(31.10.2002, Bad Rappenau)
Was unternimmt der moderne Mensch so an Halloween 2002 ? Entweder er
schliesst sich in seiner Wohnung ein, zieht alle Vorhänge zu und verhält sich
unauffällig, um von den nach Süssigkeiten lechzenden Kiddies verschont zu werden
oder er lebt seinen geheimen Fetisch aus, verkleidet sich als Person die er
immer sein wollte und trainiert alkoholtechnisch schonmal fürs nächste Karneval
auf einer der unzähligen trendy Halloweenparties. Wir haben es jedoch
bevorzugt uns an diesem Tag einer ganz andere Art der Abendgestaltung hinzugeben,
die es ermöglichte verkleideten Menschen zuzusehen ohne sich selbst zum Affen
zu machen. J.B.O gastierten bei dem zweiten Gig der "Rosa Armee Fraktion"-Tour
in Bad Rappenau und wir waren natürlich für euch live vor Ort.
Auf dieser Gastspielreise durften für die Meister der Musik ortsbedingt
diverse, stilistisch völlig unterschiedliche Supportacts eröffnen und in der
Mühltalhalle zu Bad Rappenau wurde DAMN`NERO diese Ehre das erste Mal zuteil. Der
im rustikalen Südstaatenlook gekleidete Vierer, bei dem nur der Gitarrist
optisch nicht zum Bandgefüge passen wollte, bot dem anwesenden Publikum
rifforientierten, erdigen Hardrock ganz im Stile von AC/DC und man hatte fast den
Eindruck ein paar noch nicht veröffentlichte Tracks der Australier zu Ohren zu
bekommen. Diesen Eindruck untermauerten die Franken mit einer Coverversion
von "Let There Be Rock" und wurden zwar nicht mit stürmischen Zugaberufen,
jedoch mit wohlwollenden Beifall verabschiedet, was anhand des zum Headliner
nicht unbedingt kompatiblen Sound durchaus als Erfolg gewertet werden kann. So
konnten sich die Jungs schon mal wohlgemut für die After-Show-Party herrichten,
die laut J.B.O-Hannes traditionell im Hotelzimmer der Vorband stattfindet
und auch Vito, der den Gig sozusagen inkognito beobachtete (man erkennt ihn
einfach nicht, wenn er keine rosa Klamotten trägt und sein blondes Haar unter
einer Mütze versteckt), durfte mit dem Auftritt seiner fränkischen Nachbarn
zufrieden gewesen sein.
Anschließend wurde die Bühne mit einem grossen schwarzen Vorhang abgedeckt
und nach einer ungewohnt kurzen Umbauphase gab man den Blick auf die Bretter
die die Welt bedeuten frei, damit die vier Verteidiger des Blödsinns mit "Mei
Alde Is Im Playboy Drin" loslegen konnten. Einen besonderen Grund für diese
Geheimnistuerei gab es aber nicht zu entdecken, denn die Marshall-Boxen waren
rosa wie immer, das beleuchtete J.B.O-Logo war auch wieder vorhanden und
höchstens am neuen Bühnenoutfit von Vito, Hannes und Co. konnte man eine
Änderung ausmachen. Im Look dieser, aus dem aktuellen CD-Booklet bereits bekannten,
rosafarbenen Tarnanzügen ist auch das aktuelle Tourshirt gehalten mit dem
sich zahlreiche Fans freiwillig kleideten. Für mich jedoch gehört dieser Fetzen
Stoff ohne Gnade in die Sparte optischer Vergewaltigungen.
Ansonsten wurde es selbst für Fans die J.B.O schon unzählige Male live
bestaunen durften niemals langweilig, denn neben den zwei schon auf den Festivals
dargebotenen aktuellen Songs "Arschloch und Spass dabei" und "Ich will Lärm"
wurden sage und schreibe noch fünf weitere Stücke des zu dem Zeitpunkt fast
pressfrischen "Rosa Armee Fraktion"-Albums am Start. Auch an ein neues
J.B.O-Mitglied mussten sich die Fans gewöhnen, denn Frontclown und Tourmanager
Marcus hatte den rosa Tross dieses Jahr verlassen und so wurde ein neuer Mann für
die gelungene kabarettistische Untermalung fast aller Songs fällig, der seine
Sache zur vollsten Zufriedenheit der anwesenden Personen erledigte.
Rosa Stimmungsklassiker wie z.B. "Ein Fest", "Ich Sag J.B.O", das
"Kuschelmetal"-Medley waren selbstverständlich auch in Hülle und Fülle vorhanden und um
den Fans eine kleine Verschnaufpause zu gönnen, spielte Vito ohne seine
Bandkollegen und nur mit einer Akkustikgitarre bewaffnet die textlich geniale
Ballade "Ich Glaube Du Liebst Mich Nicht Mehr". Leider wurden schon da erste
Probleme mit ebenjener Klampfe hörbar, die bei "Ein Guter Tag Zum Sterben", noch
massiver wurden, was die Fans jedoch nicht störte, da sie sich voll darauf
konzentrierten traditionell den kompletten Text auswendig zu singen und wieder
einmal ein angenehmes Gänsehautfeeling hervorzurufen. Ganz so textsicher wie
seine Jünger präsentierte sich Vito jedoch heute nicht, da er die Hälfte
einer Strophe in diesem Song einfach übersprang, was Hannes zu dem leicht
ironischen Kommentar hinriss, das man dem armen Vito das einfach verzeihen musste,
da die Franken dieses Stückchen erst seit kurzem im Programm haben. Exklusiv
jedoch nur für diesen Auftritt spielte die Band als kleinen Halloween-Gag
"Dr.Stein" von den fast gleichnamigen Metal-Kürbisköpfen passend zu diesem
besonderen Datum an. Was aber ein ewig langes Schlagzeugsolo von Neuzugang Wolfram
in einem J.B.O-Gig zu suchen hatte, leuchtete mir nicht ein, denn
schliesslich wollte man sich amüsieren und nicht Schlagzeugkünste alà Dream Theater
bestaunen.
Wie gewohnt beinhaltete die Zugaberunde "Schlaf Kindlein Schlaf",
"Verteidiger des Blödsinns" und natürlich die Bandhymne J.B.O., bei der die Initialen
der Band aus Gummi überdimensional aufgeblasen wurden, damit auch die letzte
Person in der Halle wusste welche Band nach knapp zwei Stunden Wohltat für
Augen&Ohren unter einem Konfetti-Regen mit tosenden Beifall verabschiedet wurde.
Halloween 2003 auch mit J.B.O ? Warum nicht - Lustig wärs wieder auf alle
Fälle.
MANUEL LIEBLER
Internet: www.jbo.de