Ein Album, das sich einem beim allerbesten Willen nicht schnell erschließen mag, legt der allseits bekannte Norweger mit seiner nunmehr vierten Veröffentlichung vor. Dass der noch
auf "The Stargate" mit orchestral arrangierten, rein instrumentalen Keyboardklängen arbeitende Ambient-Künstler mit einer echten Band, nachvollziehbaren Songstrukturen im Strophe-Refrain-Schema und nicht zuletzt natürlich mit Gesang aufwarten würde, hätte wohl niemand erwartet und dementsprechend
gewöhnungsbedürftig gestaltet sich das erste Reinhören in diese Platte, die wohlweislich mit "M:Era 2" untertitelt wurde, um auch wirklich jedem deutlich zu machen, dass bei Mortiis nichts ist, wie es einmal war.
Nach erfolgter Akklimatisierung ist allerdings festzustellen, dass Mortiis sich im neugewählten Metier mit einer atemberaubenden Brillanz bewegt - man höre die Freudentränen treibenden Feinheiten und Verzierungen in
"Smell the witch" - und Vergleiche mit von ihm selbst genannten Einflüssen wie Skinny Puppy oder Nine Inch Nails, nicht fürchten muss. Schon jetzt zeichnen sich seine Kompositionen und seine angenehm zurückhaltende, fast schüchterne Vokalarbeit durch eine Zerrissenheit zwischen zumeist vorherrschender melancholischer
Anmut und einer dennoch immer wieder hervorberstenden aggressiven Wut aus, die genannte Acts in dieser Intensität selbst nicht alle Tage zustande bringen. Spätestens mit dem unbeschreiblich sehnsüchtigen und in seiner Fragilität beinahe ängstigenden "Everyone leaves" ist alles klar.
"The Smell of Rain" ist ein Werk, das klingt, wie es heißt, eines der schönsten Alben seit langem und eines, um das es schade wäre, wäre es nicht gemacht worden. Doch zum Glück gibt es ja Mortiis. Es kann schließlich nicht immer regnen.
Thorbjörn Spieß
18 von 20 Punkte