Monteverdi, C. u. a. (Orlinski, J. J.)
Beyond
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Info |
Musikrichtung:
Barock / Oper
VÖ: 06.10.2023
(Erato / Warner Classics / CD / DDD / 2022 / Erato 505419776453)
Gesamtspielzeit: 82:18
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DIESSEITS
Countertenor Jakub Józef Orlińskis verspricht dem Publikum mit „Beyond“, so der Titel seines neuen Albums, eine Reise an Orte „jenseits der Orte, die Sie kennen“.
In der Tat: Diese Reise durch die italienische Oper des 17. Jahrhunderts führt über diskographisch gut erschlossene Stationen wie Claudio Monteverdi, Girolamo Frescobaldi und Francesco Cavalli, nimmt darüber hinaus aber vor allem viele weniger bekannte Ländereien in den Blick. Dank der unermüdlichen Bibliotheks-Expeditionen des Musikhistorikers Yannis François finden sich auf diesem gut abgestimmten Parcours auch Vokalwerke von (um nur einige zu nennen) Claudio Saracini, Carlo Pallavicino, Pietro Paolo Cappellini oder Giovanni Cesare Netti, ergänzt um manch instrumentales Fundstück. Im Ganzen ergibt sich ein kurzweiliger Trip durch alle möglichen Situationen und Affektlagen: tragische, heroische, wahnsinnige, verliebte, komische … das große barocke Welttheater, komprimiert in rund 80 Minuten.
Ob man das freilich gleich als „Jenseitsreise“ labeln muss? Wenn man auch nur etwas italienische Vokalmusik dieser unglaublich produktiven Epoche im Ohr hat, dann wird man hier zumindest keine grundsätzlichen Überraschungen erleben, freilich wieder viel Schönes im Detail entdecken können.
Dafür sorgt schon die Fantasie der begleitenden improvisationsfreudigen Instrumentalist:innen. Ohne die urigen Orgelklänge beziehungsweise das prickelnde Schlagwerk wären Cappellinis Tarantella „Chi vuol ch’ll cor gioisca“ oder Nettis komische Arie „Quanto più da donna invecchia“ nur der halbe Spaß. Von Netti stammt übrigens auch „Son vercchia, pazienza“, ein bemerkenswert versonnenes Stück, das ebenso wie das andere von einer komischen Figur, einer alten Amme, gesungen wird. Diese gehört zum Inventar der frühen italienischen Barockoper und wurde oft von einem Mann interpretiert, weil derlei Travestie die Komik erhöhte.
Orlińskis schlüpft in diese Rolle ebenso selbstverständlich wie in die des denkbar weit davon entfernten tragischen Ottone in Monteverdis Poppea-Oper, dessen Monolog das Programm eröffnet. Bereits hier setzt der Sänger die Marke für das, was folgt: Technisch ist seine Stimme wieder perfekt durchgeformt; bruchlos verbinden sich die hohen und tiefen Register, mühelos gelingt das Messa die Voce, auf den Punkt genau sitzen in späteren Stücken auch die schnellen Läufe und Triller.
Eine Einschränkung ist die über weite Strecken relative Einfarbigkeit von Orlińskis gewiss schöner, in der Höhe etwas verhangener Counter-Stimme: Der Ambitus des Timbres ist begrenzt und irgendwie schein der Sänger auf Farben des "melancholischen Jünglings" festgelegt. Dies ebnet beim besagten Ottone-Dialog den verliebt-schwärmerischen Beginn und die schmerzvolle Enttäuschung Angesichts der Untreue der Geliebten zu sehr ein. Orlińskis bleiben im Wesentlichen dynamische Schattierungsmöglichkeiten, um den Ausdruck zu gestalten. Auch in den Arien der Amme markiert er einige „Schrägheiten“ des Charakters eher, als dass er sie wirklich plastisch ausgestaltet oder gar verkörpert.
Am schönsten kommt seine Stimme dann zur Geltung, wenn er die sanfte Süße seines Tons ausspielen kann, wie beim getragenen „Lunig dai nostri cor“ von Sebastiano Moratelli, das mehr Innerlichkeit und weniger die große expressive Geste fordert. So bleibt der Sänger vor allem in den vielen musikalisch-dramatischen Situationen, die das Programm bietet, er selbst – aber für eine solch ambitionierte Reise mit Musik, die anders als die hochvirtuosen Arienkonzerte des 18. Jahrhunderts im Sprechtheater wurzelt, braucht es mehr Farben, mehr Ausdruck, mehr Mut zur Überschreitung.
Georg Henkel
Trackliste |
Claudio Monteverdi: E pur io torno aus »L'Incoronazione di Poppea«; Voglio di vita uscir
Johannes Hieronymus Kapsberger: Libro quarto d'intavolatura di Chitarone
Giulio Caccini: Madrigale »Amarilli, mia bella«
Girolamo Frescobaldi: Cosi mi disprezzate aus »Primo libro d'arie musicali per cantarsi«
Barbara Strozzi: L'Amante consolato aus »Cantate, ariette e duetti« op. 2
Francesco Cavalli: Incomprensibil nume aus »Pompeo Magno«
Johann Caspar Kerll: Sonate für 2 Violinen & Bc F-Dur
Claudio Saracini: Udite, lagrimosi spirti d'Averno (Le seconde musiche Nr. 1)
Carlo Pallavicino: Sinfonia aus »Demetrio«
Pietro Paolo Cappellini: Tarantella »Chi vuol ch'il cor gioisca«
Giovanni Cesare Netti: Arien aus »La moglie del fratello«; Quanto piu la donna invecchia & Son vecchia, patienza aus »L'Adamiro«
Antonio Sartorio: La certezza di sua fede aus »Antonino e Pompeiano«
Biagio Marini: La vecchia innamorata (Scherzi & Canzonette op. 5) (Instrumentalversion)
Ercole Bernabei: A battaglia, su, mio core aus »Il segreto d'amore in petto del Savio«
Adam Jarzebski: Tamburetta aus »Concerto a 3 voci & continuo« (instrumental)
Giovanni Battista Vitali: Kantate »Donde avvien che tutt' ebro«
Carlo Francesco Pollarolo: Come allor che piu densi...; Son tanto avvezzo a piangere aus »La Costanza gelosa negl'amori di Cefalo e Procri«
Sebastiano Moratelli: Lungi dai nostri cor aus »La Faretra smarrita« |
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Besetzung |
Jakub Józef Orlińskis, Countertenor
Il Pomo D’Oro
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