Musik an sich


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Prockfest Bünde



Info
Künstler: Diverse (Prockfest Bünde)

Zeit: 10.11.2006

Ort: Stadtgarten Bünde

Fotograf: Stephan Schelle


Line Up 10.11.2006:
Abarax (DT)
Riverside (PL)
Flower Kings (SWE)

Überrascht war ich zunächst von der relativ großen Halle in Bünde. Der Stadtgarten ist quasi eine Stadthalle mit vielen Nebenbereichen und auch der Veranstaltungsraum selber war nicht eben klein. Andererseits hatte ich deshalb zunächst Sorge, dass bei zu wenig Zuspruch keine Stimmung aufkommen würde. Glücklicherweise war der Zuspruch durchaus okay, es war nicht zu voll, aber gut gefüllt, so hatte man Raum und die Luft war ebenso wie die Stimmung okay.

Leider gab es technische Probleme, die dazu führten, dass es erst um 19:00 Uhr anstatt um 18:00 Uhr losging. Das führte zwar zu einem späten Ende, kann aber passieren und war für die Zuhörer nicht weiter tragisch. Die erste Band, Abarax aus Deutschland, stöhnten mehr darüber, denn sie mussten so ohne Soundcheck und mit halb funktionierender Bühnentechnik arbeiten, wie uns Keyboarder Udo Grasekamp, der gleichzeitig auch Veranstalter des Prockfestes ist, später berichtete.

Dafür klang ihre Mischung aus deutlichen Artrockbezügen mit männlicher Stimme und zweistimmigem Backround Gesang und einer deutlichen David Gilmour Gitarre jedoch sehr gut. Die genannte Gilmour Gitarre von Dennis Grasekamp war zwar etwas zu weit im Hintergrund, das tat dem sonstigen Sound der gut komponierten Artrockstücke ihrer ersten CD "Crying of the Whales" keinen Abbruch. Es wurden Sounds eingespielt, es gab narrative Worteinsätze und besonders die kompletten Gesangseinsätze mit Dennis und der Backroundsängerin Karoline Peucker überzeugten mich. Die Musik von Abarax hat auch deutliche Bluesbezüge, womit wieder eine Nähe zu den Floyds kommt. Jedoch sind die Stücke nicht offensichtlich abgekupfert, sondern weisen durchaus eine starke Eigenständigkeit aus. Dies ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass in der Band nahezu drei Altersgenerationen spielen. Die Instrumente beherrschen sie natürlich alle, aber so kommt ein sehr weites Spektrum an Einflüssen zusammen. Die Bühnenpräsenz ist sicherlich verbesserungswürdig, doch in Anbetracht der Tatsachen, dass die Band an diesem Abend erstmals in dieser Besetzung spielte und die genannten technischen Problemen hatte, war es ein super Einstiegsgig. Diese Band sollte der Artrockfan auf jeden Fall im Auge behalte.

Foto: Stephan Schelle

Nach relativ kurzer Umbaupause enterten dann Riverside aus Polen die Bühne. Auf diesen Gig war ich sehr gespannt, denn anhand der beiden bisher vorliegenden Studioalben konnte ich die Begeisterung der Presse nicht ganz nachvollziehen. Live, das kann ich vorwegnehmen, haben sie mich jedoch vollends überzeugt. Der Einstieg mit einem instrumentalen Intro klang zunächst seltsam bekannt, und als nach ca. 4 minuten ein sehr bekanntes Gitarrenmotiv einsetzte, wurde auch schnell klar, warum. Es handelte sich um eine kraftvolle, sehr freie Coverversion von "Shine on Your crazy diamond pt. 6 & 7". Für mich als Floydfan gibt das natürlich gleich Pluspunkte. Auch die weitere Show der vier Polen war sehr kraftvoll. In dem streckenweise harten Sound, gut ausbalanciert zwischen Gitarren und Keyboards, stecken sehr viele Marillion Bezüge, gab es bei Abarax Gilmour, so gibt es bei Riverside deutlich mehr Rothery. Die meisten Songs haben gut durchkomponierte Parts, die zu wirklichen Songs zusammenwachsen. Zumeist gibt es innerhalb eines Stückes sehr viele verschiedene Stimmungen, die das Artrock Herz hochschlagen lassen. Sänger Mariusz Duda wechselt häufig zwischen angenehmer Gesangsstimme bis hin zum fiesen Rockshouter. Da diese Elemente jedoch sehr gezielt eingesetzt werden, wirkt es niemals übertrieben oder aufgesetzt und auch die Performance stimmt. Das Publikum war vollauf begeistert und ging zu 100% mit, die Stimmung schwankte also zwischen hinwegschweben und mitrocken. Nach einer Zugabe war dann nach ca. anderthalb Stunden der letzte diesjährige Gig von Riverside beendet, den Publikum wie Band sehr genossen haben. Besonders positiv sei noch die Sound Abmischung hervorzuheben, man wusste oftmals nicht, wo gerade was passierte. Sehr schön!


Foto: Stephan Schelle

In den frühen Morgenstunden kamen dann die Paradiesvögel direkt aus dem Paradise Hotel, die Flowerkings. Schon die Kleidung entsprach ihrem Namen, bunte Hosen, plüschige Hüte und natürlich lange Haare, aber das sind nur optische Nebensächlichkeiten. Auf ihren Alben übertreiben sie es meiner Meinung nach häufig mit der Menge an Ideen und Material, Live sind sie jedoch eine Bank. Dies liegt insbesondere an ihrer großen Spielfreude, mit der sie beweisen, das Progrock nicht kalt und nüchtern dargereichtet werden muss. Besonders gefallen hat mir das schon etwas ältere "Psychedelic Postcard", das mit seinen vielen verschachtelten Parts und den dem Titel entsprechenden psychedelischen Einflechtungen ein kleines Meisterwerk ist. Auch die Interaktion mit dem Publikum ist beachtlich, Roine Stolt spricht gern und viel mit dem Publikum, erzählt kleine Anekdoten und lacht offensichtlich auch sehr gern. Auch die anfänglichen technischen Probleme - die Bühnenmonitore funktionierten wohl nicht - waren kaum spürbar. Auf Grund der zumeist sehr langen Stücke kamen die Kings auf eine Spielzeit von weit über zwei Stunden, und so war es nach der letzten Zugabe schon weit nach 2:00 Uhr morgens. Die Band mischte sich freundlich unter das verbliebene Publikum und erfüllte mit Freude Autogrammwünsche und führte Smalltalk mit geneigten Fans. Also eine wirkliche Band zum Anfassen.

Lineup 11.11.2006:
Flaborrough Head (NL)
The Watch (IT)
Pendragon (GB)

Foto: Stephan Schelle

Am Samstag blieben die technischen Probleme aus und es wurde (fast) pünktlich gegen 18:20 Uhr begonnen. Zunächst kam die vierköpfige holländische Band Flamborough Head auf die Bühne. Besonders auffällig war die blonde Sängern und Flötistin. Geboten wurde ein Mix aus Genesis und Pink Floyd, der jedoch sehr eigenständig daher kam. Die Solos waren gut eingesetzt und nie überbordend oder gar fehl am Platz, die Songs sehr gefühlvoll komponiert. Insgesamt entstand eine träumerische Stimmung aus dem Soundtrack, den die Band auf der Bühne mit viel Spielfreude darbot. Bisher gibt es meines Wissens nach zwei Alben der Band, man sollte sie im Auge behalten.

Foto: Stephan Schelle

The Watch aus Italien, die als nächste die Bühne enterten, sind ursprünglich als Genesis Coverband gestartet. Und auch wenn sie inzwischen nur eigenes Material spielen, ist die Vergangenheit nicht zu überhören. Auch, dass sie deutlich ein Faible für die Peter Gabriel Zeit haben, schimmert mehr als durch. Sehr theatralisch der Sänger und Flötist, der sehr an sein großes Vorbild ausgerichtet performed. Auch die Musik ist Genesis 70 – 75 pur. Klassische Parts, langsam sich aufbauende Stimmungen und Strukturen, ausufernde Gitarren oder Flötensolos und viele Breaks in den Songs. Musikalisch ist absolut nichts an der Band auszusetzen, nur ist es sehr anstrengend, ihnen über zwei Stunden zu folgen. Zu Hause würde ich wohl eher zum Original greifen, aber auf der Bühne war es recht interessant anzuschauen und zu hören. Unter dem Strich hätte jedoch eine halbe Stunde weniger auch gereicht.

Foto: Stephan Schelle

Gegen 23:30 Uhr kam dann das Highlight des Festivals: Pendragon mit einem Special Gig, um den 21. Jahrestag (sic) ihres ersten Albums zu feiern. Bei ihrem Gig kam auch erstmals der Viedeobeamer zum Einsatz. Der Einstieg erfolgte mit der jetzigen Besetzung der Band und den ersten drei Songs des "normalen" Gigs der gerade abgeschlossenen Tour zum Album Belive. Danach wurde ein bunter Set mit vielen alten Songs gespielt. Der besondere Clou war, dass zu diesen älteren Songs immer wieder ausgeschiedene Bandmitglieder aus der dem Song entsprechenden Zeit auf die Bühne geholt wurden. Man spürte die Lust der Band, dieses Konzert zu spielen. Die Interaktion zwischen Band und Publikum, aber auch der Musiker auf der Band untereinander, war sehr beachtlich. Nick Barret trat oft ganz an den Bühnenrand, klatschte die Fans ab und ging während einer Zugabe gar in das Publikum hinein. Also auch hier eine bemerkenswerte Nähe zu den Fans, die dieser Szene auch ein besonderes, familiäres Flair gibt.

Auch Pendragon waren sehr Energie geladen und haben bewiesen, dass auch Progrockfans mehr als nur andächtig am Bühnenrand stehen können.

Abschließend ist das Festival als Erfolg zu werten. An beiden Tagen waren je ca. 600 Zuschauer da, denen ein repräsentatives und abwechslungsreiches Programm geboten wurde.

Dass es ein Erfolg war konnte man auch dem glücklichen Veranstalter bei seiner Abschiedsrede ansehen, der auch ankündigte, dass es eine Fortsetzung geben wird, was auch wünschenswert ist. Hoffentlich kann sich das Prockfest in Bünde etablieren, dann wäre endlich das Loch in Westfalen, was solche Veranstaltungen betrifft, gefüllt.

Auf ein Neues in 2007!


Setlists und Bandbesetzungen soweit vorhanden:

Abarax:
Besetzung:
Andre Blaeute – Gesang, Gitarre
Denis Grasekamp – Gesang, Gitarre
Udo Grasekamp – Keyboards, Sounds
Howard Hanks – Gitarre, Texte
Andre Grasekamp – Schlagzeug, Gitarre, Piano
Peter Schlüter – Keyboards
Karoline Peucker –Hintergrundgesang

Setlist:
Das komplette neue Album Crying of the whales

Riverside
Besetzung:
Piotr Grudzinski – Gitarre
Piotr Kozieradski – Schlagzeug
Mariuz Duda – Gesang, Bass
JezcekMelniki – Keyboards

Setlist:
1. Intro
2. Volte - Face
3. Artificial Smile
4. I Turned You Down
5. Second Life Syndrome
6. Loose Heart
7. Conceiving You
8. Reality Dream Part 3
9. Dance With The Shadow
10. The Curtain Falls

Zugaben
The Same River
Out Of Myself
Reality Dream Part 2

The Flower Kings
Besetzung:
Roine Stolt –Gesang, Gitarre
Thomas Bodin- Keyboards, Hintergrundgesang
Hans Frödberg – Gesang, Gitarre
Jonas Reingold – Bass, Akustikgitarre, Gesang
Marcus Lilequiest – Schlagzeug, Perkussion

Setlist:
Paradox Hotel
Psychedelic Postcard
Jam
Just This Once
Touch My Heaven
Pioneers Of Aviation
Mommy Leave The Light On
End On A High Note
Back In The World Of Adventure … (Silent Sorrow)
What If God Is Alone
I Am The Sun

Zugabe
Life Will Kill You
The Flower King

Flamborough Head
Besetzung:
Margriet Boomsma – Gesang, Flöten
Marcel Derix – Bass
Eddie Mulder – Gitarren, Gesang
Koen Roozen – Schlagzeug
Edo Spanninga – Keyboards

Setlist:
1. Russian Roulette
2. For Starters
3. Maureen
4. Don’t Forget Us
5. Old Shoes
6. Mantova
7. Silent Stranger
8. Garden Of Dreams
9. Year After Year
10. Sleeples Night
11. Limestone Rock

The Watch
Besetzung:
Simone Rossetti – Gesang, Flöten
Ettore Salati – Gitarren, Basspedale
Roberto Leoni – Schlagzeug, Perkussion
Marco Schembri – Gitarren,Bass
Sergio Tagleoni - Keyboards

Setlist:
1. Damage Mode
2. Shining Bald Heads
3. My Ivory Soul
4. And The Winner Is
5. Tomorrow Happened
6. The Vacuum
7. DNAlien
8. Heroes

Pendragon
Besetzung:
Nick Barrett – Gitarre, Gesang
Pete Gee – Bass
Clive Nolan –Keyboards
Fudge Smith - Schlagzeug

Setlist:
Intro – Believe
No Place For The Innocent
As Good As Gold
The Wishing Well
Nostradamus
Leviathan
Circus
Alaska
Please
Paintbox
Breaking The Spell
Master Of Illusion

Zugaben
Medley (Lost Children / Sister Bluebird / ...)
2AM
Stan & Ollie


Wolfgang Kabsch



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