Dark Heart
Dark Heart
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Dark Heart – da gab’s doch schon zu NWoBHM-Zeiten eine Combo mit diesem Namen. Also schaut der Metal-Historiker flugs aufs Line-up, das die hier vorliegende selbstbetitelte Scheibe eingespielt hat – und es sind tatsächlich die Dark Heart von damals. Der letzte Nebensatz ist im Plural freilich nicht ganz korrekt formuliert: Vom Quintett, das 1980 als Tokyo Rose mit der Single Dry Your Eyes debütierte, 1983 gleich vier Tracks zum Pure Overkill-Sampler beisteuerte und dann 1984 auf Roadrunner unter dem neuen Namen Dark Heart die LP Shadows Of The Night herausbrachte, ist knapp vier Jahrzehnte später nur noch Alan Clark übrig, und der hat zudem die Funktion gewechselt. Zu Frühzeiten Gitarrist, steht er aktuell nämlich am Gesangsmikrofon und spielte außerdem einen Teil der Keyboards ein. Den anderen Teil der Tastenarbeit sowie die Gitarrenarbeit übernahm das außer ihm einzige feste neue Bandmitglied, Nick Catterick – Bassist Josh Williams wird im Booklet der selbstbetitelten Scheibe, im Dark-Heart-Gesamtschaffen also der Zweitling, nur als Gastmusiker geführt, und ans Schlagzeug setzte sich kurzerhand Produzent Pete Newdeck. Ob es mittlerweile auch eine konzertfähige volle Besetzung gibt, ist dem Rezensenten nicht bekannt.
Obenstehende Einleitung enthält zudem nur Theoriewissen – weder das alte Tokyo-Rose-Material noch der Erstling befinden sich in der Tonträgerkollektion des Rezensenten, so dass Direktvergleiche anhand des eigenen Eindrucks nicht möglich sind. Im NWoBHM-Lexikon der Iron-Pages-Mannschaft werden beide frühen Inkarnationen als eher mau dargestellt, der Ultimate Hard Rock Guide von Garry Sharpe-Young und Horst Odermatt ergänzt die Anekdote, dass die US-Lizenzpressung der LP auf Metal Blade Records mit 514 Exemplaren das am schlechtesten verkaufte Album der frühen Labelgeschichte darstellt, während Malc Macmillan die Band in seiner NWoBHM-Enzyklopädie positiver bewertet, aber festhält, dass sie 1984 mit ihrem an frühe Satan, Savage oder Sparta erinnernden Sound schon leicht antiquiert waren, im Härtewettbewerb nicht mitmachen wollten und im dahinterliegenden Mittelfeld untergingen.
Liest man diese Einschätzungen und hört dann das neue Album, gehen einem Augen und Ohren über – Dark Heart müssen sich um etliche hundert Prozent gesteigert haben, auch wenn sie im Härtewettbewerb natürlich nach wie vor nicht mitmachen wollen. Die zehn Songs bieten überwiegend erstklassige Musik im Grenzbereich zwischen Melodic Metal und AOR, die naturgemäß das Rad nicht neu erfindet, aber für Freunde dieser Richtung ein gefundenes Fressen und eine willkommene Abwechslung zu diversen stilistisch ähnlich gelagerten, aber gesichtslosen Projekten aus dem Hause Frontiers Records darstellen. Dabei fällt einem gleich im Opener „Darkest Eyes“ eine Band ein, die als Referenzgröße dienen kann, nämlich Ten zu ihren besten Zeiten. Ähnlich wie weiland Vinny Burns auf den Ten-Scheiben um die Jahrtausendwende (die freilich auch bei Frontiers Records erschienen waren) baut nämlich auch Catterick hier ein frenetisches Solo ans andere, sobald er entsprechenden Freiraum dafür bekommt, und diese ansteckende Spielfreude läßt den Hörer über den wenig überzeugenden Refrain dieses Songs gern hinwegsehen, zumal Clark dieses Problem in den meisten der Folgesongs viel besser in den Griff bekommt, wenngleich die ganz großen Hits auf Dark Heart fehlen. Dafür springt einem aber gleich im folgenden „Cast To Stone“ ein anderer Vergleich ins Hirn: The Cage, das Projekt von Dario Mollo und Tony Martin, hätte diese massive Nummer wohl nicht wesentlich anders gestaltet, und weil Clark und Catterick offenbar auf dem Standpunkt stehen, dass man, was man einmal für gut befunden hat, auch mehrfach anwenden darf, legen sie beispielsweise „House Of Usurer“ ähnlich an, bringen hier mit der plötzlichen Beschleunigung kurz vor Minute 5 aber noch ein zusätzliches Spannungselement ins Spiel. Diese schleppend grundveranlagten Nummern erinnern nicht selten an eine melodischere und grundsätzlich etwas positiver gestimmte Version von Black Sabbath zu Tony-Martin-Zeiten, zumal auch Clarks Stimme nicht weit von der Martins entfernt liegt und sich für derartige Epic-Rock- bzw. Epic-Metal-Klänge bestens eignet. Ansonsten halten Dark Heart das Tempo aber durchaus variabel, Newdeck wirft in „Edge Of Dreams“ auch mal kurz die Doublebass an, und eine Nummer wie „Time To Fly“ schielt sogar mal kurz nach Skandinavien rüber, während die Referenzbands für den aktuellen Bandsound wie erwähnt sonst eher aus Brexitanien kommen. Balance Of Power wären hier auch noch zu nennen, und das keineswegs nur, weil deren Ur-Keyboarder Ivan Gunn an erster Stelle der Thankslist auftaucht. Deren zeitweilige progressive Anflüge vermeiden Dark Heart aber weitgehend, sowohl im musikalischen als auch im inhaltlichen Sinne: Schräge Breaks gibt es ebensowenig wie völlig unvorhergesehene Klänge – aus dem Rahmen fallen lediglich die leicht angezerrten Vocals am Ende von „Break The Chains“, und die sind so geschickt eingewoben, dass sie keineswegs als Störfaktor in Erscheinung treten. Statt dessen bauen Dark Heart den Epic-Faktor so weit aus, dass sie beispielsweise auch für Anhänger von Saracen interessant werden könnten – und wer sich vorstellen könnte, wie eine gemeinsame Band von Tony Martin und Vinny Burns klingen könnte, der muß hier sowieso zugreifen. Für Tempofetischisten bieten die 52 Minuten freilich wenig – selbst der Closer „Night Won’t Let Me Go“, nicht nur kürzester (3:33 Minuten), sondern auch schnellster Track der Scheibe, bleibt im treibenden Midtempo knapp unter der Speedgrenze und reproduziert kurioserweise auch die Problemlage aus dem Opener, was den leicht hilflos klingenden Refrain angeht, so dass Dark Heart ausgerechnet von den beiden am wenigsten überzeugenden Tracks gerahmt wird. Angesichts der Binnenleistung lohnt sich ein Erwerb aber trotzdem – wenn man nicht dem Irrtum unterliegt und den Bandnamen mit gotisch-düsteren Klängen in Verbindung bringt. Trotz der erwähnten episch-schleppenden Schlagseite haben die Briten mit Trauerklößigkeit nämlich nichts am Hut. Was sie aus ihrer alten Zeit auch noch „herübergerettet“ haben, ist übrigens auch die Neigung zu einem eigenartigen, im vorliegenden Fall allerdings eher unprätentiösen Coverartwork, wovon sich der Liebhaber feinen melodischen Stoffs mit einigen gitarrentechnischen Kabinettstückchen freilich nicht ins Bockshorn jagen lassen sollte.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Darkest Eyes | 4:51 |
2 | Cast To Stone | 5:42 |
3 | Edge Of Dreams | 4:59 |
4 | Degrees Of Separation | 4:56 |
5 | Wings Of The Night | 6:45 |
6 | House Of Usurer | 6:28 |
7 | Break The Chains | 4:54 |
8 | Time To Fly | 4:27 |
9 | K.O.T.D. | 5:13 |
10 | Night Won’t Let Me Go | 3:33 |
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Besetzung |
Alan Clark (Voc, Keys)
Nick Catterick (Git, Keys)
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