Black Space Riders und Motorowl zur Saisoneröffnung im Kulturbahnhof Jena
Die Sommerpause im Jenaer Kulturbahnhof ist vorbei, und ein bewährtes Package eröffnet den Konzertherbst 2018: Die Black Space Riders haben schon mehrfach die Bühne mit Motorowl geteilt, und sie sind im Kulturbahnhof keine Unbekannten – der Rezensent sieht sie an diesem Abend allerdings zum ersten Mal. Mit Motorowl ist er hingegen bereits vertraut, sowohl livehaftig als auch auf Konserve. Was er noch nicht kennt, ist allerdings das neue, zweite Album Atlas, und das stellt zwei Drittel der Beiträge im Set. Gleich mit dem Titeltrack geht’s los, und dessen großartiger Spannungsaufbau unterstreicht, welche Fortschritte das Quintett auf diesem Sektor gemacht hat, wobei es freilich schon von einem hohen Level ausgehen konnte, wie jeder weiß, der die Entwicklung der Geraer verfolgt hat. Dank eines überwiegend sehr klaren Soundgewands kann man die Spannungsbögen im Material auch sehr schön nachvollziehen, einzig die Vocals stehen manchmal etwas zu weit im Hintergrund, so dass sie den angestrebten appellierenden Charakter nicht immer erreichen. Dafür schneiden die zweistimmigen Leads umso besser ins Ohr – gefühlt setzen Motorowl dieses Stilmittel in den neuen Songs etwas häufiger ein und erinnern so nicht selten an eine moderne Version von Thin Lizzy. Wo ihre Wurzeln liegen, wissen sie natürlich sehr wohl – tritonusartige Passagen in „The Highest City“ sind ebensowenig ein Zufall wie der „Woman From Tokyo“-Gedächtnispart in „Log Book“. Dazu schaffen die fünf Geraer aber auch das Kunststück, ihren allgemein wohl am ehesten als Stoner Rock anzusprechenden Sound jederzeit nachvollzieh- und trotz aller Abwechslung auch tanzbar zu halten, so dass so manches Tanzbein im Publikum bereits in Bewegung gerät und die Stimmung allgemein schon ein sehr hohes Level annimmt, zumal Motorowl offenbar einige Lokalfans mitgebracht haben. Da stört es auch nicht, wenn der Sänger nach dem Opener ankündigt, der nächste Song heiße „Atlas“, obwohl sie den gerade eben gespielt haben. Und besagtes „Atlas“ könnte sich mit seiner Dynamikentwicklung für geraume Zeit als Setopener der Band „festkrallen“. Da das Zeitbudget allerdings aufgebraucht ist, spielen Motorowl trotz Einforderungen seitens des Publikums keine Zugabe mehr. Setlist Motorowl: Atlas Cargo OM Generator Log Book To Take To Give The Higher City Spiritual Healing Norma Jean Die Black Space Riders folgen strukturell aktuell den Spuren von Guns ‘n Roses, allerdings haben sie die beiden Teile des Amoretum-Gesamtplattenwerks nicht gleichzeitig, sondern um einige Monate versetzt herausgebracht. Wie ein reichliches Vierteljahrhundert früher gibt es auch hier keinen grundsätzlichen stilistischen Unterschied zwischen den beiden Scheiben, abgesehen davon, dass sich sowieso jede BSR-Platte wie eine Compilation anhöre, wie Sänger/Gitarrist JE in einer seiner launigen Ansagen meint. Dementsprechend ist auch der Set bunt gemixt, auf eine folkangehauchte Tanzbodennummer kann heftiger Modern Metal im Stile neuerer In Flames mit fiesem Gebrüll folgen, bevor sich ein poprockiges Melodienfeuerwerk in die Gehörgänge schmeichelt und wiederum in klassischen Stoner Rock überleitet, mit dem die Band vor zehn Jahren mal angefangen hat. Passend dazu stellt sich die gesangliche Vielfalt dar: Sowohl JE als auch sein singender Kompagnon und Teilzeitkeyboarder SEB beherrschen das komplette Spektrum vom klassischen Crooning über alle möglichen Zwischenstufen bis hin zum herben Gehuste, und Gitarrist SLI wirft gelegentlich noch Gangshouts ein. Was man von den Münsteranern nicht erwarten darf, ist allerdings weiblicher Gesang: Zwar verbirgt sich hinter dem Kürzel MEI, das den Neuzugang am Baß markiert, ein ausgesprochen attraktives dunkelhaariges weibliches Wesen, das mit den unterschiedlich langen Beinen seiner klassisch schwarzen Hotpants zudem neue modische Trends setzt und, wie ein Mensch im Publikum ohne despektierlich gemeinten Hintergrund äußert, nur wenig größer ist als ihr Instrument – aber ein Gesangsmikrofon befindet sich dort nicht in der Nähe. Auch bühnenaktivitätstechnisch hält sich der Neuzugang noch etwas zurück, sondern konzentriert sich eher aufs Spiel und überläßt die Show den anderen vier Mitgliedern, worunter auch Drummer C.RIP zu verstehen ist, der ein Solo spielt, zu dem Teile des Publikums die Tanzaktivitäten gar nicht erst einstellen. Überhaupt tobt der Tanzbär im Publikum fleißig, und so ist es sogar günstig, dass einige Motorowl-Diehards sich in Richtung Bar zurückgezogen haben oder draußen rauchen – so ist vor der Bühne etwas mehr Platz, und man läuft nicht Gefahr, das eine oder andere hübsche weibliche Wesen, von denen eine ganze Anzahl anwesend ist, ungeplant niederzustrecken. Dass Amoretum (übrigens ein Wortspiel mit dem Begriff Arboretum und nominell unabhängig von dem Faktor, dass man ja mit MEI mittlerweile ein äußerst liebliches Wesen in der Band hat) zusammen mit dem Vorgänger Refugeeum das Gros der Setlist stellen würde, konnte man sich von vornherein denken – untenstehendes Foto versinnbildlicht dann zugleich die Variabilisierung der Setlist auf den drei Gigs der Mini-Tour, deren letzter Gig derjenige in Jena ist. Da der Soundmensch es zudem schafft, trotz nicht gerade weniger abzumischender Instrumente – SEB hat zudem auch noch ein kleines Extra-Drumkit neben seinem Keyboard – ein zwar leicht zu lautes, aber relativ klares Klanggewand zu zaubern, fällt es auch nicht schwer, die zahlreichen Feinheiten im BSR-Sound zu entdecken und trotz aller Stilvielfalt die ihn zusammenhaltenden Elemente wahrzunehmen, so dass neben dem reinen Tanzbeinsound auch das ebenso reine Hören des, so die Eigendefinition, New Wave Of Heavy Psychedelic Space Rock Laune macht. Ergo läßt das Publikum die Münsteraner nach einem schon relativ langen Set trotzdem nicht ohne Zugabe ziehen: „Lights Out“ ist dabei keine UFO-Coverversion, obwohl es stilistisch theoretisch eine sein könnte, und das markante Baß-Ostinato von „The Wait Is Never Over“ pflanzt sich beim Rezensenten stabil im Gehörgang fest und dürfte dort so schnell nicht wieder zu entfernen sein. Warum eigentlich auch? Roland Ludwig |
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