Eigentlich wollte ich nur auf ein Placebo-Konzert nach Paris. Als ich dann erfuhr, dass die Jungs dort auch noch ihre erste Live-DVD aufnehmen und Frank Black, ehemaliger Sänger der Pixies (die Band, ohne die es Nirvana nie gegeben hätte, ja), mit seiner neuen Band The Catholics im Vorprogramm auftritt, ahnte ich, dass da Großes auf mich zukommen würde. AUf das, was mich dort aber erwartete, war ich wirklich nicht vorbereitet...
Schon am frühen Nachmittag hatte ich mich am Konzertort mit dem pompösen Namen Palais Omnisports Paris Bercy eingefunden, um auch ja einen guten Platz zu ergattern. Das stellte sich sehr schnell als weise Entscheidung heraus, denn dort war wirklich bereits die Hölle los. Nach einer Weile tauchte ein Kameramann auf, um die freudig gröhlende Masse von Placebo-Fans zu filmen, die sich aus den schon äußerlich unterschiedlichsten Typen von Musikfans zusammensetzte. Heute waren sie jedoch alle wegen Placebo hier. Es verbreitete sich das Gerücht, es gäbe noch einen zweiten Support-Act. Skin (früher bei Skunk Anansie) hieß es, was genaues wisse jedoch niemand.
Als wir dann endlich reingelassen wurden, wurde klar, dass die Gerüchte wahr waren: Große Banner mit der Aufschrift "Skin" hingen auf jeder Seite der Bühne von der Decke. Zwar kannte ich die Solo-Platte von Skin nicht, aber Skin hat mir als Sängerin immer gefallen und irgendwie dachte ich mir, ganz mies könne das eigentlich nicht werden.
Was ich dann aber zu hören bekam als Skin mit Irokesenschnitt in verschlissenen schwarzen Cargo-Hosen die Bühne betrat, haute mich wirklich um. Das war richtig... rockig! Vom ersten Gitarrenanschlag begann das Publikum zu toben wie ich das bei den meisten Konzerten bei der Hauptband nicht erlebt habe. Kaum hatte ich mich in Trance gehüpft, wünschte Skin dem Publikum auch schon viel Spaß mit Frank Black und Placebo und verschwand so schnell von der Bühne wie sie erschienen war. Ja, richtig, Placebo, deswegen war ich ja heute eigentlich gekommen, wurde es mir wieder gegenwärtig.
Als nächstes kamen Frank Black und die Catholics auf die Bühne. Deren eigenwillige Mischung aus Country, Blues und Punk war zunächst zwar etwas gewöhnungsbedürftig - auch das Publikum wirkte etwas verhaltener, viele hätten wohl etwas Pixies-ähnlicheres erwartet -, aber ich konnte mich dem Bann dieser merkwürdigen Musik dennoch nicht entziehen. Während Frank Black selbst ein guter, wenn auch eher unspektakulärer Performer ist, brachte Gitarrist Rich Gilbert seine Spielfreude mit ausladenden Körperbewegungen und schwungvollen Saitenanschlägen zum Ausdruck und war dadurch ein Blickfang, der den Auftritt dieser Band schon alleine zum Erlebnis machte.
Langsam wurde es aber Zeit für Placebo, bevor sich das Publikum total verausgabt hatte... Security-Leute erleichterten die Wartezeit mit Unmengen von Wasserflaschen, die sie teilweise sprichwörtlich ins Publikum gossen. Kombiniert mit der Körperwärme von ein paar Tausend Menschen entstand dadurch ein sehr tropisches Gefühl. Nach einer Weile schallte eine Ansage von Brian Molko durch die Lautsprecher: Placebo würden heute ihre DVD aufnehmen und sie hätten sich dafür nicht irgendeinen Ort, nicht irgendeine Stadt ausgesucht, sondern Paris, wo das Publikum das beste und enthusiastischste sei. Sollte ich mich dadurch ausgeschlossen fühlen? Ich weiß es nicht, ich tat es nicht, in dieser Nacht fühlte ich mich als Bürger von Paris.
Etwa um 22 Uhr ging dann alles Schlag auf Schlag. Ein weißer, halbtransparenter Vorhang wurde herabgelassen, die ersten Gitarrenattacken des Hammer-Instrumentals "Bulletproof Cupid" erklangen und hinter dem Vorhang betraten Placebo die Bühne. Das war der Moment auf den alle gewartet hatten, die Menge kannte kein Halten mehr, die Atmosphäre war am Überschäumen. Nach einer Weile fiel der weiße Vorhang dann herunter und gewährte eine ungetrübte Sicht auf die Bühne. Weiter ging es gleich mit "Every You Every Me", dessen Refrain von etlichen Fans lauthals mitgesungen oder je nach Begabung eben -gegröhlt wurde, so dass die Stimmung erst gar keine Chance hatte, abzusacken.
Auf einer großen Videoleinwand hinter der Band war zu jedem Song ein passender Videoclip oder eine Slideshow aus Einzelbildern zu sehen. Auf beiden Seiten der Bühne waren noch zwei kleinere Videoleinwände, auf denen Nahansichten von der Bühne gezeigt werden, in den ersten paar Reihen interessierten diese jedoch wenig, denn es gab einfach zu viel zu sehen auf der Bühne. "Protect Me From What I Want" sang Brian Molko teilweise auf französisch und schloss das Stück mit einem großartigen Mundharmonika-Solo ab.
Brian und Stefan (Bass) vernichteten zwischen und während der Songs eine Zigarette nach der anderen, aber was soll man sagen, denen steht das irgendwie. Bei "The Bitter End" sang das Publikum wieder mit, während es kollektiv auf und ab dopste. Nach "Special K" verließ die Band die Bühne und es gab erst mal wieder literweise Wasser (warum habe ich das in Deutschland noch nie erlebt?).
Nach kräftigem Jubel und Beifall gab es selbstverständlich eine Zugabe, zum elektronischen Intro von "Taste In Men" legte Stefan zur Begeisterung des Publikums sogar ein kleines Tänzchen hin. Danach ließen es die Jungs mit "Slave To The Wage" und "Pure Morning" nochmal richtig krachen, um die erste Zugabe schließlich mit der Klavierballade "Centrefolds" ausklingen zu lassen.
Zur zweiten Zugabe wurde schließlich noch einmal Frank Black auf die Bühne gebeten, der zusammen mit Placebo eine großartige Version des Pixies-Klassikers "Where Is My Mind?" darbot. Und ich kann es nicht besser sagen als Brian: "Quelle chanson dernière!" (Was für ein Song zum Abschluss!)
Alles in allem ein unglaubliches Konzert, das ich nie vergessen werde. Wenn die DVD auch nur einen Bruchteil der Atmosphäre und Energie dieses Abends wiedergeben wird, kann ich sie jedem Placebo-Fan nur wärmstens ans Herz legen. Meine Konzertbegleiterin und ich haben jedenfalls unser bestes getan, zu dieser Atmosphäre beizutragen...
Setliste
Bulletproof Cupid
Every You Every Me
Protect Me From What I Want
Plasticine
Bionic
The Bitter End
Soulmates (Sleeping With Ghosts)
Black-Eyed
I'll Be Yours
Special Needs
English Summer Rain
Without You I’m Nothing
This Picture
Special K
Taste In Men
Slave To The Wage
Peeping Tom
Pure Morning
Centrefolds
Where Is My Mind? (mit Frank Black)
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