilden Arrangements auf der einen Seite und atmosphärischen Teilen auf der anderen. Achtet ihr speziell darauf, dass eure Musik dadurch besonders aufwühlend wird?
Wir richten unseren Blick auf jeden Fall darauf, mit jedem Song eine interessante Reise anzubieten. Wir beginnen mit dem grundlegenden Ausdruck und bemühen uns dann wirklich fesselnde Schichten hinzuzufügen. Ich bin sicher, das ist etwas was uns definiert, auch wenn ich die meiste Zeit nicht darüber nachdenke, da alles so natürlich kommt. Aber ich bin ziemlich vernarrt darin, jede Menge an Instrumentierungen und kleinen einzigartigen Farben hier und dort im Studio hinzuzufügen. Es macht ziemlich Spaß.
Das erste Mal habt ihr bei „Final breath“ Gesang auf einem Pelican-Album. Warum habt ihr das gewagt? In der Vergangenheit habt ihr das immer abgelehnt, da ihr nicht in irgendeine bestimmte Richtung gedrückt werden wolltet.
Nun, das stimmt. Es war schon ein Aufwand etwas dazuzufügen was frisch sein würde. Aber wir werden so schnell keinen Sänger in die Band nehmen. Wir experimentieren nur damit. Nichts außer zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug ist dauerhaft. Aber ich bin sicher, dass wir das wieder machen werden. Beim nächsten Mal vielleicht Tiergeräusche für ein Konzeptalbum über Dschungelkreaturen … das war natürlich ein Witz! (lacht)
Wie wichtig ist es für euch, eure künstlerischen Grenzen weiter zu verschieben, oder habt ihr euch mit diesem Album endgültig gefunden?
Ich denke wir kommen ziemlich nah dran. Pelican hat in den metaphorischen Spiegel geblickt und „ja, das bin ich!“ gesagt. Darauf habe ich gehofft seitdem wir angefangen haben.
Wie wählt ihr die Titel zu euren instrumentalen Songs aus?
Wir suchen sie normalerweise erst ganz am Ende aus. Und wir neigen dazu die Themen ganz einfach zu sehen.
Was ist das „was wir alle brauchen“, von dem der Albumtitel spricht?
Familie, Freunde, Erfüllung. Die Kunst stellt eine gebrochene Welt bildlich dar und die Musik kündigt Vergeltung gegen eine Welt, welche die Entmündigung vorantreibt, an.
Andere instrumentale Bands wie zum Beispiel Godspeed! You Black Emperor verfolgen eine sozialkritische Philosophie, die sie auch in Form von Samples in ihrer Musik oder auf ihren Albumcovern präsentieren. Stehen Pelican auch für etwas in dieser Art?
Ich denke Pelican stehen für nichts anderes, als dem Streben nach dem was sich echt anfühlt. Es ist nichts was wir diskutieren, aber ich meine es zeigt sich in der Art wie jeder von uns sein Leben lebt und wie wir dies in die Band einbringen. Wir streben nach künstlerischer Aufrichtigkeit in allen Bereichen. Bei unseren Platten gibt es Themen die immer wieder auftauchen: Hoffung, Balance, Trost, Integrität und ökologischer Eskapismus.
Neben Allen Epley (Shiner, Life and Times), der „Final breath“ singt, habt ihr noch weitere Gäste (Aaron Turner von Isis, Greg Anderson von Sunn O))) und Ben Verellen von Helms Alee), die mit euch auf „What we all come to need“ spielen. Welche Beziehung habt ihr zu ihnen und wie kam es zur Zusammenarbeit?
Nun, es sind alles Freunde von uns. Gute Freunde. Und wir wollten sie alle auf dem Album, da wir eine Gemeinschaft und Trost durch Freundschaft und Musik gesucht haben. Wir sind überglücklich, dass sie uns ihre Talente geliehen haben!
Mit eurer neuen CD habt ihre beim Label Southern Lord Recordings unterschrieben. Fühlt ihr euch dort jetzt mehr zu Hause als auf Aaron Turners Hydra Head?
Beide sind eine Heimat weg von zuhause. Sie sind beide gleich großartig. Sie sind nur verschiedene Orte und Erfahrungen.
Was steht als nächstes auf der Pelican-Agenda?
Etwas Touren um das neue Album zu promoten und dann wahrscheinlich wieder das Schreiben anzufangen, um eine neue Reihe an Songs zu entdecken.
Diskografie | Pelican (EP, 2001)
Australasia (2003)
March into the Sea (EP, 2005)
The Fire in our throats will beckon the thaw (2005)
Pink Mammoth (EP, 2007)
City of Echoes (2007)
After the ceiling Cracked (DVD, 2008)
Ephemeral (EP, 2007)
What We All Come To Need (2009) |
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Mario Karl
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