Gebhard Ullmann-Hans Lüdemann-Oliver Potratz-Eric Schaefer
mikroPULS
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Mikropuls, auch ein Begriff aus der Laser-Technologie, wodurch Behandlungszeit durch kürzere Expositionszeiten verkürzt werden können. Was hat das wohl mit der Musik der Herren Ullmann/Lüdemann/Potratz/Schaefer zu tun?
In den Liner Notes im Booklet, die von Wolfram Knauer verfasst wurden, äußert sich dieser zur chromatischen Organisation des Jazz, Intervallschritte unterhalb eines Halbtones seien selten, aber sie kämen vor. Auch wohl, weil im Jazz mikrotonale Ereignisse durchaus zur Tradition gehören. Hierzu lässt Knauer sich ausführlich aus, so dass ich empfehle, sich das genau durchzulesen. Oder ganz einfach unvoreingenommen an das heranzugehen, was einen erwartet bei dieser Platte des Quartetts.
Und das wirkt in der Tat zunächst ein wenig befremdlich. Mir schien es, als wäre das Piano verstimmt, jedenfalls klingt das zunächst genauso. Nebenbei fällt mir etwas Weiteres auf, nämlich, dass ich das Gefühl habe, diese Musik schon vor vielen Jahren einmal gehört zu haben, und zwar „aus der Ecke ECM“. Dieses freie Fließen, diese spielerische Gestaltung durch das Schlagzeug, dieses kratzende Saxofon, das an den frühen Jan Garbarek erinnert und der zupackende Bass.
Ullmann offenbart sich mit seinem Spiel als einer der derzeitig interessantesten Saxofonisten der deutschen Jazz-Szene. Dabei blieb der nun auch schon über sechzigjährige Musiker merkwürdigerweise eher im Schatten, trotz bisher einiger verliehener Auszeichnungen. Für mich bestimmt er den Sound dieser Platte, mikroPULS, recht prägend durch seinen individuellen Stil. Und dann das oft verstimmt klingende Piano, denn nur dadurch wird dieses „schräge“ Element des Mikrotonalen einbezogen, mitunter spüre ich dadurch auch eine Nähe zu Aufnahmen von George Russell aus den Sechzigern und Siebzigern.
Doch auch die Rhythmus-Sektion ist absolut wichtig beim Entstehen dieser Aufnahmen, denn mit ständiger Präsenz und Gestaltung bringen Bass und Schlagzeug diese besonders federnden Elemente und mitunter auch groovenden Funk in das Geschehen, ein herrliches Beispiel für diese Verquickung stellt der Titel “F.J.D.“ dar. Letztlich bietet die Musik eine teilweise Neuordnung von Hörverhalten, weil mitunter Irritationen verursacht werden, die sich jedoch sehr angenehm auf die so wichtige Entdeckungsreise beim Hören auswirken.
Anleihen an Neuer Musik oder auch dezent angedeutete Ausflüge in lateinamerikanische Gefilde unterstreichen die Besonderheit der Musik dieser Veröffentlichung zusätzlich, und mich selbst begeistert es persönlich stets dann, wenn Ullmann in den Bereich des freien Jazz vorstößt und sein Instrument auch gern mal ausbrechen lässt. Ja, mit dieser Platte können wir in ein vielleicht teilweise unbekanntes Terrain vorstoßen, mit einer Mischung aus experimentellem Jazz, Avantgarde und nuancierten Ausflügen in den freien Jazz. Also – Ohren auf, es lohnt sich!
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Flutist with Hat and Shoe (Ullmann) (7:15)
2 Enge Bewegung (Lüdemann) (6:29)
3 F.J.D. (Ullmann) (5:29)
4 Head Quarter (Schaefer) (4:10)
5 Ankunft (Lüdemann) (3:14)
6 Human Body Upgrade (Potratz) (4:44)
7 Tanz der Mikroben (Lüdemann) (5:39)
8 Zeit Lupe (Ullmann) (7:16)
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Besetzung |
Gebhard Ullmann (tenor saxophone)
Hans Lüdemann (piano and virtual piano)
Oliver Potratz (double bass)
Eric Schaefer (drums)
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