Gilles, J. (Armengaud, F.)
Messe des Morts (Requiem) u.a.
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Info |
Musikrichtung:
Barock / Geistliche Musik
VÖ: 06.10.2023
(CVS / Note 1 / CD / DDD / 2022 / CVS 104)
Gesamtspielzeit: 63:49
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AUF DEM WEG INS EWIGE LICHT
Als der aus der Provence stammende Komponist Jean Gilles 1705 im Alter von nur 33 Jahren starb, wurde eine von ihm selbst komponierte Totenmesse uraufgeführt. So will es zumindest die Legende. Nachdem angeblich die ursprünglichen Auftraggeber wegen zu hoher Aufführungskosten davon zurückgetreten waren, soll Gilles verfügt haben, dass das Werk bis zu seinem Tod unter Verschluss bleiben und erst bei seinem eigenen Begräbnis als Requiem erklingen sollte. Ob das so stimmt, lässt sich kaum mehr eruieren. Nicht einmal eine Originalfassung dieser „Messe des Morts“ hat sich erhalten. Dafür avancierte sie in immer neuen Bearbeitungen zur meistgespielten Begräbnismusik des 18. Jahrhunderts in Frankreich, zu deren Klängen gekrönte und ungekrönte Häupter zur letzten Ruhe gebettet wurden.
Der Erfolg lässt sich leicht nachvollziehen: Mit seinem verlangsamten Marschrhythmus hebt der Introitus wie eine feierliche Prozession an, an deren Ende die Freude der Erlösten steht; wie ein Leitmotiv durchzieht diese ruhig und unbeirrt voranschreitende Figur die Komposition. Der Ton bleibt bei allem Ernst durchweg tröstlich, ist unsentimental und frei von Tragik. Diese Totenmesse verkörpert trotz der barocken Mittel den auf Ebenmaß und Wohlklang bedachten französischen Klassizismus so perfekt, dass das Werk geradezu zeitlos wirkt, jedenfalls auch in der Epoche der Aufklärung immer noch den richtigen Ton traf. Zumal Gilles darauf verzichtet hat, die Schrecken des Jüngsten Gerichts auszumalen: Das „Dies Irae“ hat er nicht vertont. Durchweg ist die Musik von der Hoffnung auf das ewige Licht durchdrungen. Daran konnte noch Gabriel Fauré mit seinem Requiem anknüpfen.
Auf der Basis der kritischen Edition des Centre de musique baroque de Versailles hat nun Fabien Armengaud, der neue Leiter des Chores „Les Pages et les Chantres“ des Barockzentrums, das Requiem von Gilles eingespielt, wobei der Orchesterpart von „Les Folies françoises“ beigesteuert wurde. Die Ensembles ergänzen sich sehr gut.
Frei von unangemessener Theatralik und Versuchen, die Musik irgendwie „interessanter“ zu machen, darf sich der lichte, melodiebetonte Satz von Gilles entfalten. Die vier stilistisch versierten Solist:innen, die den Vokalpart im Wesentlichen zu bestreiten haben, passen sich dem durch uneitle, gleichwohl ausdrucksvolle Darbietungen an.
Im Ganzen wirkt die Interpretation direkter und diesseitiger, auch emotionaler als die zweite Einspielung von Philippe Herreweghe, die inzwischen zwar über 30 Jahre alt ist, aber nach wie vor durch klangliches Raffinement und unerschütterliche meditative Ruhe für sich einnimmt. Armengauds Version hat einen geringfügig höheren, gleichwohl angemessenen Pulsschlag, was sich vor allem atmosphärisch bemerkbar macht: Die Musik geht bei ihm auf ein Ziel hin, das in Herreweghes vergeistigter Interpretation immer schon erreicht scheint.
Ergänzt wird das vorliegende Programm durch die Motette „Domine Deus Meus“, die unverkennbar von Gilles und in ihrer kunstvollen, unaufgeregten Manier ebenfalls sehr schön ist. Einige solistische Ensembles werden hier durch die sehr guten Kinderstimmen von „Les Pages et les Chantres“ bereichert.
Georg Henkel
Trackliste |
Motette "Domine Deus Meus"
Messe des Morts |
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Besetzung |
Eugenie Lefebvre, Clement Debieuvre, Sebastian Monti, David Witczak
Les Pages & Les Chantres du Centre de Musique Baroque de Versailles
Les Folies françoises
Fabien Armengaud, Leitung
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