Charpentier, M.-A. (Jarry, G.)
Les Arts Florissants u. a.
BLÜHENDE KÜNSTE
Mit nur 15 Musikern führte Marc-Antoine Charpentier einst seine Opern-Miniatur Les Arts Florissants im Haus der wohlhabenden Mademoiselle du Guise, seiner Mäzenin, auf. Die Beschränkung der Mittel war nicht ganz freiweillig: Nur dem mit allerlei Privilegien ausgestatteten Hofkomponisten Ludwig XIV., Jean-Baptiste Lully, war es vorbehalten, Opern mit großer Orchester-, Chor- und Solistenbesetzung zu komponieren und aufführen. Der hochbegabte Charpentier war darum wie viele andere Komponisten gezwungen, aus der Not eine kreative Tugend zu machen und mit den verfügbaren Möglichkeiten gleichsam unterhalb der Hörschwelle große musikalische Kunst zu schaffen. Heute muss man sich nicht mehr an die strengen Vorgaben des 17. Jahrhunderts halten: Charpentiers Kammeropern lassen sich Dank skalierter Besetzungen in "große" Opern verwandeln.
Beim jungen, bereits mit viel Kritikerlob bedachten Ensemble Marguerite Louise erstrahlt das allegorisch-dramatische Idyll über die "blühenden Künste" in aller Farbig- und Kunstfertigkeit. Die Ur-Besetzung des Orchesters mit 2 Flöten, 2 Violinen und Basso Continuo wird maßstabsgetreu vergrößert, der Bass verstärkt und das Ganze hier und da stimmig mit Schlagzeug abgerundet; zum Solistenensemble tritt jetzt ein eigener Chor hinzu.
Die Geschichte, ein Streit zwischen den Künsten (Poesie, Musik, Malerei und Baukunst), der von den Allegorien der Zwietracht und des Friedens befeuert bzw. beschwichtigt wird, gewinnt Dank der größeren Besetzung einiges an dramatischer Kraft; die Verstärkung inklusive Donnermaschine intensiviert den bühnentauglichen Eindruck, den Charpentiers inspirierte Musik auch schon in der Kammerversion hinterlässt.
Vor allem die sehr flexibel gehandhabte Besetzung vom Solo über kleinere, variable Ensembles bis hin zum vielstimmigen Chorsatz gerät in der Neufassung zu einem ausgesprochen plastischen Erlebnis: Die Musik bekommt ein prägnantes Relief, wirkt weiträumiger. Die vielen eingängigen melodischen Einfälle sowie die Bevorzugung von ariosen gegenüber den rezitativen Formen lassen den funkelnden musikalischen Klangfaden nicht abreißen. Am Ende triumphiert bei Charpentier ganz klar La Musique, sie leiht allen Beteiligten ihre Stimme.
Von der Oper liegt eine inzwischen über dreißig Jahre alte, aber immer noch schöne Aufnahme von William Christie und "Les Arts Florissants" vor. Das Ensemble hatte seinen Namen von Charpentiers Oper entliehen, es war eine seiner ersten Einspielungen und zugleich ein Markstein in der Wiederentdeckung von Charpentier. Von daher ist die Neueinspielung kein Luxus, sondern dokumentiert die jüngste Entwicklung der französischen Alte-Musik-Interpretation.
Chapentiers Musik ist beim Ensemble Maguerite Louise bestens aufgehoben: Die Wiedergabe ist ausdrucksvoll, lebendig, klangschön und elegant, dabei trotz der größeren Besetzung stets differenziert. Das Ensemble aus jungen Solist*innen fügt sich mit seinen frischen Stimmen ganz natürlich in die bestens disponierten Chor- und Orchesterkräfte ein, die vom Dirigenten Gaétan Jarry spürbar befeuert werden. Gegenüber der älteren Einspielung ist ein Plus die selbstverständliche Virtuosität: Die italienischen Einflüsse bei Charpentier werden gekonnt ausgespielt und beleben die Musik, die sich stilistisch ungezwungener gibt als die repräsentative "Staatskunst" von Lully & Co., die für den Hof entstanden ist.
Als Zugabe gibt es noch Ausschnitte aus der Pastorale La Couronne de Fleurs - auf dem nämlichen hohen Niveau. Schade, dass nicht die ganze Musik aufgenommen wurde, sie hätte auf der CD noch reichlich Platz gefunden.
Die Platte ist ein wahrlich vielversprechender Auftakt für das neue hauseigene Label der Versailler Opernproduktionen, wo die Künste offenbar allesamt in schönster Blüte stehen!
Georg Henkel
Trackliste |
01-25 Les Arts Florsissants H. 487 44:17
26-32 La Couronne de Fleurs H. 486 15:06 |
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Besetzung |
Cecile Achille, Anais Bertrand, Virginie Thomas, Mailys de Villoutreys, Virgile Ancely, Jonathan Spicher, David Witczak
Ensemble Marguerite Louise
Gaétan Jarry, Orgel und Leitung
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