Musik an sich


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Tessier, Ch. u. a. (Dumestre)

Carnets de voyages


Info
Musikrichtung: Frühbarocke Ensemblemusik

VÖ: 01.11.2006

Alpha / Note 1
CD (AD 2005) / Best. Nr. Alpha 100


Gesamtspielzeit: 58:46



AUF VERSCHLUNGENEN MUSIKALISCHEN PFADEN …

Als Jean-Paul-Combet vor 6 Jahren unter dem Label Alpha seine erste CD mit eher abseitigem klassischem Repertoire und wenig bekannten Interpreten veröffentlichte, war ungewiss, ob das Projekt über diese erste Aufnahme hinaus eine Zukunft haben würde. Es hatte eine – und zwar eine ausgesprochen erfolgreiche. Jährlich werden inzwischen weltweit über 250000 Alpha-CDs verkauft.
Ob sich die Compact Disc in Zukunft gegen die Macht der Downloadbörsen und die digitale Verflüchtigung behaupten kann, darüber mag auch Combet nur spekulieren. Er setzt weiter auf sein qualitätvolles Programm und ein Produkt, das sich schon äußerlich vom Durchschnitt abhebt und mit seinen aufwändigen Covern Anschluss an die Ästhetik der LP sucht.

Mit der nunmehr 100. Alpha-Produktion Carnets de voyages schlägt der Produzent einen Bogen zum verheißungsvollen Beginn: Wieder sind die Interpreten der Lautenist Vincent Dumestre und sein Ensemble Le Poème Harmonique. Dumestres Ausgrabungen u. a. kaum bekannter und daher selten eingespielter französischer Komponisten sind Höhepunkte des Alpha-Katalogs. Auch auf ihrer neuesten Platte folgen die Musiker/innen verschlungen und oft vergessenen musikalischen Pfaden. In diesem Fall stehen Werke von Charles Tessier (1550-?) und einiger Zeitgenossen uaf dem Programm. Wie immer stellt das Ensemble die Werke seines Hauptkomponisten in den Kontext von Kompositionen aus anderer Feder (in diesem Fall Hans Leo Hassler und John Dowland), was nicht nur für klangliche Abwechselung sorgt, sondern auch die musikhistorische Perspektive vertieft.
Tessier ist gewiss einer der internationalsten Komponisten seiner Zeit gewesen. Auf seinen Reisen durch Europa hat er intensive Berührung mit den damals herrschenden Stilen gehabt und sich von ihnen anregen lassen. Seine polyglotten Werke weisen auch musikalisch einen mal englischen, spanischen, deutschen oder sogar orientalischen Akzent auf. Dass eines seiner Airs in eine Sammlung von Robert Dowland aufgenommen wurde, bezeugt, dass die Begegnungen nicht nur einseitig gewesen sind.

Le Poème Harmonique präsentiert seine Auswahl auf dem gewohnten hohen Niveau. Wie eine Sammlung äußerst kostbarer Schmuckstücke nimmt sich das Programm aus, kein Werk ist nebensächlich, jedes Detail wirkt durchdacht und fügt sich stimmig ins Ganze ein.
Mit den Renaissanceblasinstrumenten Flöte und Bombarde kommt überdies eine neue Farbe in die Darbietungen hinein. Vor allem das umwerfend temperamentvolle türkische Chanson profitiert von dem kernig-exotischen Klang, der durch Orientalismen bei den gesungenen Verzierungen weiter veredelt wird – ein legitimer Vorläufer heutiger Weltmusik. Die himmlische Melancholie vieler Stücke findet erneut in der Sopranistin Claire Lefiliâtre eine begnadete Interpretin; mit berückender Klangschönheit und bewegender Ausdruckskraft gestaltet das Ensemble die mehrstimmigen Stücke. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, dafür sorgt z. B. das witzige und lautmalerische spanische Chanson.

Kurz: Diese Aufnahme ist wieder ein Hochgenuss, eine magische musikalische Abenteuerreise durch das Europa des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, die für den offenen Hörer immer wieder neue Überraschungen bereithält.



Georg Henkel



Trackliste
1Chansons turcquesques4:10
2Air espagnol : No ay en la tierra4:16
3Chanson suisseee : Mattone mie care3:25
4Bransle de village2:45
5Bransle de Lorraine1:52
6Junckfraw deine schöne gstalt erfreüt mich sehr (Hassler)2:50
7Pavana del Sgr. Guilhelmo Keudelio5:34
8Madonna di Coucagna2:16
9Vita di voria dar2:31
10Air de court : Me voilà hors du naufrage5:54
11The earle of Essex galiard (Dowland)1:28
12Burth foth my tears (Dowland)7:11
13Les Gascons2:20
14Chanson : Je suis par trop longtemps pucelle3:56
15Air de court : Quand le flambeau du monde…8:18
Besetzung

Claire Lefilliâtre, Sopran
Bruno le Levreur, Haut-Contre
Jan van Elsacker, Tenor
Arnaud Marzorati, Bass

Catharina Andres, Bombarde - Flöte
Johanne Maitre, Bombarde - Flöte
Franck Poitrineau, Posaune
Tamby Stéphane, Flöte - Dulcian
William Dongois, Zink
Mélanie Flahaut, Flöte - Dulcian
Kaori Uemura, Gambe
Sylvia Abramowicz, Gambe
Isabelle Saint-Yves, Gambe
Françoise Enock, Bass
Michèle Claude, Schlagzeug

Vincent Dumestre, Ltg. und Laute


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