Musik an sich


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Beethoven, L. v. (Immerseel - Seiler)

3 Sonaten op. 12 für Pianoforte und Violine


Info
Musikrichtung: Klassik Kammermusik

VÖ: 01.10.2007

Zig-Zag-Territories / Note 1
CD (AD DDD 2006) / Best. Nr. ZZT070802


Gesamtspielzeit: 55:00



CON SPIRITO

Die meisten der bekannten Beethoven-Darstellungen zeigen den Komponisten als grimmigen Titanen. Kaum zu glauben, dass dieser Mann einmal jung und unbekümmert gewesen ist. Oder gelacht hat. War er und hat er. Und wenn man den Beginn der 2. Sonate op. 12 für Pianoforte und Violine hört, die in den 1790er Jahren entstanden ist, dann hört man beides: Jugendfrische und launigen musikalischen Witz, der nicht selten aus scheinbar simplem musikalischen Material entwickelt wird. Der Humor entfaltet sich bei historischen Instrumenten und entsprechender Spielweise direkter und differenzierter als bei „modernen“ Versionen. Die knorzig-trockenen Einwürfe der Violine (Midori Seiler) dialogisieren zunächst mit den ironisch hüpfenden Rufen des Klaviers (Jos van Immerseel), nach einem kurzen Klavier-Sprint wechseln die Rollen, schließlich fallen beide in einen gemeinsamen Lauf. Der vibratolose Geigenklang ist beim Forte in der Höhe arg schneidend – daran muss man sich gewöhnen (es gelingt nicht immer).
Im zweiten Satz kippt die humorige Stimmung um in Melancholie, doch wie zart ist die Schwermut vom Komponisten empfunden! Die kühle Glätte des Geigentons vermeidet jede sentimentale Anmutung. Dennoch hätte ich mir vor allem in den hohen Registern mehr Schmelz gewünscht: eher singend denn flötend.
Der schlanke und bewegliche Zugriff ist freilich bei virtuosen Nummern, z. B. den Eröffnungssätzen der 3. und 4. Sonate, unwiderstehlich. Das allegro con spirito der Nr. 3 wird genau getroffen: die wieselflink rotierenden Skalengänge bleiben stets trennscharf und moussieren wie Champagner. Der ganze Satz funkelt von dynamischen und artikulatorischen Abstufungen, so dass die dankbaren thematischen Kontraste voll ausgereizt werden. Kernig, mit gleichsam orchestralem Strich wird dagegen das brio der 4. Sonate in Szene gesetzt. Selbst aus den Beschränkungen des historischen Klavierklangs – hölzerne und dumpfe Töne – versteht es Immerseel, Kapital für überraschende Wirkungen zu schlagen, z. B. bei den Einwürfen im finalen Rondo der 3. Sonate, die an ferne Hörnerklänge erinnern.
Eine ausgesprochen unterhaltsame Aufnahme mit hinreißender Musik des jungen Beethovens. Die geistreiche Interpretation von Immerseel und Seiler dürfte dafür sorgen, dass diese Werke nicht mehr allzu lange im Schatten seines Spätwerks stehen.



Georg Henkel



Trackliste
01-03 Sonate op. 12, Nr. 2
04-06 Sonate op. 12, Nr. 3
07-09 Sonate op. 12, Nr. 1
Besetzung

Midori Seiler, Violine
Jos van Immerseel, Hammerklavier nach Anton Walther



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