Es fällt schwer und tut mir in der Seele weh. Aus alter Verbundenheit will man ja sein Möglichstes tun, sich mit neuen Werken verehrter
Bands anzufreunden, an diesen trotz ihrer Andersartigkeit Gefallen zu finden und die künstlerische Weiterentwicklung würdigen zu können.
Ich habe es versucht. Und wenn ich auch all ihre vorherigen Alben besitze, mit der neuen Lacrimosa klappt es nicht.
Musikalisch bleibt man der Linie des Vorgängers "Elodia" treu und hat
die Ausarbeitung der Orchester Arrangements in Verbindung mit den metallischen Elementen sogar noch verfeinern und verbessern können, was anhand einiger dramatischer Choreinsätze wie in "Fassade, Satz 1" zu hören, besonders deutlich wird. Leider sind es in diesem Zusammenhang aber auch und vor allem die negativen Aspekte der
letzten Veröffentlichung, die heuer stärker betont und hervorgehoben werden. Bisweilen fühlt man sich beim Hören denn auch musikalischen Blendern wie Rhapsody oder den platt und vorhersehbar agierenden Therion näher als den noch sehr viel aussagekräftigeren Frühwerken Lacrimosas. Und damit haben wir den Salat.
Oberpeinlicher Kitsch, der bis zum Erbrechen angefüllt ist mit aufgesetztem Bombast und dabei jede wirklich tiefe Gefühlsregung unter einer Decke eitrigen Schleims erstickt, regiert von Anfang bis Ende, nur von wenigen Momenten des Lichts in einer Dunkelheit durchbrochen, die genauso tiefschwarz ist wie die Perspektive der
Gesellschaft, mit der Thilo sich im Rahmen des vorliegenden Konzeptalbums auseinandersetzt.
Die einstmals vorhandene Sprachgewalt des Herrn Wolff war schon auf "Elodia" themenbedingt - ein Album über die Liebe kommt ohne gewisses Vokabular kaum aus - nur rudimentär vorhanden, kann zu meinem Bedauern allerdings in den neuen Stücken noch weniger ausgemacht werden. Allzu selten - "Denn in dem Schatten deines Lichts ganz weit da hinten sitze ich" - blitzt ein Fünkchen der Brillanz
auf, mit der Stücke wie "Seele in Not" oder "Siehst du mich im Licht?" zu lyrischen Meisterwerken veredelt wurden. Ganz abgesehen davon, dass ich ihm sein Gejammer inzwischen nicht mehr guten Gewissens voll abnehmen kann.
"Fassade" ist also das einzig richtige Wort, diese Platte zu überschreiben. Vielleicht ist diese Ironie gar beabsichtigt - glänzende Verpackung, rein nichts dahinter? Oder ungewollter Spiegel einer immer leichter zu täuschenden Szene? Oder schlimmer noch,
einfach nur ein mittelprächtiges und nichtssagendes Album. Gute Nacht.
Thorbjörn Spieß
10 von 20 Punkte