(Stuttgart, 06.10.02)
Welchem Metalfan bei dieser Double-Headlinertour nicht das Wasser im Munde
zusammenläuft, dem fehlen wohl sämtliche Geschmacksnerven oder alle Drüsen die
für die Mundspeichelproduktion verantworlich sind. Rage und Primal Fear
machten ihr Heimatland unsicher und wir von Musikansich waren natürlich vor Ort
um davon zu berichten.
Naja, um genau zu sein nicht ganz komplett davon, den RAGE haben schon kurz
nach 19.30 Uhr(!) angefangen zu spielen und somit verpassten wir und
natürlich viele andere Fans einen Teil dieses Gigs. Wirklich schade wenn die Bands
schon so frühzeitig auf die Bühne geschickt werden, den das es auch anderes
geht sah man bei der Show in Nürnberg, wo Rage erst um ca. 21 Uhr loslegten und
auf die eine Stunde entgangenen Schlaf verzichtet man doch gerne für solch
ein Konzertvergnügen.
Tja, so konnten wir also statt dem Intro von Rage die Tatsache bewundern,
das das Stuttgarter Volksfest "Cannstatter Wasn" sogar mit zwei statt einem
beleuchteten Riesenrad protzen kann und das obwohl Schwaben angeblich so geizig
sein sollen. Aber pünktlich genug um uns noch eine Meinung über Peavy und Co.
bilden zu können, trafen wir dann im Longhorn ein.
Bis auf den Rage-Schriftzug verzichtete die Band ganz bewusst auf jeglichen
bühnentechnischen Firlefanz um das Hauptaugenmerk der Betrachter einzig und
allein auf das musikalische Können des Trios zu lenken, was ohne Zweifel in
Form des Weltklasseschlagzeugers Mike Terrana bzw. dem weissrussischen
Gitarrenhexer Victor Smolski vorhanden war und Peavy Wagner ist ja auch nicht erst
seit gestern im Geschäft. So verwöhnte der deutsch-amerikanisch-weissrussische
Haufen seine Fans mit teilweise genial improvisierten Versionen der
Rage-Klassiker und neueren Stücken, bei denen manchmal als Zwischenteil scheinbar
spontan drauflos gejammt wurde, was ein fast unbeschreibliches Livefeeling
entfachte. Ein dickes Kompliment für solch ungebändigte Spielfreude, denn die
normalen Versionen kann man sich ja schliesslich auch daheim auf CD anhören und
diese Vorgehensweise sollte für die meistens anderen Bands zur Nachahmung
empfohlen werden. Zwar sah die grosse Bühne im LKA mit nur drei Musikern etwas
leer aus, denoch wurde die alte fünfköpfige Besetzung mehr als ersetzt und bei
nur drei Mitgliedern fällt ja auch wohl der Anteil an der finanziellen Gage
pro Kopf etwas höher aus, was ja nicht gerade von Nachteil für die Jungs ist.
Als Sahnehäubchen der Lehrstunde für kommende Spitzenmusiker zockte der Dreier
nochmal eine extralange Version von "Higher than the Sky" inklusive
Mitsingspielchen und einem funky klingenden Mittelteil, bevor die Herren Wagner,
Smolski und Terrana in ihren wohlverdienten Feierabend gingen und fast überall
zufriedene Gesichter zurückliessen, ausser vielleicht bei den Rage-Anhängern
die wegen der frühen Anfangszeit einen Teil dieser eindrucksvollen
musikalischen Demonstration verpasst hatten.
Ganz im Gegensatz zu Rage wurde bei PRIMAL FEAR die Bühne ersteinmal im Look
der neuen Platte "Black Sun" hochdekoriert und Schwarzlicht sorgte für einen
netten 3-D Effekt, während ein klassisches Intro vom Band die Fans auf die
Show einstimmte. Nach dem Opener begrüsste Frontröhre Ralf Scheepers das recht
gut gefüllte LKA mit den Worten "Stuttgart, ich bin geil auf euch !" und
eine gewisse Motivation konnte man der Band auch nicht absprechen, da der Gig im
Schwabenländle zum ersten ein Heimspiel für fast alle Primal-Fear-Mitglieder
war und zweitens für eine Live-DVD mitgeschnitten wurde, was man auch
unschwer an den vielen Kameras erkennen konnte. Die Stimmung im Publikum war zwar
gut, wurde jedoch diesem nicht alltäglichen Ereignis nicht voll und ganz
gerecht, obwohl sich die Band mächtig ins Zeug legte und mit ihren Songs einen
Querschnitt aus allen bisher veröffentlichten vier Alben darbot. Wiedereinmal
stellten die Schwaben eindrucksvoll unter Beweis, das es nur wenige Bands gibt
die in ihren Kompositionenen live soviel Power transportieren wie Primal Fear
und mit dem Begriff "Heavy Metal" ohne Einschränkungen gleichzusetzen sind.
Der Gig der Süddeutschen war ganz im Sinne einer traditionellen Rockshow
angelegt und so durfte jeder beteiligte Musiker sein Können im Rahmen eines Solos
zur Schau stellen und die beliebten Mitsingspielchen durften natürlich auch
nicht fehlen, wobei das Geburtstagsständchen für Gitarreo Henny Wolter
natürlich etwas aus dem Rahmen fiel. Nach dem regulären Programm wurde, wie es für
eine DVD üblich ist, erstmal jedes Mitglied des diesjährigen Tourtrosses mit
ein paar netten Worten einzeln vorgestellt und besonders fies war es wohl den
deutschen Zuschauern einen Pyrotechniker zu präsentieren, da es bei diesem
Auftritt nur genau eine Explosion zu bewundern gab und im Ausland angeblich
ganze Bühnen sprichwörtlich "weggebombt" wurden.
Als Zugabe spendierte die Band den Fans noch ein Medley, das von den
einzelnen Bandmitglieder zusammengestellt wurde und als "Metal Gods" an der in
dieser Liederzusammenstellung an der Reihe war, schwebte der Geist von Judas
Priest fast spürbar über dem Longhorn. Scheepers gestikulierte und sang nicht nur
so wie der Ripper, mit seinen kurzen zurückgegeelten Haaren sah er ihm auch
optisch täuschend ähnlich und räumte mit den braunen Gerüchten auf, die
irgendwelche Idioten über die Band in die Welt gesetzt hatten, da der spärliche
Haarwuchs des Fronters wohl doch eher sichtbar eine Laune der Natur waren statt
irgendwelcher rechter Tendenzen. Mit dem Song, der wohl die Einstellung von
Scheepers, Sinner und Co. am besten ausdrückte, endete dieser energiegeladene
Konzertabend - "Living for Metal".
Manuel Liebler
Internet:
www.rage-on.de
www.primalfear.de