Goude, J.-Ph. – Anonymus (Bündgen, P. u. a.)
Hieros
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Info |
Musikrichtung:
Neue Musik Vokal
VÖ: 03.09.2021
(Fuga Libera / Note 1 / CD DDD / 2020 / Best. Nr. FUG 767)
Gesamtspielzeit: 52:43
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TRANSZENDENZ-BESCHWÖRUNGEN
Ob man die Kompositionen von Jean-Phlippe Goude nun mit dem Label „Neoklassik“ belegt oder mit „Neomittelalterlich“,„Neoarchaisch“ oder gar von „Neuer Einfachheit“ spricht – ganz gerecht wird man den Stücken damit nicht. Postmoderne Neostile gibt es inzwischen zuhauf und die vermeintliche Einfachheit ist nicht erst seit Arvo Pärt gar nicht mehr so neu. Apropos Pärt: Die eine oder andere Passage von Goudes Musik erinnert etwas an seinen Tintinabuli-Stil. Ansonsten wandelt der Komponist mit seinen Stücken klanglich und harmonisch aber durchaus auf eigenen Pfaden.
Das Ensemble Céladon präsentiert Goudes sechs eigens für dieses Projekt geschaffene Werke. Es handelt sich um ein bis dreistimmige Vokalkompositionen für Soprane und Countertenor, zu denen ganz gelegentlich noch sparsame Klangeffekte treten. Diese und eine chromatisch ausgeschärte Harmonik erweisen die Musik immer wieder als ein Kind der Gegenwart. Ihre sirenenhafte Sinnlichkeit geht über die Strenge der mittelalterlicher Vorbilder, auf die er sich hier bezieht, hinaus.
Bei den älteren Stücken handelt sich um anonyme geistliche Werke des 13. Jahrhunderts aus der Schule von Notre-Dame, die mit Goudes Kompositionen abwechseln und zugleich ein größeres Ganzes bilden.
Wo bei den mittelalterlichen Gesängen die religiöse Sprache die Stücke deutlich im Umfeld der christlichen Liturgie verorten, schreiten die von Goudes und Robert Briatte stammenden poetischen Texte einen umfassenderen, auch globalen humanistischen Horizont jenseits des Kirchenraumes aus.
Sie meditieren nicht über das Leben von Heiligen oder christliche Mysterien, sondern in oft aphoristischer Verknappung existentielle Themen unserer Zeit – Fragen, Zweifel, Sehnsüchte, auch Ängste und Hoffnungen, die sich nicht mehr unbedingt zuerst auf eine himmlische, göttliche Instanz richten. Auch die Transzendenz von Goudes Musik und die von ihm ausdrücklich in Anspruch genommene weite Sakralität sind nicht an eine bestimmte Religion oder Konfession gebunden. Goudes Vorstellung von „Heiligkeit“, von der auch der Albumtitel mit dem alten griechischen Wort „Hieros“ spricht, ist nicht „naiv“ und vielleicht auch nur eine innerweltliche.
Vor allem scheint sie sich aus der Trauer um den Verlust jener Selbstverständlichkeit zu speisen, mit denen die älteren Stücke Gott anrufen. Goudes Litaneien hingegen beschwören Orte, die für die zivilisatorische Aufbrüche und Irrfahrten des Menschen stehen. Dennoch ist dieses schwer fassbare sakrale Andere und „Darüber-Hinaus“ in den delikaten, nackt-schwebenden Stimm-Texturen seiner Musik, ihren schmerzhaften Reibungen und ihrer fragilen Schönheit gegenwärtig.
Bei allem verwöhnerischen Wohlklang gleitet das nicht in „Neokitsch“ ab. Dafür sorgt auch die schlackenlos intensive, ernste Präsentation durch Paulin Bündgen, Clara Coutouly und Liese Vircel.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Jean-Philipp Goude: Ombrer la nuit; Eternite; Nos vies sont la; Nuit prodigieuse; 3 Litanies; Dominer |
2 | Anonymus, 13. Jhd.: O verda, O pia; Ave gloriosa; Procurans odium; Flos in monte cernitur; Festa Ianuaria; Nicholai presulis; Gaudeat devotio |
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Besetzung |
Ensemble Céladon
Clara Coutouly und Liese Vircel, Soprane
Paulin Bündgen, Countertenor und Leitung
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