Mit "Rebel Rebel" fing die Wien-Show David Bowies an und mit "Ziggy Stardust" endete sie zweieinhalb Stunden später. Dazwischen gab es viele neue Nummern, viele alte Hits und auch unbekanntere Songs. Eines hatten sie alle gemeinsam: sie waren großartig.
Es stimmt schon, daß Bowies jüngere Werke nicht die Klasse der älteren erreichen, was vor allem bei den Studioalben auffällt. Seit "Outside" nichts wirklich tolles mehr (trotz des Erfolges von "hours" und auch "Heathen").
Und doch bringt der Musiker es fertig, live alles wie aus einem Guß zu präsentieren. Das Drum-and-Bass-Feuerwerk von "I'm Afraid Of Americans" genauso wie das Pixies-Cover "Cactus", den Klassiker "Let's Dance" (im neuen Gewand), oder andere Hits wie "Hang On To Yourself", "Fame", "Ashes To Ashes" und "Suffragette City."
Ich bin wirklich restlos begeistert. Im Lichte der letzten Studiowerke hatte ich nicht damit gerechnet, daß Bowie derart energetisch und begeistert eine tolle Show abliefern würde.
Daß die alten Hits dabei nicht außen vor blieben, muß ihm umso höher angerechnet werden, als das Konzert nichts von einer angestaubten Greatest-Hits-Revue an sich hatte. Neue Arrangements erfrischten sogar noch Songs, von denen man nicht geglaubt hätte, sie würden besser dargeboten werden können als in den jeweiligen Originalversionen (vor allem "Heroes") und dennoch waren die vertrauten Melodien und Texte immer präsent. So schaffte es Bowie behutsam, Nostalgie und Spielfreude zu kombinieren, und darüber hinaus etwas neues zu schaffen, das sicher lange Zeit im Gedächtnis der Zuschauer haften bleibt.
So muß Popmusik funktionieren: Veränderung, die zwingend erscheint, einfach weil alles stimmt. Nicht auf ewige Wiederholung darf ein Künstler aus sein, sondern muß spielen, als ob er die Songs alle im jeweiligen Moment neu erfinden würde. Mit der immer gleichen Freude, dem immer gleichen Entdeckungsdrang. Klischeehaft gesagt: innerlich jung bleiben. Dieser Mann schafft das.
Danke, David Bowie. Komm bald wieder.
Setliste:
Rebel Rebel
New Killer Star
Reality
Fame
Cactus (Pixies Cover)
Sister Midnight
Afraid
China Girl
Fall Dog Bombs The Moon
Hallo Spaceboy
Sunday
Under Pressure
Ashes To Ashes
Days
Fashion
Never Get Old
The Motel
5:15 The Angels Have Gone
Loving The Alien
Changes
Let's Dance
She'll Drive The Big Car
The Loneliest Guy
I'm Afraid Of Americans
"Heroes"
Heathen (The Rays)
Zugabe:
Bring Me The Disco King
Hang On To Yourself
Suffragette City
Ziggy Stardust
Daniel Syrovy
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Man hört viel Gutes über David Bowies Konzerte der jüngeren Vergangenheit. Trotz des saftigen Kartenpreises von über 50 Euro entschloss ich mich, selbst herauszufinden, ob Bowies Live-Shows halten, was ihr Ruf verspricht.
Als Vorband für seine Reality-Tour hat sich David Bowie höchstpersönlich die Dandy Warhols ausgesucht, die man wohl vor allem durch den Hit "Bohemian Like You" von ihrem sehr gelungenen zweiten Album 13 Tales From Urban Bohemia kennen dürfte. Nun hatte ich mich an sich ziemlich auf die Dandy Warhols gefreut, leider muss ich sagen, dass sie meine Erwartungen etwas enttäuscht haben. Nur zwei Songs haben sie von eben diesem so gelungenen zweiten Album gespielt, der Rest war ziemlich elektronisch, teilweise sehr interessant, teilweise leider auch schlicht langweilig. Dass das einige im Publikum noch drastischer sahen und dies lautstark kund taten, machte die Sache nicht angenehmer. Die Performance war zudem sehr statisch, der Gesang im Mix zu leise, die Bässe undefiniert und rauschig. Schade, ich traue dieser Band mehr zu.
Nach längerer Wartezeit fiel dann endlich der Vorhang, der bis dahin den hinteren Teil der Bühne bedeckt hatte, und offenbarte eine Bühne mit zwei Höhenstufen und vier ins Publikum hineinführenden Laufstegen. Von der Decke hingen auf die äußersten Laufstege auf beiden Seiten silberne kahle Zweige herab. Als das Licht ausging, erschien auf einer Leinwand hinter der Bühne eine Cartoon-Band, die eine Art Intro spielte. Die Comic-Band auf der Leinwand verschwand und auf der Bühne tauchte Bowies "reale" Band auf. Als letztes erschien eine nur silhouettenhaft zu erkennende schlanke Figur, war er das etwa...?
Ein Scheinwerfer wurde auf die Figur gerichtet und ließ erkennen, dass es tatsächlich David Bowie war! Das Publikum war außer sich als David in einem schwarzen verschlissenen Samtfrack, Jeans und T-Shirt "The Jean Genie" zu singen begann. Gegen Ende des Songs demonstrierte David seine Mundharmonika-Fähigkeiten mit einem kleinen Solo. Für das nächste Stück "New Killer Star" nahm Bowie dann auch selbst die Gitarre zur Hand und ging während des Songs auf einem der Laufstege ins Publikum hinein. Hunderte begeisterte Fans streckten die Hände nach ihrem Helden aus, dem die Spielfreude förmlich ins Gesicht geschrieben stand. Es war eigentlich unmöglich, sich von dem charmanten Lächeln und der unbändigen Energie des 56-jährigen nicht in den Bann ziehen zu lassen.
Stücke wie "China Girl" offenbarten nicht nur David Bowies außergewöhnliche Gesangsfähigkeiten, sondern auch sein Talent als Schauspieler: Schlicht beeindruckend ist das Maß an Gefühl und Ausdruck, das er in seine Textzeilen legt. Bei "Under Pressure", dessen Originalversion Bowie mit Queen aufgenommen hat, übernahm Bowies Bassistin absolut überzeugend Freddie Mercurys Gesangs-Part. Ein weiterer Höhepunkt war "Ashes To Ashes", das in einer wesentlich rockigeren Variante gespielt wurde und mit einem schier unglaublichen surrealen Keyboard-Solo abgeschlossen wurde.
Zwischendurch machte David Bowie lässige Scherze als gäbe er eine Privatparty in seinem Wohnzimmer. Ob wir heute abend noch etwas anderes vorhätten, fragte er, als Reaktion auf die Rufe, die sich "schon" nach einem Dutzend Stücken ihre noch nicht gespielten Lieblings-Songs wünschen. "We've got hours!" erklärte er in aller Selbstverständlichkeit. Später machte er mit hinreißender Ironie etwas Schleichwerbung für das Mineralwasser Vittel wie ein Komiker das nicht besser könnte. Selten war ein Konzert so lustig. Bei "Heroes" entsteht eine unglaubliche Stimmung als fast das gesamte Publikum im Takt mitklatscht und David wieder auf den Laufsteg hinausgeht.
Die Zugabe begann mit dem melancholischen Piano-Jazz-Stück "Bring Me The Disco King" vom neuen Album Reality, das live noch bizarrer und erdrückender rüberkommt. Die erste Strophe von "Let's Dance" wurde in einer wunderschönen Spanish-Guitar-Version gespielt, die sich so von der Original-Version unterschied, dass ich das Stück vor dem Refrain kaum erkannt hatte.
Dann schließlich, der Song, der einfach nicht fehlen durfte: "Ziggy Stardust". Und der hat wohl niemanden enttäuscht. Der drei Jahrzehnte alte Klassiker kommt so frisch rüber als hätte Bowie ihn spontan aus dem Ärmel geschüttelt. Danach kam die gesamte Band an den Bühnenrand und verbeugte sich vor dem Publikum, um dann einer nach dem anderen davonzuhuschen. Als letztes David Bowie... Kurz bevor er verschwunden ist, dreht er sich um wie ein schüchterner Schuljunge und rennt nochmal an den Bühnenrand, um sich vom Publikum zu verabschieden. Und da ist es noch ein letztes Mal, das charmante Lächeln. Bis zum nächsten Mal, David!
Setliste:
The Jean Genie
New Killer Star
Fame
Cactus (Pixies Cover)
China Girl
Fall Dog Bombs The Moon
Hallo Spaceboy
Sunday
Under Pressure
White Light, White Heat
Ashes To Ashes
Fashion
Never Get Old
The Motel
5.15 The Angels Have Gone
Loving The Alien
Battle For Britain (The Letter)
I'm Afraid Of Americans
"Heroes"
Heathen (The Rays)
Zugabe:
Bring Me The Disco King
Changes
Let's Dance
Suffragette City
Ziggy Stardust
Linus Stubert
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