Musik an sich


Reviews
López Lopéz, J. M. (Kalitzke)

Klavierkonzert, Violinkonzert, Movimentos für zwei Klaviere und Orchester


Info
Musikrichtung: Neue Musik Konzert

VÖ: 21.05.2010

(Kairos / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2009 / Best. Nr. 00130022KAI)

Gesamtspielzeit: 49:03



RAFFINIERTE HYBRIDEN

Wie ein akustisches Pendant zu den drip paintings à la Jackson Pollock beginnt das Konzert für Klavier und Orchester, das José Manuel López López von 1998-2005 komponiert hat. Wahrlich ein großartiger, packender Beginn für ein zeitgenössisches Instrumentalkonzert, das dem assoziativ veranlagten Hörer auch sonst schier unbegrenzte Möglichkeiten bietet, seine synästhetischen Fantasien auszuleben. Der gedämpften tropfenden Streicherkaskade schließt sich das Klavier mit ebenso trockenen, wie mit dem Plektron gezupften Klängen im höchsten Register an (das dafür präpariert wurde, ein eigener Spieler bedient während der Aufführung diese mobile "manipuladora"). Körnige Klangblöcke dieser Art durchziehen in immer neuen Abstufungen und Färbungen das ganze Stück und erzeugen in der Mikroperspektive faszinierende, fraktal gesponnene Sonoritäten, während sich das Stück an der Oberfläche im weiteren Verlauf immer geräuschhafter und verschlungen poylphoner gebärdet. Das Stück endet mit wirklich verblüffenden inharmonischen Resonanzen und Glissandiklängen des Klaviers, bei denen man meint, ein weiteres Streich- oder Zupfinstrument gehe mit dem Klavier synchron – wie dieses Kunststück bewerkstelligt wird, würde man schon gerne wissen.

Im Vergleich mit diesen Texturen wirkt das Konzert für zwei Klaviere und Orchester von 1998 auf den ersten Höreindruck konventioneller. Dabei erweist sich der Komponist aber auch hier als unablässiger Forscher im Reich der Spektralklänge und komplexer Rhythmik (kleine Kostprobe aus seinem Essay im Beiheft: „Diese Modelle werden mittels Instrumentalsynthese im Orchester wieder zusammengebaut, das heißt indem die Instrumente so eingesetzt werden als wären sie elektronische Oszillatoren, um diese Algorithmen auf der Basis einer hypothetischen Fouriersynthese klanglich auszudehnen und darzustellen.“). Aber keine Angst: López López ist ein musikalischer Künstler, kein Schallwellen-Technokrat. Der rhythmische Drive, die geschickte Dramaturgie und die brillante Orchestrierung, die alle Errungenschaften der Avantgarde mit griffigen, auch expressiven Figurationen und Gesten verschmilzt, sorgt für ein Hörerlebnis, das, um es einmal so zu sagen, wie eine Synthese aus Gershwin, Grisey und Ligeti wirkt.

Anders als die beiden klavierdominierten Werke gibt sich das Konzert für Violine und Orchester (1995) kontinuierlicher und fließender. Die Violine ist ebenfalls auf das Engste mit dem Orchestersatz verwoben, behauptet sich aber durchaus als expressive Oberstimme in den eigenartigsten Hybridmischungen der Klänge. Der akustische Farbkasten des Komponisten ist auch hier reich gefüllt, so dass das Orchester zum Violinklang gleichsam eine spektrale Hüllkurve produziert.

López López zeigt mit diesen drei Werken, dass die alte Gattung des Instrumentalkonzerts trotz einer Anlehnung an die typische virtuose Spannungs-Entspannungs-Dramaturgie des Konzerts noch immer Möglichkeiten der klanglichen Ausgestaltung bietet. Auch ohne Kenntnis der technischen Prozeduren sind dies prächtige, sinnliche Hörstücke. Ein Extra-Dank an die Interpreten, die sie ohne Fehl und Tadel und dafür mit ungebärdiger Musikalität präsentieren!



Georg Henkel



Trackliste
1Klavierkonzert17:43
2 Violinkonzert18:06
3 Movimentos für zwei Klaviere und Orchester13:14
Besetzung

Alberto Rosado & Juan Carlos Garvayo: Klavier
Ernst Kovacic: Violine

Deutsches Symphonie Orchester Berlin

Johannes Kalitzke: Leitung


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