Gianmaria Testa
Vitamia
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Info |
Musikrichtung:
Liedermacher, Italien
VÖ: 18.11.2011
(La Chante Du Monde/ Harmonia Mundi)
Gesamtspielzeit: 41:32
Internet:
http://www.gianmariatesta.com
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Neben dem für die populäre Musik Italiens prägenden Italo Pop oder Italo Rock hat Italien seit den 1960er Jahren auch eine Liedermacher-Tradition, die Cantautori. Sie wandten sich damals vom Italo-Schlager und den „urlatori“, den Rock’n’-Roll-„Schreiern“ ab und wurden zu musikalischen Poeten des Alltags. Im Laufe der Jahrzehnte wurde eine derart grundsätzliche Trennung natürlich nicht immer durchgehalten, die Grenzen verflossen; dennoch haben die Cantautori ein meist anspruchsvolleres Publikum als Al Bano & Co.
All diese Schattierungen spiegeln sich nun in der Musik Gianmaria Testas. Er ist am ehesten vielleicht mit Paolo Conte vergleichbar, dennoch gibt es Unterschiede. Beide pflegen einen ähnlich brummeligen Sprechgesang in Balladen, bevorzugen verhaltene Melodien und sind damit weit entfernt von Italo-Pop. Conte hat die unsterblicheren Melodien, im Umgang mit den Zutaten Pop und Rock ist Testa versierter.
Testa hat sich für sein neues Album fünf Jahre Zeit gelassen. Vitamia handelt weniger über sein Leben als seine Lebensansichten. Ein Freund sagte ihm einmal: „Versuche dein Leben nicht in Jahren, sondern in Tagen zu messen. Du wirst staunen, wie sehr das deine Perspektive verändert.“ Er hatte laut Testa recht: Alles wird plötzlich schneller und kleiner. Gedanken, die er in „18 mila giorni“ verarbeitete, einem Stück, in dem man ihn beseelt vor sich hin tanzen zu sehen meint.
Das Album ist eigentlich ein Wechselbad. Einerseits gibt es Stücke wie „Dimestichezze d’amor“, die an Conte erinnern, weil Testa ebenso wie Conte typischerweise die Melodie mitsummt und die Schlagbesenbegleitung mit ihrem leichten Swing diese typische Capuccino-Atmosphäre erzeugt, die nun mal eher in der mediterranen Musik vorkommt. Oder es gibt zarte Balladen, die mit Cello-Begleitung ausklingen wie „Lele“. Aber Testa kann auch rockig in „Cordiali saluti“, das er mit einem wilden kratzigen Posaunensolo krönen lässt. Und es gibt noch weitere Brüche dieser Art, die das Album spannend machen. Nach dem fast unheimlich klingenden Kinderlied „Aquadub“ krachen schwere Rock-Sounds in eine völlig andere Richtung.
Der Höhepunkt ist jedoch „Di niente, meta’“, wo sich Testa anfangs auf höchst ungewöhnliche Weise nur mit Wassergeräuschen begleiten lässt, abgesehen von einer sanft gestrichenen Gitarre. Es gibt eigentlich nur ein einziges vergleichbares Stück, in diesem Fall von David Bowie. Der hatte 1967 auf seinem ersten, nach ihm benannten Album im Song „Please, Mr. Gravedigger“ eine ähnliche Idee und summte, nieste und fluchte da als Totengräber im Gewitterregen wie in einem Hörspiel herum. Doch Testa baut sein Stück weiter aus. Allmählich schält sich ein Walzer heraus. Dieser ändert sich in einen dynamischen Swing, vorangetrieben vom Akkordeon. Insofern gerät „Di niente, meta’“ zu einem Meisterwerk an Arrangement voller Überraschungen. Den Ausklang macht ein Tango-Rock, irgendwo auch wohl eine italienische Spezialität. Es ist eine Geschichte über Karussells, daher gerät der Schluss dazu recht schunkelig. Gianmaria Testa zeigt sich auf Vitamia als absoluter Individualist, der keiner Mode hinterher rennt und sich vieler Ideen bedient, der experimentiert und alles lange reifen lässt. Ein Album, das ein anderes Bild von italienischer Musik entwirft.
Hans-Jürgen Lenhart
Trackliste |
1 | Nuovo | 3:18 |
2 |
Lasciami andare | 3:46 |
3 |
Lele | 5:08 |
4 |
Dimestichezze d'amor | 3:29 |
5 |
Cordiali saluti | 3:24 |
6 |
18 mila giorni | 4:36 |
7 |
Aquadub | 1:14 |
8 |
Sottosopra | 3:49 |
9 |
20 mila leghe (in fondo del mare) | 5:39 |
10 |
Di niente, meta | 4:20 |
11 |
La giostra | 2:49 |
12 |
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Besetzung |
Gianmaria Testa: g, voc
Claudio Dadone: g, arr
Giancarlo Bianchetti: g
Nicola Negrini: db
Philippe Garcia: perc
Roberto Cipelli: p
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