Interessierten Fans wird es nicht entgangen sein, dass die Kürbisse auf fast jeder CD einen oder zwei Tracks haben, die
einen mehr oder weniger eindeutig christlichen Inhalt haben. Wie passt das mit einer Band zusammen, die die Hölle schon im
Namen trägt? Bevor Helloween auf die Bühne des Halford kraxelten, habe ich die Gelegenheit genutzt, Markus
Grosskopf einige Fragen zu stellen, die mich in diesem Zusammenhang schon seit Jahren beschäftigen.
Nachdem wir (Zu meiner geistig-moralischen Unterstützung war Neu-Redakteur Niels Nielsen an meiner Seite.) es uns mit
Markus und dem neuen Drummer Stefan Schwarzmann (Ex-Running wild) in einem abstellraumartigen Gelass neben den
Halford-Toiletten gemütlich gemacht haben, geht es ran an den Feind. Zuerst wurde der langmähnige Gitarrist mit den
engagierten Texten seiner Band konfrontiert. Denn von Anfang an haben sich Helloween in relativ deutlichem
Abstand zum „evil“ Image des Metal bewegt. Klammert man mal Texte wie „Steel Tormentor“, „Heavy Metal
Hamsters“ oder „Heavy Metal is the Law“ aus, haben vor allem die frühen Texte fast durchgehend eine sozial
engagierte Ausrichtung, sind inhaltsschwer, fast ethisch moralisch. Ist das eine bewusste Abgrenzung von den üblichen Metal
Klischees?
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Eine Stunde nach dem Interview schwitzt Markus Großkopf auf der Bühne des Halford. Foto: von Fransecky |
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MG: Wir wollten uns auf alle Fälle irgendwie vom Metal Klischee entfernen und was anderes machen. Man kann dann ja auch vieles verbinden. Wenn Leute Metal Klischees machen, egal ob Blind Guardian, Judas Priest oder Grinder, dann ist das überzeugend, so wie die das machen. Aber warum soll man das noch mal machen? Und wir machen uns schon Gedanken über das, was wir machen.
Wir haben ja mal angefangen mit extrem schnellen Sachen, die aber trotzdem noch tierisch viel Melodie hatten. Da hatten wir die Twin Guitars dabei. Und dann haben wir sogar noch mit Keyboards angefangen und Chöre eingesetzt. Und das klingt dann ja schon ziemlich groß. Da muss dann auch der Text passen. So “Eagle fly free“ ist ja sehr pathetisch. (Macht entsprechende Töne.)
Ihr macht euch über die Metalklischees ja auch durchaus lustig. Wenn ich mir eure Cover angucke, zum Besipiel die “Dr. Stein-Single oder die Better than raw, dann sind das ja auf der einen Seite typische Metal-Cover, die aber mit den grinsenden Kürbissen ein wenig merkwürdig wirken.
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In Frankensteins Labor ("Dr. Stein", Single 1988) oder in der Hexenküche (Better tha raw, 1998) -
Helloween spielen mit den Metal-Klischees. |
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MG: Wir machen uns ja auch über uns selber lustig,.
SS: Das ist - glaube ich - auch das Wichtigste, das man das noch kann, selbst über die Jahre. Und das kommt auch so rüber. Wenn du als Beispiel den „Schlachtruf“ der Fans näher betrachtest, dieses „Happy, happy Helloween“: Ich meine, das sagt doch schon alles.
Ich hab auch immer das Gefühl gehabt, dass Helloween eine sehr positive und freundliche Ausstrahlung auszeichnet, bei aller Härte und Schnelligkeit, die ihr ja immer gehabt habt.
MG: Das war schon so die Idee. Mist erlebt jeder genug, Es gibt ja viele Bands, die machen sehr depressive Texte und dunkle Musik. Aber wenn wir raus gehen und die Leute entertainen wollen, dann haben wir keine Lust, sie noch schlechter drauf zu bringen, als es manche vielleicht eh schon sind, weil im täglichen Leben der Frust da ist. Was passiert nicht alles um einen rum. Da wollen wir doch eher mit positiven Nachrichten etwas Spaß rein bringen, oder – ja, Hoffnung.
Die dunklen und problematischen Seiten des Lebens sind ja auch nicht ausgeblendet. Über einen Text, bin ich richtig gestolpert, nachdem ich mir die Keeper II gekauft habe. Das war “Save us“. Ich bekam den Text nicht ganz mit dem Namen Helloween zusammen, der ja voll ins Metalimage passt. Das Gespensterfest wird auch noch teuflisch in „HELL-oweenl“ verändert.
MG: Das kannst du aber auch als HELLO-ween lesen.
Stimmt! Und wenn man sich den Text genau ansieht, rutscht man sowieso in eine ganz andere Richtung. “Save us“ enthält eine Passage, die man ganz klar als selbstgeschriebnes Glaubensbekenntnis bezeichnen muss. Und das Stück im Ganzen könnte man fast als komplette Kurzandacht betrachten.
MG: Da kannst du noch anderes von uns haben. Es gibt sogar einen lateinischen Song, “Laudate Dominum“. Da hat Weiki sein eigenes Laudate (deutsch: „Lobet den Herrn“; Teil der traditionellen katholischen Messe; NvF) schreiben wollen. Das hat er dann auch gemacht. Hat er sich von seinem damaligen Lateinlehrer irgendwie mit übersetzen lassen. Und das haben wir dann auch gemacht. Das ist auch ein Glaubensbekenntnis. Sogar ein noch viel stärkeres.
Sind Helloween denn eine christliche Band?
MG: Ich weiß, dass Weiki Christ ist. Ich bin auch Christ und Andi auch. Darüber hinaus weiß ich es nicht. Wir haben ja zwei Neue. (Stefan Schwarzmann, Drums, seit Februar. Sascha Gerstner, Gitarre, war bereits bei den Aufnahmen zu Rabbit don't come easy dabei.)
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Auf dem Interview und auf der Bühne - ein wenig im Hintergrund setzt Stefan Schwarzmann, der Bayer in Hamburger Diensten,
pointierte Akzente. Foto: von Fransecky |
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SS: Römisch-katholisch. Ich bin Bayer. (Allgemeines Gelächter) Aber ich bin einer. Ich habe auch kirchlich geheiratet. Wenn ich keinen Glauben hätte, dann wäre das auch nicht von Nöten gewesen.
MG: Ich hab das auch aus Überzeugung gemacht.
SS: Also das war nicht, weil das jemand erwartet hat, die Verwandtschaft oder so, sondern kam, wie Markus schon sagt, aus Überzeugung.
MG: Ich geh halt jetzt nicht in die Kirche oder so. Ich war bei meiner Hochzeit in der Kirche, und seitdem nicht wieder. Ich guck mir auch mal eine Kirche oder einen Dom an, wenn ich irgendwo bin. Aber man kann auch anders glauben. Und solange man an was glaubt, dann gibt das allem irgendwie einen Wert.
Aber wenn ich mir die Helloween-CDs durchgucke, finde ich so gut wie keine CD, auf der ich nicht mindestens einen Text finde, in dem der Glaube erwähnt wird – und zwar in sehr positiver Weise, zum Teil sogar mit recht eindeutig christlichem Sinn.
MG: Das ist unsere Art mit dem Glauben und mit diesen positiven Geschichten umzugehen. Wir sind keine christliche Band in dem Sinne, dass wir den Glauben unbedingt weiter tragen wollen. Wir gehen nicht auf die Bühne und sagen „Glaubt alle an Gott“ Wir sind keine Prediger. Aber das ist schon irgendwo drin, und du kannst dir was raus ziehen, wenn du willst. Das ist dann immer so in Hoffnung verpackt, wie Andi und Weiki das so schreiben. Und das Entertainment ist natürlich auch noch dabei.
Also nicht die deutschen Stryper.
MG: Nee, das nicht; nicht so extrem.
Weil mich dieser Bereich sehr interessiert, habe ich Bands wie zum Beispiel P.O.D. intensiv verfolgt. Und mir ist aufgefallen, dass in deren DVDs oder Interviews das Christliche in der Selbstdarstellung fast gar nicht auftaucht. Ich weiß nicht, ob das eine Auflage von Warner ist, oder warum sie das nicht tun,....
MG: Wieso? Was ist denn damit? Die Band kenne ich nur so als Namen.
P.O.D. sind eine ganz eindeutig, und sogar recht fromm ausgerichtete christliche Band.
MG: Und die halten das gerade deswegen raus, oder was ?
Ich habe das erst mal nur festgestellt. Früher waren sie bei einem christlichen Label und sind vor zwei CDs bei Warner gelandet – und zumindest seitdem höre ich von denen in Interviews nichts Frommes. Auf der gerade erschienen zweistündigen DVD gibt es nur zwei, drei Stellen, an denen du an einem Satz etwas merkst. Da muss wohl imagemäßig was hinter stecken.
MG: Aber das machen ja viele Bands. Die haben zum Beispiel politische Aussagen. Aber weil sie Entertainment wollen, sagen viele, das hat dann da nichts zu suchen. Obwohl gerade Musik oder Kunst immer auch ein Ausdruck sein sollte für oder gegen irgend etwas.
Seid ihr eigentlich schon irgend wann mal auf diese christlichen Texte angesprochen worden.
MG: Ja öfter mal.
Mir ging es bei Helloween allerdings nicht anders als bei P.O.D.. Über eure christlichen Texte habe ich bisher nie etwas gelesen. Mir ist noch nie aufgefallen, dass da mal jemand nachgehakt hätte.
MG: Ach das haben schon einige getan. Es ist nicht die Regel. Die Interviewer konzentrieren sich mehr auf die musikalischen Inhalte und auf anderes, aber ich wird schön öfter mal drauf angesprochen.
Als ich mir letzte Woche alle Helloween-Texte noch mal von A- Z durchgelesen habe, habe ich mir hinter die Texte mit christlichen Inhalten ein kleines Zeichen gemacht, wer sie geschrieben hat und war erstaunt, dass auch Andy Deris, der ja erst später zu Helloween kam, auch christlichen Gedanken eingebracht hat. Da taucht natürlich die Frage auf, ob ihr damals nach jemandem gesucht habt, der auch in dieser Hinsicht in die Band passt.
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Auch "Neu"-Zugang Andi Deris reiht sich ein in die Riege der christlich inspirierten Texter bei Helloween. Foto: von Fransecky |
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MG: Ne, wir haben jetzt nicht gesagt: Helloween suchen einen Christen. Da sind wir erst mal gar nicht drauf gekommen. Ich meine, wenn du so gemeinsam rum hängst, dann merkst du auch, wie die Leute so drauf sind, und was irgendwie dahinter steckt.
Ich meine, nett, gut sein, das kommt ja auch irgendwo her. Wenn man erst mal Leute findet, die in Ordnung sind, dann geht das schon irgendwie in eine Richtung, die bei uns auch passt, ohne direkt zu fragen, woran glaubt du denn jetzt.
Du hattest ja vorhin auch schon gesagt, dass das christliche Thema bei euch nicht so bestimmend ist, dass man zum Beispiel bei neuen Mitglieder besonders darauf achten würde.
MG: Ich meine, es käme kein Satanist in die Band. Das würde dann wiederum auch nicht funktionieren. Aber sofern das nette Leute sind und wir miteinander klar kommen, denn ... Ja, mein Gott, wenn der dann nicht glaubt,....
Kommen wir zu einem Thema, das vielleicht ein wenig kitzelig ist. Zwei Leute, die von Anfang an dabei waren, sind ausgestiegen und haben sich danach weltanschaulich ziemlich deutlich positioniert. Zum einen Michael Kiske, der nach seinem Ausstieg ein etwas merkwürdiges Buch geschrieben hat, das sich inhaltlich zwischen Esoterik und Antimaterialismus positionierte.
MG: Ja ja, das war so eine Art Manifest.
Es sah auch aus, wie ein politisches Traktat aus den 70ern. War das eine thematische Spannung zwischen euch, die zu der Trennung geführt hat.
MG: Ich glaube ja. Er war schon sehr extrem in seinen Sachen, die er dann plötzlich irgendwie aus irgendeinem Grund angenommen hatte. Dann wurde er plötzlich Vegetarier, und dann auch gleich so vegetarisch, dass er dir deinen Hamburger, den du gerade gegessen hast, unter Umständen madig machen konnte, und so weiter.
Und dann war das auch so eine Sache mit seinem Glauben. Ich meine, er hatte einen starken Glauben. Und diese esoterische Geschichte hat ihn wohl auch beeinflusst, irgendwelche Musik so oder so zu machen. Da gab's schon hier und da mal. Ja! Er hat halt plötzlich angefangen, ganz anders zu denken.
Und eine Unduldsamkeit zu entwickeln?
MG: Am Anfang ja. Nachher, als er gesehen hat, das er damit nicht weiter kommt, weniger. Ich meine, er soll die Leute so lassen, wie sie sind. Wenn ich irgend was mache, muss ich doch nicht auch andere super dazu anstiften, dass sie das genauso zu machen haben. Und das hat er ein bisschen drauf gehabt. Es hat sich nachher aber gegeben. Das war auch nicht der Grund, warum er weg ist. Es gab einfach auch zu viele musikalische Differenzen.
Er kritisiert in seinem Manifest ja auch ganz massiv, dass die Metal-Musik die Seele des Menschen nicht genug erhebt.
MG: Also so ein Manifest über das Leben an sich zu schreiben, in so einem Alter, das finde ich schon so ein bisschen....
Ich meine, was hat man schon erlebt, mit 20 oder 25 oder so, dass man da ein Manifest ans Leben schrieben kann. Wenn man irgendwann mal 60, 70, 80 ist und alles, worüber man da schreibt, schon gemacht hat, .... Es gibt Leute, die haben alles gehabt und kommen dann irgendwann mal drauf, dass sie ins Kloster gehen und dann so was schreiben. Dann finde ich das glaubwürdig, weil die aus Erfahrung sprechen.
Der zweite Aussteiger, auf den ich dich ansprechen wollte, ist Kai Hansen. Wenn man sich die Gammay Ray-Scheiben ansieht, entdeckt man immer wieder das taoistischeYing-Yang-Symbol, das oft sehr dominant ins Artwork integriert ist. Gab es da auch mit ihm eine entsprechende Spannung?
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Ein typisches Gamma Ray-Cover. Die Band von Ex-Kürbis Kai Hansen liebt das Spiel mit dem YingYang-Symbol. |
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MG: In dieser Beziehung? In Glaubensfragen? Nein, eigentlich nicht. Das hat damit nichts zu tun gehabt. Ich weiß jetzt auch nicht, was in seinen Texten so drin stecke, weil ich dafür die Platten zu selten höre.
In den Texten habe ich auch noch nichts gefunden Es ist halt nur sehr auffällig, wenn man die Platten so sieht. Vor allem in der ersten Zeit, stand dieses Ying-Yang-Symbol im Zentrum fast jeder CD.
MG: Da kann ich nicht viel zu sagen. Ob er so eine Art Konzept hat und das in den Texten als kleinen roten Faden benutzt, oder ob das nur auf dem Cover ist, weiß ich gar nicht.
Ende der 70er hatte ich eine Phase, in der ich so gut wie keine härteren Sachen mehr gehört habe. Mitte der 80er kam das langsam wieder. Dann habe ich angefangen die Rock Hard zu lesen und erst mal eine Rolle rückwärts gemacht, bei dem was manche Musiker so von sich gaben. Es gab da ein massives Umwerten von negativ besetzten Werten. Satanistische Floskeln gehören fast zum Alltag. Was normalerweise negativ bewertet wird, wurde da plötzlich positiv besetzt.
MG: Ja, Ja und auch das wird dann auch so promotet. Es gibt ja Bands, die machen das wirklich ernsthaft und die wissen tatsächlich, wovon sie reden. Gibt es ja durchaus. Denen ist es ja auch völlig bewusst, was sie da machen und die haben vielleicht auch was damit vor. Und dann gibt es wiederum Bands, die finden das Klasse, machen das aber nur so und wissen gar nicht, ...
SS: Das sind Trittbrettfahrer. Die wissen eigentlich gar nicht was sie reden – also den wirklichen Inhalt und...
MG: ...was sie damit anrichten.
SS: ...auch was dahinter steckt, welchen Einfluss sie mit solchen Aussagen haben können.
MG: Und dann tragen sie ihr Kreuz verkehrt rum und denken, das sei cool. Aber das ist es irgendwie nicht.
Ich meinte jetzt gar nicht unbedingt nur die satanistische Ecke. Du hast auf vielen Covern einfach sehr positive Darstellungen von Gewalt und Brutalität. Teilweise geht das bis in die Sprache der Musikjournalisten: „Musik, die dir voll in die Fresse schlägt“ oder „Ein Sound, der dir die Rübe abmontiert.“ (Allgemeines Gelächter) Das sind Formulierungen, die mittlerweile fast zu Standardfloskeln geworden sind.
MG: Ja klar
Was eigentlich negativ besetzt ist, wird plötzlich positiv gewendet. Das fiel mir natürlich auch bei den ersten Helloween-Covern auf.. Wenn ich mir die „Helloween“ angucke, wo im Zusammenhang mit Jericho ein Monster Wälle einreist, dann spielt ihr ja auch mit dieser aggressiven Seite des Metals.
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Evil in the early Days. Auf dem Helloween-CD-Debut (1985) sind es nicht die Posaunen der Israeliten, die die Mauern von Jericho zu Fall bringen. Ein
Monster, das entfernt mit Iron Maidens Eddie verwandt zu sein scheint, muss die Schwerstarbeit leisten. |
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MG: Ja. Wir haben da auch schon mit kokettiert.
Auf der ersten Helloween haben wir auch Texte wie Murderer und so.
Oder Reptile.
MG: Das war irgendwie ein Spaßtext mit dem Ansatz von: „Chemie ins Kll und Welt verdrecken und irgendwann kriegst du das mal zurück in Form eines mutierten Monsters, das wir dann Reptile genannt haben.
Stichwort „Verantwortung“. Gibt es bei Euch eine Überlegung, wo ihr sagen würdet. An bestimmten Stellen, halten wir uns zurück mit den Texten, weil wir Verantwortung haben.
MG: Ja sicher! Wir schreiben halt das, von dem denken, dass wir es aus Überzeugung den Leuten so sagen können.
Wir haben ja unheimlich viel in der Richtung von „Eagle fly free“, „Fight for Freedom“ oder so. Und dann sind ja auch sehr persönliche Sachen dabei. Weiki schriebt über seine Erlebnisse mit Frauen.
Das fängt ja erst relativ spät an. Das erste Liebeslied ist auf der Chameleon.
MG: Du musst bedenken, wir mache seit 20 Jahren Platten. In 20 Jahren passiert ja auch was mit einem. Erst macht du dir nicht so viel Gedanken. Du machst dann deinen Kram. Das ist dann halt so ein bisschen Metal, was du da machst, und dann entwickelst du dich dann. In 20 Jahren passiert viel mit einem.
Irgendwann tauchen dann auch Kinder auf – auf der Time of the Oath, wenn ich mich richtig erinnere.
MG: Das war ja ein richtiges Konzeptalbum, das sich mit den Prophezeiungen Nostradamus' beschäftigt hat.
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Die einzige "christentumsfreie" CD von Helloween (The Time of the Oath, 1996) befasst sich mit den Prophezeiungen des Hellsehers Nostradamus. |
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Interessanter Weise auch das einzige Album, auf dem gar kein christlicher Texte zu finden ist. Da gibt es nur die ganzen Untergangsvisionen.
MG: Das war dann auch sehr anstrengend, die Platte zu promoten. Die ganze Promotour bestand daraus, diese Nostradamus-Weissagungen zu beschreiben. Das hast du dann zwei, drei Wochen lang von Morgens bis Abends gemacht. Das zieht dich natürlich übel runter. Andi hatte sich das Konzept ausgedacht, weil er solch Bücher gelesen hat.
Das passte damals ja auch gut in die Zeit - so kurz vor dem Jahr 2000.
MG: Ja Ja.
Zurück zu Helloween! Mich würde natürlich auch interessieren, ob eure Nähe zum christlichen Glauben aus einem Gemeindekontext heraus entstanden ist.
MG: Ich bin in einer christlichen Jugend gewesen. Meine Mutter hat mich mal zu so einem Hof geschickt, weil sie keine Kohle hatte, um uns Kinder einen Urlaub zu bezahlen. Und das war eine christliche Veranstaltung. Und es gab eine christliche Gruppe, die das alles gemacht und geleitet hat. Da habe ich dann auch meine erste Band kennen gelernt und hab mit denen Punk gemacht.
Und da wurde vor dem Essen, also vor jeder Mahlzeit, erst mal Andacht gemacht und gebetet. Ich hab mich mit meinem Bruder natürlich erst mal fürchterlich kaputt gemacht und darüber gelacht.
Das hatte natürlich immer unheimlich lange gedauert, bis du da zu deinem Frühstück gekommen bist. Und während dann noch die Andacht und das Beten lief, haben wir immer gestöhnt, bis dann irgendwann geschrieen wurde: „Guten Hunger und haut rein.“ Und dann haben sie gegessen und wir haben uns darüber kaputt gelacht als Neulinge. Da waren wir so 13, 14 und wir wussten davon noch nicht so viel. Und wir haben gelacht, bis die dann gesagt haben: „Dann macht ihr doch mal ne Andacht und denkt ihr euch doch mal was aus, wenn ihr das besser könnt.“
„Ja klar, machen wir doch,“ haben wir gedacht. Wir werden schon sehen, dass wir schneller zu unserem Frühstück kommen. Aber wir sind dann drauf eingegangen und haben am nächsten Tag gesagt „So heute machen wir mal die Andacht. Die haben uns gebeten, dass wir das mal machen und dann haben wir uns das halt n bisschen ausgedacht.“ Und dann haben wir gesagt „Lieber Gott, Amen. Guten Hunger, haut rein!“ (Allgemeines Gelächter)
Aber wir haben uns wenigstens hingesetzt und zumindest das gemacht. Und dann hat sich das so weiter entwickelt. Man viel Gemeinschaftsgeschichten kennen gelernt, weil die Ausflüge gemacht haben und Nachtwanderungen in den Wald. Dann sind sie mal in die Parks gefahren und irgendwann war das relativ normal und man ist da immer hingefahren bis man sich halt nicht mehr kaputt gelacht hat. Ich muss auch sagen: Die haben da sehr viel Geduld mit uns gehabt.
Da hab ich schon viele gemeinschaftliche Sachen erfahren und erlebt und mitgemacht. Bei Weiki war das anders. Der war auf einer katholischen Jungenschule. Da ist er damit groß geworden.
SS: Ich war in dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin – nur als Beispiel – in beiden Jugendgruppen drin, also einmal im CVJM; (Christlicher Verein junger Menschen; NvF) Das war evangelisch geprägt; Und einmal in der KJG, also in der katholischen Jugend. Und das ging - problemlos! Ich war in beiden drin, weil ich eben die Freunde so verteilt hatte. Und das war kein Problem. Ich war auch Ministrant.
Darum kenne ich da auch keine Berührungsängste.
Wenn man ein so positives Verhältnis zum Christentum hat, wie geht man dann mit einer Szene um, zu der ihr ja als Metal-Musiker gehört, in der das Thema, wenn es überhaupt angesprochen wird, häufig mit einem satanistischen Zugang behandelt wird – bis dahin, dass in bestimmten Metalkreisen zumindest in den Texten zum Abmetzeln von Christen aufgefordert wird. Ist das für euch kein Problem?
SS: Da habe ich ein völliges Unverständnis bis – Angst. Ganz ehrlich! Weil ich dazu keinen Bezug habe. Ich kenn auch niemand, der jetzt irgendwie in satanistischen Kreisen abhängt – aus welchen Gründen auch immer. Darum kommt hier auch die Angst ins Spiel, denn Angst hast du immer nur vor den Sachen, die du nicht kennst.
Wenn ich dann sehe, was da teilweise getrieben wird von Friedhofsschändung über - wie es ja in Skandinavien passiert ist - Kirchen anzünden, dann habe ich Angst, weil ich nicht weiß, wo dann da der Härtegrad bei den Herrschaften liegt. Was kommt dann als Nächstes - wenn ich schon so weit bin, über die schwarzen Messen hinaus, wie immer die aussehen. Also wenn die wirklich bereit sind, Menschenleben zu riskieren oder zu opfern oder auch Kirchen anzuzünden und sich dazu bekennen, dann weiß ich nicht, was als nächstes kommt. Und weil es mir so fremd ist, geht meine Angst damit einher.
MG: Also es gibt da einige, die nehmen das sehr ernst und führen das auch irgendwie durch.
Aber das Christentum an sich ist für mich gar nicht immer so, wie manche sich das vorstellen, die das gar nicht richtig kennen oder auch ablehnen. Das zeigt sich ja daran, wie du im täglichen Leben miteinander umgehst, ja viel mehr, als wenn du einmal die Woche in die Kirche gehst. Wir sind ja ständig mit Leuten zusammen. Wir leben monatelang ganz eng auf dem Bus zusammen und haben nur alle paar Tage mal ein Hotel mit einem Zimmer. Jetzt sind wir sogar mit drei Bands unterwegs. (Rage, Mob rules, Helloween; NvF) Da sind wir immer eng auf einem Haufen und da zeigt sich so was irgendwie im täglichen Umgang.
Da kenne ich Leute, die sind Christen, ohne das sie das wissen, die gar nicht sagen sie seien Christen. Aber die verhalten sich halt unheimlich klasse und das ist doch irgendwie total geil, wenn du so was dann siehst.
Norbert von Fransecky
Alle Fotos wurde bei dem Konzert im Halford aufgenommen. |