W.A. Mozart
Eine kleine Nachtmusik u.a.
Gar nicht harmlos: Manze interpretiert Mozarts Serenaden DAS ENDE DER "FAHRSTUHLMUSIK"
... Denn zu einer solchen war Mozarts Kleine Nachtmusik, die Serenade in G-Dur KV 525, lange Zeit verkommen. Viel und gerne gespielt, harmlos, nett, eingängig, bisweilen auch: einfältig. Niemand ist es zu verdenken, wenn er, dessen überdrüssig, einer Neueinspielung zunächst skeptisch gegenübersteht. Andrew Manze, seit Juli diesen Jahres als künstlerischer Leiter von The English Concert Nachfolger von Trevor Pinnock, vermag diese Skepsis ohne Mühe zu zerstreuen.
Sein Zugriff auf das Stück ist frisch und beherzt, aber er bügelt es nicht etwa krampfhaft bemüht gegen den Strich. Phrasierungen, leichte Verzögerungen u.ä.werden stets sorgfältig überlegt eingesetzt und sind ganz aus der Musik entwickelt. So darf die Serenade glänzen als das, was sie ist: Ein von Meisterhand nur scheinbar leicht hingeworfenes Werk musikalischer Unterhaltungskunst, das - so man sich die Mühe macht, genau hinzuhören - auch Stellen hat, die keineswegs unbeschwert anmuten, sondern doppelbödig, ja voll düsterer Ahnung sind, wie etwa im 2. Satz, dem Andante. Das Menuett hingegen nimmt Manze ganz betont tänzerisch und der Schlußsatz erscheint quicklebendig, quecksilbrig, zwischendurch auch mal üppiger, symphonisch.
DER KLEINE BRUDER DER "NACHTMUSIK"
... ist die aus den Salzburger Jahren des Komponisten stammende Serenata Notturna, KV 239, mit ihrer kuriosen, einzigartigen Besetzung (Streicher und Pauken). Bei eher schlichter Motivwahl operiert Mozart hier mit einem raffinierten Wechselspiel der Stimmungen, die mitunter abrupt vom prächtig-festlichen in einen verträumt-säuselnden Ton umschlagen. Manze arbeitet dies besonders akkurat heraus, läßt aber auch das spielerische Element nicht zu kurz kommen und scheut nicht vor einem bisweilen etwas eigenwilligen, augenzwinkernden Einsatz der Pauken zurück. So nimmt diese Serenata das Werk, das die CD dann beschließt, im Grundton vorweg.
EIN MUSIKALISCHER SPASS
Um die Entstehung des Musikalischen Spasses ranken sich allerlei Legenden und Erklärungsversuche, war es doch auffallenderweise das erste Stück, das Mozart nach dem Tod seines Vaters schrieb. Lange Zeit schien der vermeintliche psychologische Hintergrund mehr Interesse zu wecken, als das Werk an sich.
Dass es aber ein Fehler wäre, dieses originelle Stück als bloßen Schabernack abzutun, beweist Manze eindrucksvoll. Zunächst erliegt er nicht der Versuchung, die von Banalitäten, satztechnischen Fehlern und anderen Kuriositäten durchsetzte Komposition bäuerlich-tumb darzubieten. Denn: Was Mozart mit diesem Spass bloßstellt, sind keineswegs die ausführenden Musiker, sondern jene Komponisten, die mit oberflächlicher, scheinbar gefälliger, simpler Massenware das Publikum "behelligen". Noch heute lassen sich mit diesem "Spaß" all jene unzähligen Mozart-Zeitgenossen schmähen, die von den Hörern damals in schöner Regelmäßigkeit dem "schwierigen" Mozart vorzogen wurden. Wie ungnädig das Genie Mozart mit solchem Mittelmaß umging, belegen seine Briefe. Nichts anderes als Musik gewordene Ungnade, ein orchestraler Spottkübel ist auch der "Musikalische Spass".
Manze hat das kongenial erfaßt und umgesetzt: Immer wieder läßt er das English Concert voller Elan zu einem der vielen motivischen Sinneinheiten ansetzen, die dann sinnlos ins Leere laufen oder sich schier endlos wiederholen - man meint zu sehen, wie sich die Musiker irritiert anschauen und wieder neu beginnen. Das alles klingt naiv-fröhlich, so dass der Erfinder dieses Spasses zweifellos seine helle Freude daran gehabt hätte - und der Hörer sie heute noch hat. Ich jedenfalls habe lange nicht mehr so viel beim Hören einer CD lachen, schmunzeln und den Kopf schütteln müssen über solch herrlich absurde Einfälle.
KLEINE ZUGABEN
Die CD wird komplettiert durch zwei kleine Werke: Da wären zum einen Adagio und Fuge c-moll, KV 546, die Mozart von einer ganz anderen Seite zeigen: Hier verbindet er die Früchte seines Studiums der strengen Kunst der Fuge mit dem Einsatz harmonisch kühner Wendungen, die in ihrer Mischung aus Kraftausbruch und Verzweiflung unwillkürlich erschauern lassen. Das Ensemble leistet insoweit ganz Arbeit, beschönigt nichts, sondern betont diese Aspekte sogar noch.
Menuett und Trio, KV 458 a, mit denen Mozart die Kompositionsübung eines seiner Schüler "korrigierte", lassen hingegen wieder den Meister des tänzerisch-leichten Elements in der Vordergund treten.
Insgesamt erscheint keines dieser Werke einfach gedankenlos heruntergepielt. Manze interpretiert wahrhaftig im besten Sinne des Wortes und versteht es dabei gekonnt, auf kurzweilige Weise zu unterhalten und zu verblüffen. Die vom Dirigenten selbst stammenden Erläuterungen im Booklet erhellen noch einmal seine originelle Sicht auf Mozart.
Die SACD bietet zudem ein sauberes, auf dem herkömmlichen CD-Player leider etwas trockenes Klangbild.
Unbedingte Empfehlung!
Sven Kerkhoff
Trackliste |
01-14 Gesamtspielzeit 67:14 |
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Besetzung |
The English Concert
Ltg. u. Violine: Andrew Manze
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