Monteverdi, C. (Ciofi – Lethipuu – Villazón - Haïm)
Combattimento. Madrigale
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Info |
Musikrichtung:
Madrigal
VÖ: 17.11.2006
Virgin / EMI CD (AD DDD 2005) + DVD / Best. Nr. 3634022
Gesamtspielzeit: 67:28
Internet:
Le Concert d’Astrée
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SZENENWECHSEL
In den 50-80er Jahren standen sich im Klassikbereich die „alternative“ und politisch eher „links“ angesiedelte „Originalklangbewegung“ und der konventionelle, „prostromantische“ Starbetrieb manchmal geradezu feindlich gegenüber. Herbert von Karajan und Nikolaus Harnoncourt wurden - nicht immer ganz freiwillig – zu den großen Antipoden stilisiert: der diktatorische, aber bezwingend sinnlich musizierende „Klangschönheitsapostel“ stand gegen den als asketischen Dilettanten geschmähten „Darmsaitenfetischisten“. Inzwischen haben sich die „Alternativen“ längst als Profis etabliert und sind häufig selbst zu Stars mit eigenen Festspielen und gefeierten Ensembles geworden, die bei Auftritten auch die großen Häuser mühelos füllen. Der einstige Rigorismus ist gegenseitigem Respekt und dem Gespür die besonderen Qualitäten des jeweils anderen gewichen. Selbst die großen Traditionsorchester, die Wiener und Berliner Philharmoniker, bitten inzwischen gerne „Originalklang“-Dirigenten wie Harnoncourt, William Christie oder John Eliot Gardiner ans Pult, um von deren Kenntnissen zu profitieren. Und umgekehrt: Ein Dirigent wie Simon Rattle leitet nicht nur die BP, sondern auch auf alte Musik spezialisierte Gruppen wie das Orchstra of the Age of Enlightment. Die jüngere Interpretengeneration hat sowie kaum Berührungsängste, weil sie mit der historisch informierten Aufführungspraxis bereits selbstverständlich aufgewachsen ist. Der Wechsel zwischen den Szenen ist hier kein großes Thema mehr.
Und doch! Wenn ein bislang auf große Sinfonieorchester und Komponisten wie Donizetti, Verdi und Puccini abonnierter Startenor plötzlich Madrigale von Claudio Monteverdi anstimmt, dann will man es doch genau wissen: Geht das gut? Einmal abgesehen davon, dass jede Interpretation immer auch eine Geschmacksfrage ist, kann man sagen: Es geht sogar ziemlich gut. Der in Mexiko geborene Rolando Villazón, nach eigene Aussagen weder ein Barocktenor noch (bislang) ein besonderer Liebhaber von Monteverdis Musik, hat sich hörbar für das zunächst fremde Reptertoire begeistern und darin einfühlen können. Obwohl Villazón im Vergleich mit seinen Aufnahme-Partner/innen Patricia Ciofi und Topi Lehtipuu viel stärker durch die Oper des 19. Jahrhunderts geprägt ist, erweist er sich doch erstaunlich anpassungsfähig, auch wenn die "Theatralik" in seiner Interpretation zunächst ungewöhnlich wirkt. Aber genau das wollte auch die Dirigentin Emmanelle Haïm: Villazón sollte mit seiner eigenen, unverstellten Stimme singen, er sollte bei Monteverdi an die Grenzen des Ausdrucks gehen. Und so verleiht Villazón der barocken Klangrede mit seinem durch imaginäre historische Stimmideale unbelasteten Herangehen einen ausgeprägten, individuellen Akzent – etwas, was in der Alte-Musik-Szene eher selten ist. Ob es hier und da auch schon mal zu viel espressivo wird, mag jeder Hörer selbst entscheiden. Persönlich haben bei mir das 2. Madrigal, das Duett Ecco di dolci raggi il sol aus dem 7. Madrigalbuch, und die ergreifende Sprophearie Sì dolche è `l tormento den größten Eindruck hinterlassen. Beim erstgenannten Stück harmoniert der Sänger ausgezeichnet mit seinem Tenorpartner Topi Lehtipuu, im zweiten überzeugen die sensiblen Variationen. Seinen größten Auftritt als Sänger-Darsteller hat der Mexikaner in dem eröffnenden Combattimento di Tancredi e Clorinda, komponiert auf eine Szene aus Torquato Tassos berühmten Kreuzfahrerepos. Diese Schlachtenszene, in der sich der christliche Ritter Tancredi (Lehtipuu) und die sarazenische Amazone Clorinda (Ciofi) mit Nebenrollen begnügen müssen, lebt vor allem vom expressiven Vortrag des Erzählers (Villazón) und der kleinen, aber kraftvollen Streicher- und Continuobegleitung, die den tödlichen Zweikampf durch aggressiv hämmernde Akkorde und andere von Monteverdi ersonnene Ausdrucks-Effekte in Musik übersetzt.
Das von Cembalo und Orgel aus geleitete Le Concert d’Astrée treibt mit dramatisch-trockenen Klang das Geschehen bis zum bitter-süßen Ende voran. Die klanglich fast schon jungfräuliche Reinheit, die den Tod Clorindas in vielen älteren Einspielen so himmlisch verklärt, geht der vollblütigen Sopranstimme von Patricia Ciofi zwar ab. Aber dafür erreicht die Interpretation trotz kleiner Besetzung eine solche Körperlichkeit und Dramatik, dass das Hören zu einer durchweg packenden Angelegenheit wird. Es spricht übrigens auch für die Produktion, dass Ciofi und Lethipuu im weiteren Programm mehrere große Solo-Madrigale singen und sich hier mit ihren jugendlich-reifen Stimmen als ebenbürtige Partner Villazóns erweisen.
Die der Deluxe-Version beigepackte DVD mit Probenmitschnitten lohnt nicht nur wegen ihrer Einblicke in die Probenarbeit. Auch wegen Villazóns Slapstick-Humor ist sie sehr unterhaltsam.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Il Combattimento di Tancredi e Clorinda |
2 | Ecco di dolci raggi il sol ... |
3 | Sì dolce è 'l tormento |
4 | Eri già tutta mia |
5 | Ohimè Ch'io cado, ohimè |
6 | Quel sguardo sdegnosetto |
7 | Interotte speranze, etern afede |
8 | Tornate, o cari baci |
9 | Maledetto sia l'aspetto |
10 | Et è pur dunque vero |
11 | Più lieto il gurado |
12 | Perchè se m'odiavi |
13 | Tempro la cetra |
14 | La mia turca |
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Besetzung |
Rolando Villazón, Tenor Patricia Ciofi, Sopran Topi Lehtipuu, Tenor
Le Concert d’Astrée Ltg., Orgel und Cembalo Emmanuelle Haïm
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