Francoise Couperin
Le Parnasse ou Lapotheose de Corelli u.a.
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Info |
Musikrichtung:
Barock / Kammermusik
VÖ: 28.07.2003
BIS / Klassik Center Kassel
Internet:
London Baroque
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Italienflirt: Couperins Apotheosen "VERFÜHRT VON DEN EXZESSEN DER ITALIENER ..."
... dieses Urteil war im Frankreich des 17. und auch noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Karrierekiller für Komponisten. Nein, man schätzte die italienische Musik nicht. Die Hüter des guten Geschmacks hielten extra eine umfangreiche Liste abwertender Adjektive dafür bereit: barock und bizarr sei diese südliche Musik, brillant zwar, aber auch rauh, cholerisch, unförmig, extravagant, furios, überdreht, ja gewalttätig ...
Eben das Gegenteil von französischer Musik, die Schönheit, Ruhe, Charme, Delikatesse, Zartheit, Eleganz, Grazie, Intelligenz, Natürlichkeit und überhaupt alle Vorzüge des bon gout, des guten Geschmacks, auf sich vereine.
Ironie der Geschichte: Es war ein Italiener, der den Franzosen ihre National-Musik geben sollte. Giovanni Batista Lulli hieß er, aus Florenz kam er. Und begriff sehr schnell, dass er in Frankreich nur dann Erfolg haben würde, wenn er 1. konsequent im französischen Stil komponierte und 2. den musiksüchtigen König für sich gewinnen konnte.
Weil er Ersteres mit großer Einfallskraft, ja Besessenheit tat und sich um Letzteren erfolgreich bemühte, stieg er in kurzer Zeit zum Superintendenten in Sachen Musik auf. Lulli, der nach seiner Einbürgerung Lully hieß, herrschte mit geradezu diktatorischen Vollmachten über die französische Musik. Bis 1686. Dann soll er sich mit dem Dirigierstab - der damals rhythmisch auf den Boden gestampft wurde - eine Verletzung am Fuß zugezogen haben, an deren Folgen er starb. Viel zu spät, wie seine zahlreichen Neider und Konkurrenten gedacht haben mögen. Aber noch früh genug, um zu jenem unsterblichem Ruhm aufzusteigen, der den "alten" und daher häufig aus der Mode gekommen Meistern nur selten zuteil wird. Lullys Einfluss reichte noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein. An den Maßstäben, die gesetzt hatte, kam niemand vorbei.
ABER APPETITANREGEN WIRD DOCH WOHL ERLAUBT SEIN!
Selbst ein "Star" wie Francoise Couperin (1668-1733), der für die höfische Kammermusik zuständig und später als pominentestes Mitglied einer fruchtbaren Musikerdynastie mit dem Titel "Le Grand" ausgezeichnet wurde, zollte Lully seinen Tribut. Allerdings: Couperin gehörte schon einer späteren Generation an, die schon mal einen Flirt mit der Musik Italiens riskierte. Immerhin gab es da doch wenigstens einen Komponisten, der bewies, dass es auch in Italien guten Geschmack gab: Arcangelo Corelli (1673-1713). Dessen Concerti Grossi op. 6 stießen mit ihrem geradezu klassizistischen Ebenmaß und den kontrollierten Affekten in Frankreich auf Bewunderung.
Und so konnte Couperin es nicht nur riskieren, Corelli ein musikalisches Denkmal unter dem Titel Der Parnass oder Die Vergöttlichung des Corelli zu setzten, sondern in einem zweiten Werk, dass der Verherrlichung Lullys gewidmet ist, die Allianz von französischem und italienischen gout zu beschwören. Wenn Lully und Corelli auf ihren Instrumenten in einer finalen Triosonate im "vermischten Geschmack" duettieren, dann scheint zumindest auf dem Olymp der Künste vollkommene Harmonie zu herrschen.
Beide Zyklen liegt ein Programm zugrunde, das im Booklet ausführlich erläutert wird: Den Aufstieg Corellis zum Parnass, die Freude des Komponisten, der schließlich erschöpft einschläft und später von den Musen zu Apoll geleitet wird wird, führt Couperin ebenso plastisch vor Ohren, wie das (mit Augenzwinkern präsentierte) unterirdische Grollen, mit dem Lullys neidische Zeitgenossen auf dessen Apotheose reagieren.
FRIEDENSBOTSCHAFTER: LONDON BAROQUE
Das Kammerensemble London Baroque unter seinem Leiter Charles Medlam profiliert sich hier in Sachen musikalischer Friedensdiplomatie. Beide Zyklen erklingen in einer gemischten Besetzung, nämlich mit typisch italienischen Violinen, typisch französischen Bass-Gamben und dem unverzichtbaren Cembalo. Couperin hat es den Ausführenden allerdings freigestellt, die Oberstimmen einiger Nummern auch mit den in Frankreich so beliebten Flöten oder Oboen auszuführen.
So pointieren London Baroque mit ihrer "handfesten" Streicherbesetzung eher die italienischen Zutaten. Der vitale Charakter italienischer Musik äußert sich auch in der offensiven Virtuosität und manchen Spezialeffekten wie den "jammernden" Streichglissandi, die es bei der "Klage" von Lullys Zeitgenossen zu hören gibt - ein origineller Einfall. Überzeugend geraten auch die beiden anderen, sehr viel französischeren Sonaten auf dieser CD, "La Sultane" und "La Steinkerque". Hier mag man allerdings einen feiner timbrierten und farbigeren "französischen Klang" vermissen, zumal das Ensemble auch klangtechnisch sehr präsent eingefangen wurde. Doch die Vitalität und Brillanz dieser Aufnahmen vermögen durchaus für sich einzunehmen.
Überdies klingen die von Charles Medlam gleichsam mit gespitzten Lippen gesprochenen französischen Zwischentitel schon wieder so französisch, dass man sich direkt nach Versailles ins königliche Appartement versetzt fühlt.
Georg Henkel
Trackliste |
1-7 La Parnasse ou L'Apotheose de Corelli 13.54 8-22 Concert Instrumental sous le Titre d'Apothéose composé à la mémoire immortelle de l'incomparable Monsieur de Lulli 31.50 23 La Sultane 09.33 24 La Steinkerque 09.12 Gesamtspielzeit 65.40 |
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Besetzung |
London Baroque:
Ingrid Seifert - Richard Gwilt (Violine)
William Hunt (Bass-Gambe)
Terence Charleston (Cembalo)
Ltg., Bass-Gambe und Sprecher: Charles Medlam
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