Genevieve Murphy

I Don’t Want To Be An Individual All On My Own


Info
Musikrichtung: Electronic / Spoken Word / Soundart / Fieldrecordings

VÖ: 1.10.2021

(Unsound)

Gesamtspielzeit: 55:47

Internet:

https://unsounds.bandcamp.com/
https://genevieve-murphy.com/
https://unsounds.bandcamp.com/album/i-don-t-want-to-be-an-individual-all-on-my-own


Die schottische Elektronikkünstlerin Genevieve Murphy veröffentlicht mit I Don’t Want To Be An Individual All On My Own ein außergewöhnliches Album. Ihre Kompositionen wurden bereits von vielen unterschiedlichen Ensembles interpretiert wodurch sie sich einen gewissen Status im Rahmen der neuen Komponisten erarbeitet hat.

I Don’t Want To Be An Individual All On My Own ist nun aber ein ganz anderes Werk. Es schildert ihre Kindheitserinnerung, explizit an den Tag ihres 8. Geburtstags. Sie schildert die Organisation und den Ablauf des aufwändigen Kindergeburtstags, bei dem ein Performing Artist auftritt, ein Tanzwettbewerb und andere Aktionen stattfinden - aus Sicht ihrer Mutter und sich selbst. Das klingt soweit vermutlich erst einmal nicht so spannend, aber durch die Art und Weise wie es inszeniert ist, wird es zu einem absoluten Hörerlebnis.

Große Teile des aus insgesamt 18 Stücken/Teilen bestehenden Albums sind reine Spoken-Word-Stücke, welche die Geschichte erzählen. Diese sind jedoch mit sehr skurrilen Geräuschen, die sich bis auf die Pumpenpfeife und einige Perkussionen nur wenig beschreiben lassen, untermalt oder durchsetzt. Mitunter kommen auch kurze Melodiefragmente auf (z.B. zum Tanzwettbewerb). Und was diese Untermalung so perfekt macht, ist dass widerkehrende Personen oder Situationen immer wieder mit demselben Geräusch oder Klang untermalt sind. Die Erzählstimme, mal original und mal verstellt (Tochter, Mutter) packt den Hörer auch und nimmt Ihn mit auf die Reise.

Was das Album letztlich aber perfekt macht, sind die eingebauten Musikstücke. Das fängt mit dem Opener “About To Turn 8“ an, welcher oberflächlich betrachtet ein Elektrostampfer mit pumpenden Beats ist. Durch eingewobene Sounds aus dem Keyboard bekommt das Stück jedoch einen leichten Elektrowave-Charakter und die Geräusche veredeln das Ganze. “Your feeling“ ist eine herrlich verschrobene Elektroballade im Stile der Flaming Lips und/oder Cocorosie. “Like Smoke“ bleibt an der Oberfläche ebenfalls eine elektronische Ballade, deren hymnischer Klang jedoch mit Blas- und Streichinstrumenten aufgewertet wird. Postrockig oder auch ein wenig Contemporary wird es in dem ruhigen “Living Emotions“. Eine tiefe Gitarre spielt eine sich langsam entwickelnde Melodie, sanfte Perkussion puckert dazu und die Sprechstimme wird von mystischer Elektronik umwabert.

“Before a decade“ bietet psychedelische Elektronik, die dann in einen schönen Wavepopsound übergeht. Schwebend gleitet das Stück begleitet von einem sanften, aber straighten programmierten Perkussionssound dahin. “Fort hem to fear us“ kommt dann völlig anders daher. Eine spröde Gitarre spielt wenige Klänge, im Hintergrund knarzt ein wenig Elektronik. So entsteht mit sehr wenig Perkussion ein wundervolles Postrock-Stück. Zu guter Letzt gibt es noch mit dem Bonusstück „Evelyne eine schwebende Elektronikballade, die ebenfalls sehr spartanisch arrangiert ist und trotzdem hymnisch wirkt.

Allein diese „komponierten“ Stücke sind den Kauf des Albums mehr als Wert, aber seine unglaubliche Wirkung erzielt dieses kleine Kunstwerk nur in Gänze gehört, am besten in einem abgedunkelten Raum über Kopfhörer.

Ein fantastisches Album!



Wolfgang Kabsch



Trackliste
1About To Turn 83:28
2Mother3:31
3Bushes Of The Unknown3:51
4The Music Room2:24
5The Cinema Room1:11
6Sitting In The Shadow Of The Bushes2:18
7Your Feeling4:18
8Grandad TJ1:57
9Grandma Evelyne2:13
10Like Smoke4:15
11Roll The Drunk3:03
12Living Emotions (Live)3:59
13Bedroom4:05
14Before A Decade5:11
15Time For Bed1:12
16For Them To Fear Us (Live)5:26
1717-Viewing One Image Of Us1:08
18Evelyne (Bonus Track)2:17

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