Max Raabe
Wer hat hier schlechte Laune
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2014 erschien das Live-Album "Eine Nacht in Berlin", im Studio war Max Raabe zuletzt 2017 ("Der perfekte Moment … wird heut verpennt", und vor 3 Jahren erschien die Veröffentlichung "MTV Unplugged". Und nun war es für den am 12. Dezember 1962 in Lünen geborenen Musiker wieder an der Zeit, sich ins Studio zu begeben. Mit Wer hat hier schlechte Laune liegt das aktuelle Ergebnis jetzt vor.
An der Musik des Protagonisten dürften sich schon seit langem die Geister scheiden, ist seine Musik doch stets recht ungewöhnlich gewesen, ja, und sie ist es noch. Raabe studierte Gesang mit einem Abschluss als Opernsänger , und 1986 wurde das Palast Orchester gegründet. Die Meisten werden sich sicher an den Song "Kein Schwein ruft mich an" aus 1992 erinnern. Bei diesem und anderen Stücken musste man unweigerlich an Musik der Comedian Harmonists denken, eben an Musik der Zwanziger und Dreissiger. Ja, es war erstaunlich, dass solch doch sehr altmodisch klingenden Songs erfolgreich waren, allerdings war diese, von Jazz inspirierte Musik seinerzeit letztlich auch Unterhaltungs- und Tanzmusik, insofern war es halt "retro", oder?
Letztlich kommt man nicht umhin, der Musik ihren gewissen fröhlichen Charakter zuzugestehen, und Klamauk war das mit Sicherheit nie, denn die hervorragenden Arrangements, spitzfindige Texte, mit denen man "Leuten aufs Maul schaute", und die guten Musiker ergaben diese unwiderstehliche Mischung, die einen hohen Unterhaltungswert darstellte. Und dieser fröhliche Charakter wird auch im Titel der neuen Platte aufgegriffen, Wer hat hier schlechte Laune programmiert uns sogleich auf das Programm der Songs, allein das Cover mit dem Spazieren geführten Zebra auf dem Zebrastreifen gibt bereits Anlass zum Schmunzeln. Im Booklet, im Übrigen mit allen Texten ausgestattet, sieht man Raabe dann auch noch mit dem Zebra Tee trinken.
Doch - es hat sich etwas verändert. Der Retro-Anstrich hat sich in gewissem Rahmen ein wenig gehalten, doch letztlich wurde die Musik modernisiert, wirkt mehr an Popmusik orientiert und das bisher im Vordergrund stehende Palastorchester und im Stile vergangener Tage musizierend, nimmt nun auf einigen Stücken eine weniger dominante Haltung ein. Sicher, Streicher und Bläser sind weiterhin Teil der Arrangements, doch gleichermaßen haben auch elektronische Bearbeitungen Einzug gehalten.
Doch mit dem Auftakt, "Der Sommer" wird zunächst einmal geswingt, ganz zart von der Rhythmusgitarre angetrieben und vom Streichern fein ummantelt. Doch schon der dritte Song, "Das mit uns könnte was werden", hier mit Bläserarrangement, schlägt in der Neuzeit ein. Das alte Feeling der Zwanziger/Dreissiger regiert hier nicht mehr, das ist moderne Popmusik mit Anflügen der Vergangenheit. Geblieben ist die Geschmeidigkeit der Texte, die Raabe wie einst souverän und mit teils verschmitztem Ausdruck vorträgt, immer mit Witz, auf den Punkt. (Der Kellner bringt den Kaffee, der kippt mir übers Knie. So gut ging's mir noch nie - Relativitätstheorie.)
Doch war Max 2017 noch mit dem Fahrrad unterwegs ("Fahrrad fahr'n") und radelte er auch auf dem Cover von "Eine Nacht in Berlin", so ist er nun mit "Strom" unterwegs, und zwar mit 180 Kilowatt durch meine Stadt. Ja, und dieser Song ist halt ganz anders, und fällt hinsichtlich des Arrangements aus dem Rahmen, der Titel wird dabei recht gut umgesetzt. Auch "Es wird wieder gut" weist elektronische Klänge auf, und aus dem Hintergrund meldet sich leise eine gedämpfte Trompete zu Wort, kann sich aber nicht durchsetzen.
"Die Liebe bleibt" startet wie die Filmmusik zu einem Film längst vergangener Tage, das hätten auch Marlene Dietrich oder Zarah Leander vortragen können, ein gemütlicher Song, herrlich nostalgisch und sehr romantisch. Mit dem Summen einer Hummel startet der gleichnamige Song, inhaltlich stoßen wir hier auf reichlich Wortwitz, stets in Verbindung mit der Tierwelt, so dass neben Hummeln auch Antilopen, Hirsche, Kängurus und verschiedene Affen vorkommen, das ist eigentlich ein typischer Raabe-Titel, wie man ihn grundsätzlich erwartet hätte.
Diese Mischung aus alter Spielweise und modernen Zurichtungen bestimmt letztlich die weiteren Songs, die alle etwas gemeinsam haben - sie können schlechte Laune vertreiben. Zurück in die goldenen Zwanziger führt uns dann noch einmal "Ein Tag wie Gold", der wohl am meisten vom Jazz jener Tage geprägte Titel, und den Abschluss bildet die Instrumentalversion von "Es wird wieder gut", sehr rhythmisch, mit dezentem Latino-Einschlag und leidenschaftlich umgesetzt, ein Beweis für die Klasse des Palast Orchesters.
Im Übrigen führte der Künstler selbst aus, wie es zum Titel der Platte kam: Das soll die Situation darstellen: Man kommt in die Küche, die Kinder sitzen am Tisch und haben schlechte Laune, weil es Rosenkohl gibt. Und dann singt die Mutter: Wer hat hier schlechte Laune? - und schon, ob sie wollen oder nicht, grinsen die Kinder. Und weiter: Alles, was auf dem Album zu hören ist, hat nie was mit dem zu tun, was man in der Zeitung liest oder in den Nachrichten hört, sondern es geht immer um das Durcheinander zwischenmenschlicher Beziehungen. Nun, diese Absicht wurde sehr professionell und niveauvoll inszeniert.
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Der Sommer
2 Wer hat hier schlechte Laune
3 Das mit uns könnte was werden
4 Strom
5 Es wird wieder gut
6 Die Liebe bleibt
7 Heute geht's los
8 Hummel
9 Irgendwas ist immer
10 Noch mal von vorn
11 Reise in das Glück
12 Ans Herz geh'n
13 Ein Tag wie Gold
14 Es wird wieder gut (Instrumental)
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Besetzung |
Max Raabe (Gesang)
Das Palastorchester:
Cecilia Criasfulli (Violine)
Thomas Huder (Trompete, Flügelhorn)
Martin Sander (Trompete)
Jörn Ranke (Posaune)
Johannes Ernst (Alt-Saxofon)
Sven Bährens (Alt-Saxofon, Klarinette)
Bernd Frank (Tenor-Saxofon)
Rainer Fox (Alt-, Bariton-, Bass-Saxofon)
Ian Wekwerth (Klavier)
Bernd Hugo Dietrich (Kontrabass, Sousaphon)
Ulrich Hoffmeier (Gitarre, Banjo)
Fabio Duwentester (Schlagzeug, Perkussion)
Annette & Inga Humpe (Chor - - #3, 10)
Nicola Kilimann (Chor - #3)
plus:
Swonderful Orchestra
Oriel Quartett (#8, 9, 12)
Horns
FAMES Orchestra (#13)
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