Pflichtbewusst in Lederjacke – PETER MAFFAY, ein deutsches Phänomen
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Autor: Edmund Hartsch
Titel: Maffay – Auf dem Weg zu mir
Verlag: Bertelsmann, München 2009
ISBN: 978-3-570-01029-7
Preis: € 24,95
415 Seiten
Internet: http://www.maffay.de
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Peter Maffay erreichte die Bundesrepublik im selben Jahr wie ich. Nur während ich damals meine ersten Schreie auf dieser Erde tat, hatte Peter Alexander Makkay bereits 13 Jahre Siebenbürgen hinter sich.
Diesen kulturellen Hintergrund zeichnet Edmund Hartsch auf den ersten Seiten seiner Mafffay-Biographie, die zum 60. Geburtstag des erfolgreichen Musikers am 30. August erschien, gründlich nach. Dann folgt er dem Künstlern durch die vier Jahrzehnte seiner Karriere, die man zugespitzt so überschreiben könnte: „Der Schlagersänger“, „Der Rocker“, „Der Star“ und „Der Wohltäter“.
In den ersten Jahren im Wesentlichen von Managern und der Plattenfirma gegängelt kann Maffay sich mit Hits wie „Und es war Sommer“, „Josie“ und „Du“ schnell an die Spitze der deutschen Schlagerszene setzen, die in Dieter Thomas Hecks ZDF-Hitparade ihre zentrale Bühne hatte. Lange fühlt er sich dort nicht wohl. Er will mehr. Er will anders. Er will Dinge selber machen.
Der eher unbekannte, im Buch nicht erwähnte Titel „Charley’s Leute“ kann symbolisch als Scharnier zur nächsten Karrierephase betrachtet werden.
Noch ganz im Schlagerduktus verhaftet, träumt Maffay in „Charley’s Leute“ vom Ausbruch, von der Rebellion, die er dann mit den Alben Steppenwolf und Revanche inszeniert. Die Karriere geht durch die Decke. Beide Alben erreichen Platz 1 der Charts und fahren Doppel-Platin ein. Daran wird Maffay sich gewöhnen. Unter Platin geht an sofort gar nichts mehr – außer bei Live-Alben, Compilations und den Begegnungen-Alben, aber dazu später mehr. Ein Album wie 38137 – Liebe gehört zu seinen „schwächeren“ Scheiben, weil sie zwar Platin aber „nur“ Platz 3 der Charts erreicht.
Musikalisch muss Maffay sich nur noch selber übertreffen. Aufwendiger, größer, teurer – das sind die Adjektive, die jede neue Tour begleiten. Und im Gegensatz zu manch anderem Künstler überhebt Maffay sich nicht. Selbst das größte Wagnis rechnet sich im Endeffekt in Mark und Pfenning.
Parallel zur fantastisch laufenden Karriere baut Maffay seine Karriere wortwörtlich auf. Einem Grundstück in Tutzing folgt das Nächste, das Nächste und das Nächste. Es entsteht der Red Rooster Studio Komplex – Tonstudios, Verwaltungsgebäude, Wohnmöglichkeiten, Fitnessstudio – und alles vom Feinsten. Auch das rechnet sich und garantiert Maffay die volle Kontrolle über die gesamte Produktion.
1983 fällt Maffay aus dem Rahmen. Eine spinnerte Idee: Mit Tabaluga oder die Reise zur Vernunft präsentiert der, der sein Publikum gerade an Motorräder und Lederjacke gewöhnt hat, ein Album für Kinder. Und das Ding explodiert. Über 100 Wochen in den Charts und – selbstverständlich – Platin, ist dieses Mal das Wenigste. Der kleine, grüne Tabaluga zieht einen riesigen Drachenschwanz hinter sich her. Der besteht nicht nur aus Tourneen, Nachfolgealben und einem Musical, für das zu guter letzt ein eigenes Theater gebaut wird, um es zur Dauereinrichtung zu machen.
Mit Tabaluga hat Maffay sich auf Kinder eingelassen – und was er macht, das macht er richtig. Heute betreibt die Tabaluga Stiftung Kinderheime in Deutschland, Rumänien und auf Mallorca, wo Maffays Immobilienankäufe die in Tutzing noch weit in den Schatten stellen.
Ein zweites Projekt, das die Grenzen der Musik sprengt, sind die Begegnungen, mittlerweile zwei Alben, auf denen Maffay mit Musikern aus anderen Kulturen zusammenarbeitet. Und auch hier gibt es keine halben Sachen. Maffay holt sich dazu nicht einfach jemanden ins Studio. Er geht vor Ort, lebt tagelang mit Aboriginies im australischen Outback, trifft türkische HipHoper, amerikanische Indianer in den Reservaten, Dänen, Franzosen, Israelis, Palästinenser, Rumänen, Spanier, Koreaner und und und.
Und selbst die Begegnung alleine reicht ihm nicht. Er sucht Musiker, die für ein soziales Projekt stehen und er will prominente Paten für die Projekte. Am Ende stehen der Dalai Lama, Friedensnobelpreisträger Desmond Tuto, der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko und viele andere auf seiner Liste.
Politisch, kulturell und gesellschaftlich dürfte das Projekt Begegnungen die Krone der Karriere Maffays sein. Kommerziell ist es das schwierigste. Es ist ihm nur bedingt gelungen seine musikalisch eher konservative Klientel mit auf den Weg in fremde Kulturen zu nehmen – zumal Maffay sich so weit auf seine Partner eingelassen hat, dass er jeweils in ihrer Sprache gesungen hat.
Bei aller Begeisterung für die Person Maffay und seine Karriere ist Auf dem Weg zu mir aber keine völlig unkritische Hagiographie. Man hätte das Buch auch „Leichen pflastern seinen Weg“ nennen können. Vier Ehen, oder eheähnliche Beziehungen verschleißt Maffay auf seinem Weg – und Dutzende von Musikern und Mitarbeitern. Er selber arbeitet auf 300-Prozent Volllast und erwartet von seinen Mitarbeitern mindestens 150 Prozent. Wer darunter bleibt, oder nicht mehr genau in die Richtung geht, in die Maffay will, der wird von dem Kontrollfreak konsequent und rigoros ausgetauscht – ein Verfahren, dass wohl nicht zuletzt ihm Schmerzen bereitet. Denn in seinem Team sind nur Menschen, zu denen er intensive Beziehungen pflegt. Hier herrscht kein anonymes Chef-Angestellten-Klima. Und so trennt sich Maffay immer auch von einem Stück von sich selbst. Aber so wie er sich selbst keine Freizeit gönnt, gibt es auch nur wenig Spielraum für die Mitspieler – im Namen des Großen-Ganzen.
Trotz aller Erfolge haftet Maffay immer noch das Etikett des Schlager-Fuzzis an. Und das nicht ganz zu unrecht. Ich muss zugeben, ich kenne jenseits der 82er Live-LP kaum etwas von Maffay. Aber die Texte, die im Buch abgedruckt sind, sind weiter so, dass sie problemlos auch von einem Schlagerpublikum konsumiert werden können. Und wenn er, wie Hartsch berichtet, musikalisch härter geworden ist, muss man natürlich ergänzen, dass sich da die Maßstäbe auch verschoben haben. Wahrscheinlich ist das sogar zum Teil das Geheimnis seines Erfolgs. Maffay macht Musik für die breite Masse.
Aber, und das macht ihn sympathisch. Man hat nicht das Gefühl, dass das Kalkül ist. Denn ein Rocker ist Maffay nie geworden. Er ist immer „einer von uns“ geblieben. Und „Wir“ sind ja auch keine Rocker, sondern mehr oder weniger brave Spießer, die am Wochenende mal die Lederjacke aus dem Schrank holen. Maffay hat die Synthese daraus geschaffen und zur eigenen Identität gemacht.
Gerade das macht ihn zum Prototyp des deutschen Rockers.
Wenn nur etwas von dem stimmt, was Bartsch uns erzählt, dann muss man Maffay viel an Glaubwürdigkeit, Bodenständigkeit und Verlässlichkeit zugestehen. Ein Mann, dem man begegnen möchte.
Norbert von Fransecky
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