Berlin gegen Sachsen 7:7 – Metall spielen vor nahezu leerer Halle in Neukirchen bei Borna
Dass die Taten von vorgestern heute nichts mehr zählen, müssen Metall an diesem Abend schmerzlich erfahren. Die DDR-Kultband hatte früher auch in Borna (wohin das wenige Kilometer südlich der Stadt liegende Dorf Neukirchen heute eingemeindet ist) vor vollen Häusern gespielt – anno 2017 aber setzt sich die Anzahl der 14 Personen in der Zeche II (einer ehemaligen Brikettfabrik) folgendermaßen zusammen: Sieben Personen sind aus Berlin angereist, davon fünf Bandmitglieder sowie die Partnerinnen des Sängers und eines der Gitarristen. Von den anderen sieben Personen sind zwei sozusagen „hauseigen“, also an der Theke respektive mit der Technik beschäftigt. Es bleiben somit fünf Besucher, von denen zwei die Tickets bei einem Gewinnspiel eines lokalen Blattes gewonnen hatten. Dazu kommen ein scheinbar im Ort oder der Umgebung ansässiges Paar (das allerdings erst nach etwa einem Viertel des Gigs eintrifft) und der Rezensent, der im vorliegenden Fall aber ohne offiziellen Auftrag da ist, also sein Ticket regulär bezahlt hat. Metall lassen sich vom Charakter einer öffentlichen Probe aber nicht beirren und geben trotzdem Vollgas, nachdem die vorab vom Techniker eingelegte Bonfire-CD Don’t Touch The Light beim Klassiker „SDI“ an siebenter Position angekommen ist. Da außer den sieben Berlinern sowieso niemand mit dem Material vertraut ist (auch der Rezensent nicht – er besitzt den 1990er Speed Up-Sampler, auf dem Metall unter dem zwischenzeitlichen Namen Headless mit vier Songs vertreten waren, nicht, die neue CD Metalheads auch noch nicht, und auf den in seiner Kollektion stehenden Amiga Heavy Metal-Sampler von 2009 waren von besagtem 1990er Sampler zwar die vier Hardholz-Songs übernommen worden, die von Merlin und Headless aber eben nicht), bleibt es gleichgültig, ob die Band bereits veröffentlichtes oder noch unkonserviertes Material spielt, und so sind unter den ersten vier Songs gleich drei offenbar noch unveröffentlichte, die sich stilistisch prinzipiell gut in den Set einfügen, allerdings bisweilen einen leicht progressiven Touch zum konsequenten Traditionsmetal der Berliner addieren, wie speziell „Hold The Line“ (natürlich kein Toto-Cover) deutlich macht. Möglicherweise relativiert sich dieser Eindruck beim Öfter-Hören aber auch wieder, und man würde dieses Öfter-Hören auch gerne bei noch etwas klareren Soundverhältnissen realisieren: Drei, vier Songs braucht das Ohr, um sich speziell auf das Heraushören der Feinheiten in der Rhythmusgitarrenarbeit zu eichen, und Sänger Joel ist die ganze Zeit recht weit in den Hintergrund gemischt und kann sein großes Potential daher nur andeuten – was man von ihm hört, gibt aber zu großen Hoffnungen Anlaß, sowohl im glasklaren hohen Bereich als auch in Halford-kompatiblen Kreischeinlagen (letztere markant im epischen Setcloser „Imperium“ ), und gelegentliche Ausflüge in den Growlbereich machen klar, dass er alternativ auch problemlos eine Melodic-Death-Kapelle fronten könnte. Drummer Marko Thäle (der in „Riding On The Storm“ übrigens zu Leuchtdrumsticks greift) kennt man ja sowieso aus dem heftigeren Bereich (auch noch aus DDR-Zeiten von Darkland, während Jüngeren eher Postmortem geläufig sein dürften), und auch Gitarrist Daniel „Moloch“ Dokic scheint, wenn man sein Exodus-Shirt in Betracht zieht, auch Interessen im härteren Bereich zu pflegen, was möglicherweise einen Einfluß auf die Kernigkeit des Metallschen Metals (welch Wortkombination) ausübt, auch wenn es da immer noch Bandkopf Sven „Halford“ Rappoldt als Traditionalistenfaktor gibt, der an diesem Abend auch der bewegungsaktivste der Musiker ist. Natürlich sind Metall erfahren genug, um auch mit einer so widrigen Situation professionell umzugehen und keine hohlen Anbiederungen nötig zu haben – sie reißen keine große Show ab, sondern spielen einfach einen soliden Metalset mit mehr oder weniger Bühnenaktion, die Musik eindeutig an erster Stelle stehen lassend. Nach den genannten ersten vier Songs, unter denen neben den drei Neulingen noch „The Gods Above The Sky“ vom neuen Metalheads-Album steht, folgen noch fünf weitere Albumbeiträge, so dass dieses bis auf „Glory“ und „Wrath“ letztlich komplett erklingt. Auch hier findet sich etwa mit „Fly“ schon leicht komplexeres Material, so dass dieser Touch in „Hold The Line“ nicht ganz neu im Bandschaffen zu sein scheint. „Crimson King“ verkörpert hingegen die ganz alte Songwritingschule: Man hat eine (in Zahlen: 1) Idee und macht aus dieser einen (in Zahlen: 1) Song, geradlinig und ohne Schnörkel. Beides hat seinen Reiz, und beides verquicken Metall an diesem Abend zu einer reizvollen Legierung, die eine Potenzierung des Zuspruchs auf alle Fälle verdient hätte. Die Band läßt sich auch noch zu einer Zugabe überreden und packt „Metal For You“ aus, einen Oldie vom besagten Speed Up-Sampler aus dem Jahr 1990, der allerdings noch älter zu sein scheint und von Götz Hintze im „Rocklexikon der DDR“ bereits auf 1987 datiert wird, was möglicherweise das Datum einer Demo-, Live- oder Rundfunkaufnahme darstellt. Auch diese Nummer paßt sich prima ins Gesamtbild ein und rundet einen musikalisch starken und unterhaltsamen, nur halt leider für die Bandkasse wenig förderlichen Auftritt ab. Setlist: Doom Hold The Line The Gods Above The Sky Close The Door Riding On The Storm Metalheads Fly Crimson King Imperium -- Metal For You Roland Ludwig |
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