Gary Moore und ZZ Top! Gleich zwei lebende Blues-Rock-Legenden wollten am Donnerstag an der Spree beweisen, dass sie trotz schon erheblich zurückliegender Geburtsdaten noch nicht zum alten Eisen gehören. Ganz ist das zumindest den Texanern nicht gelungen. Welchen Status sie im Rock-Business einnehmen, wurde aber allein dadurch deutlich, dass sie einen Weltklasse-Gitarristen wie Gary Moore ins Vorprogramm verweisen konnten.
Dessen Auftritt war unter dem Motto "back to the roots" angekündigt worden. Was die spannende Frage aufwarf, welche Roots damit wohl gemeint sein könnten. Die Antwort gab Moore mit der klaren Schwerpunktsetzung bei dem aktuellen Album "Scars" und vor allem der CD "Still got the Blues", mit der er 1990 seine Wendung vom Metal zum harten Blues-Rock eingeleitet hatte. Die Ausflüge in den traditionelleren Blues, für die besonders die BBM-CD (1994) mit Jack Bruce und Ginger Baker steht, gehören damit wohl der Vergangenheit an. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden die Alben der 80er Jahre wie "Corridors of Power" oder "Wild Frontier", obwohl damit wohl der eine oder andere Fan gerechnet hatte, nachdem bekannt wurde, dass Moore sich seine Mitspieler diesmal im härteren Rocksegment gesucht hatte. Neben ihm standen Cass Lewis (Bass), der mit den Crossover-Chart-Stürmern Skunk Anansie bekannt geworden ist, und der Schlagzeuger Darrin Mooney, der bei Primal Scream in Lohn und Brot steht, auf der Bühne. Musikalische Einflüsse der beiden Neuen waren aber nicht zu erkennen. Sie fügten sich bruchlos in den von Moore vorgegeben Rahmen ein.
Fast auf die Minute genau um 20 Uhr begann das Trio seinen fast einstündigen Auftritt. Die Möglichkeit als Vorband eine Zugabe geben zu können, unterstrich den Rang des Ausnahmegitarristen Moore. Und vor allem er durfte zeigen, was er kann. Nur für ein sekundenlanges Schlagzeug-Solo trat Mooney aus dem Hintergrund heraus. Ansonsten blieben er und Lewis die Basis, auf der der Meister agierte. Das aber taten sie so versiert, dass wohl niemand die größere Band der alten Tage vermisst hat. Klassiker wie "Pretty Woman", "Walking by myself" und "Still got the Blues" kamen mit glasklarem Sound und ohne jede Abnutzungserscheinung aus den Boxen. Moore nutzte jede Gelegenheit, um zu beweisen, dass es kaum einen zweiten Hard Rock-Gitarristen gibt, der in der Lage ist seine Gitarre so gefühlvoll sprechen, schreien und schmeicheln zu lassen. Und auch seine eigene Stimme hat nichts an Kraft verloren. Das sollte einige Minuten später bei ZZ Top ganz anders werden. Ein Comeback nach Maß.
Nach der Umbaupause hatte sich das Bild auf der Bühne gänzlich gewandelt. Während Moore ohne jede Showeinlage oder Bühnedekoration ausgekommen war, bedeckte nun ein silbrig glänzender Vorhang im Las Vegas-Stil die Rückwand der Bühne. Stilisierte Kakteen-Attrappen ragten über die Boxen. Und dann kamen sie - seit über 30 Jahren in derselben Besetzung. Billy Gibbons, Gitarre, und Dusty Hill, Bass, wie gewohnt mit Sonnenbrillen und Bärten bis fast zum Bauchnabel. Darüber merkwürdige Mützen. Vom Gesicht war so nichts mehr zu sehen. Die weitere Kleidung bestand passend zur Dekoration aus Pailletten-besetzten Sakkos. Frank Beard, Schlagzeug, hielt sich - ebenfalls wie gewohnt - in dieser Hinsicht dezent zurück.
Im Gegensatz zu Moore lieferten die ohne aktuelle CD aufspielenden Texaner ein Best of-Programm, das alle Bandphasen abdeckte. Die kommerziell erfolgreichen 80er ("Rough Boy"), die frühen Blues-Jahre ("Beer Drinkers and Hell Raisers") und auch Tracks neueren Datums ("Fearless Boogie") kamen zum Zug. Obwohl so fast nur Hits im Programm waren und die hartgesottenen Fans direkt vor der Bühne von der ersten Minute an engagiert mitgingen, gelang es der Band keine Sekunde lang, den alten Glanz aufleben zu lassen. Der beschränkte sich auf die Lichtreflexe vom Bühnenvorhang und den Pailletten-Kostümen. Schuld daran trug nicht nur der sehr breiige und übersteuerte Sound. Die Stimme von Bill Gibbons gab bei weitem nicht mehr das her, was man von ihr gewohnt war. Das Schlagzeug wirkte eher kraftlos. Die Gitarrenläufe saßen nicht präzise und klar genug, um den Druck der ZZ Top-Kompositionen über den Bühnerand zu transportieren. An Tiefpunkten, wie bei dem Klassiker "Cheap Sunglasses", der eigentlich ein Selbstläufer sein sollte, hatte man den Eindruck, es stände eine drittklassige Cover-Band auf der Bühne.
So kam es wie es kommen musste. Im hinteren Drittel der Halle bildeten sich immer mehr Gesprächsgruppen, die kaum noch auf das achteten, was auf der Bühne geschah. Und noch bevor ZZ Top eine Dreiviertelstunde gespielt hatten, bildeten sich richtige Schlangen an der Garderobe. Um Dreiviertel Elf sah man auf der Straße vor der Arena nicht nur einzelne Konzertbesucher. Bei Klang der noch immer in der Halle dröhnenden Texaner strömten viele Konzertbesucher den Bussen und Autos entgegen.
Sound, Gefühl und Power gegen Showeffekte - ein klarer 3 : 1 Sieg für den Iren, der dafür gesorgt hat, dass sich der Abend dennoch gelohnt hat.
Norbert von Fransecky