Wundersame Entdeckung im Plattenladen: Eine neue CD mit Concerto Köln? Eine, die kein bißchen vom schmalen Werbebudget abbekommen hat?? Obwohl sie mit stets publikumswirksamen Mozart-Werken aufwartet???
Mag sein, dass man es für überflüssig hielt, die Aufmerksamkeit noch auf ein Ensemble zu lenken, das mittlerweile bei einem anderen Label (Deutsche Grammophon) unter Vertrag steht.
Hält uns das davon ab, beherzt zuzugreifen? Überzeugt, dass Concerto Köln uns einmal mehr eine neue Perspektive eröffnen wird und vermeintlich alt bekanntem neue Facetten abzugewinnen vermag, wird das Portemonnaie gezückt.
Zu sagen, man müsse es hinterher bereuen, wäre übertrieben. Aber dieses Orchester hat nicht nur für die historische Aufführungspraxis insgesamt, sondern auch für sich selbst hohe Maßstäbe gesetzt, an denen es hier in ernüchternder Weise scheitert.
Track 1 eröffnet die CD wuchtig und düster. Die Ouvertüre zum Oratorium "La Betulia Liberata" weist weit voraus, etwa auf den "Thamos". Das Stück wird mit viel Kraft und Paukeneinsatz präsentiert, indes kündigt sich bereits an, was später Gewißheit wird: Kraft ohne übergeordneten Gedanken verkommt zu Aggressivität, Tempo zu Hektik. Das Werk rauscht vorbei, ohne Eindruck zu hinterlassen.
Den schwächsten Teil der Produktion bildet die dann folgende Interpretation der Sinfonie Nr. 29. Sie stellt eine Schnittstelle in Mozarts symphonischem Schaffen dar, nimmt die Konventionen erstmals ironisch auf, spielt mit ihnen, verwandelt sie zu anderem, weit wertvollerem Material. Ständig entwickeln sich neue Gedanken aus scheinbar banalen, harmlosen Wendungen.
Concerto Köln zeigt sich angesichts dessen ratlos. Anstatt die Durchbrechung der Konventionen aufzuzeigen, fällt das Ensemble in genau diese zurück. Es scheint, als sei man vor dem "Genie Mozart" erstarrt. Die eigenen Fähigkeiten vergessend wird wohltönende Langeweile verbreitet. Nichts hüpft, nichts lächelt musikalisch verschmitzt. Präzise wird dem Takt gehorcht, keine mutige Phrasierung weit und breit.
Über die Ursachen zu spekulieren, ist müßig und dennoch reizvoll: Rächt sich so der Verzicht auf einen Dirigenten, der mit einer Idee die Musiker anstachelt und aus der Verwirrung reißt? Braucht es doch mehr Erfahrung mit Mozarts Sinfonien? Oder war es einfach eine schwache Woche des Orchesters?
Die Fragen stellen sich auch mit Blick auf die zweite dargebotene Sinfonie Nr. 35 ("Haffner"). Bei dieser ist das Orchester mit seinem quirligen Spiel allerdings wieder mehr in seinem Element. Die Ecksätze vermögen durchaus Vergnügen zu bereiten. Wenn zwar auch hier nicht gerade eine sonderlich originelle Interpretation vorgelegt wird, so doch jedenfalls solide Arbeit.
Größter Schwachpunkt ist, wie schon bei der Sinfonie Nr. 29, das Menuett. Dass es sich hier um den aus einer Tanzform entwickelten Satz handelt, scheint Concerto Köln vergessen zu haben. Durch ein absurdes Tempo wird das Stück in grotesker Weise verzerrt, als sei es nicht selbständig, sondern drängte nur auf den Finalsatz hin. Das Gespür für den Geist der Musik hatte offensichtlich eine Woche freibekommen, während das Orchester im Studio war.
Das Fagottkonzert und das Andante für Flöte und Orchester, die die CD komplettieren, leiden im Kern an demselben Problem: Technisch gibt es nichts zu bemängeln. Aber das erwartet man von einem solchen Orchester und von diesen Solisten (Lorenzo Alpert, Fagott; Cordula Breuer, Flöte) halt wie selbstverständlich (was es keineswegs ist). Und sonst? Mehr nicht? Nein, nicht mehr und nicht weniger.
Dass die Paarung Mozart und Concerto Köln nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, haben frühere Einspielungen, etwa von Klavierkonzerten mit Andreas Staier, gezeigt. Es wäre also verfrüht, dem Paar Mozart - Concerto Köln nach dieser Enttäuschung schon zur Scheidung zu raten. Eine Paartherapie aber erscheint angezeigt, zunächst vielleicht hinter verschlossenen Türen.
12 von 20 Punkte
Sven Kerkhoff