Lieblingslieder 36: Ingo Andruschkewitsch / Matthias Claudius - “Kriegslied: ’s ist Krieg!“ Nein! Es ist kein Fehler, dass der Name unseres Kolumnisten Ingo nicht nur unter, sondern auch über dieser Kolumne steht. Normalerweise wählt der Mann mit der akustischen Gitarre seine Stück nicht zuletzt nach den Melodien aus. Das Lied dieses Monats hatte er wegen des Textes ausgewählt - und ihn selber vertont. Dass diese Kolumne in einem November erscheint dürfte kein Zufall sein. Das Lied wurde für eine Friedensdekade geschrieben - und die findet bekanntlich m November statt. Vor einigen Jahren hatte ich mich entschlossen, ein Konzert im Rahmen einer Friedensdekade zu geben. Ich war für den musikalischen Teil verantwortlich, ein Freund für den visuellen Part. Für mich war klar, dass ich möglichst wenige Lieder der Friedensbewegung spielen wollte, sondern vor allem Lieder aus dem Pop- und Rockbereich waren mir dabei wichtig. Einige der Lieder habe ich auch hier in dieser Kolumne vorgestellt (u.a. „Games Without Frontiers" von Peter Gabriel oder „War Pigs" von Black Sabbath). Den Rahmen sollten aber zwei Texte des deutschen Dichters Matthias Claudius bilden: zu Beginn sollte “Kriegslied: ’s ist Krieg!“ (1778) erklingen, zum Abschluss “Abendlied: Der Mond ist aufgegangen“ (ca. 1779). Zu letzterem gibt es die bekannte und wunderschöne Melodie von J.A.P. Schulz, doch für das “Kriegslied: ’s ist Krieg!“ fand ich keine für mich brauchbare Vertonung. Daher habe ich mich hingesetzt und eine eigene Vertonung geschrieben. Es wird eine Ausnahme in dieser Kolumne bleiben, eigene Kompositionen zu besprechen, doch ich habe mich aufgrund der aktuellen Situation in Nahost, in der Ukraine, im Jemen und in vielen anderen Konflikten weltweit dazu entschieden, dieses Lied und vor allem diesen Text zu Gehör zu bringen. Matthias Claudius glorifiziert in seinem Text “Kriegslied: ’s ist Krieg!“ den Krieg nicht, sondern er schildert ihn als sehr grausam und leidvoll. Die beiden Randstrophen beziehen eindeutig Stellung gegen den Krieg: ’s ist leider Krieg und ich begehre nicht schuld daran zu sein! Und der folgende Vers richtet sich direkt gegen die Herren, mit deren Gold und Ehre er nichts anzufangen weiß: „Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?“ In den mittleren vier Strophen schildert Matthias Claudius in drastischen Worten, wie hilflos er sich fühlt angesichts des Grauens, das da kommen könnte: Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen Und blutig, bleich und blaß, Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen, Und vor mir weinten, was? Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten, Verstümmelt und halb tot Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten In ihrer Todesnot? Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute, So glücklich vor dem Krieg, Nun alle elend, alle arme Leute, Wehklagten über mich? Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten Freund, Freund und Feind ins Grab Versammelten, und mir zu Ehren krähten Von einer Leich' herab? Musikalisch habe ich die Randstrophen mit einer eigenen, mehr kommentierenden Melodie versehen, die harmonisch auch schlichter gefasst sind. In den anderen Strophen habe ich auch einige ‚ungewöhnliche‘ Harmonien eingebaut (z.B. der Eb07-Akkord bei ‚Grämen‘), um den Text noch eindrücklicher zu untermalen. Und auch der Melodieverlauf ist etwas aufwändiger gestaltet, als in den Randstrophen. “Kriegslied: ’s ist Krieg!“ ist für mich ein Text, der leider immer noch so aktuell ist, wie vor etwa 250 Jahren als er geschrieben wurde. Matthias Claudius zeigt sehr klar, wie jeder Krieg tief in das Miteinander und in den einzelnen Menschen selbst eingreift. Daher ist mir der Text so wichtig, daher habe ich ausnahmsweise eine eigene Vertonung vorgestellt. Ein immer relevanter Text und eines meiner Lieblingslieder! Ingo Andruschkewitsch |
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