Musik an sich


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Venezianische Klänge in Brandenburger Mauern – Das Ensemble ALTA MUSIKA beim Festival Alter Musik in Bernau




Info
Künstler: Alta Musika

Zeit: 21.09.2008

Ort: St. Marien Kirche, Bernau

Veranstalter: Förderverein St. Marien Bernau e.V.

Fotograf: Norbert von Fransecky

Internet:
http://www.altemusik-bernau.de

Zum 15. Mal fand in diesem Jahr das Festival Alter Musik in Bernau, nordöstlich von Berlin statt – und zum zweiten Mal saßen wir im Publikum, um das Ganze in Augenschein zu nehmen. Norbert von Fransecky berichtet.

Das Ganze? Natürlich nicht. An vier aufeinander folgenden Abenden in das mittelalterliche Bernau hinaus zu fahren, dafür fehlte schlicht die Zeit. Was wir auch in diesem Jahr angesichts der weitläufig erhaltenen Stadtmauern und dem Flair des Städtchens bedauerten. So verpassten wir Purcell, Telemann, Vivaldi, Torelli und Händel und uns blieben nur ein paar Minuten, um im Schatten der St. Marienkirche über den Markt zu gehen, bevor das Ensemble Alta Musika unter der Überschrift Viva San Marco venezianische Festmotetten und Instrumentalmusik aus dem 14. und frühen 15. Jahrhundert zu Gehör brachte.

Das von Fidel und Gesang getragene „Sancto Marco glorioso“ eröffnete den Abend eher andächtig, bevor Schalmeien und Pommern mit schnarrendem Qüaken das laute Leben auf den Plätzen Venedigs in die Mauern von St. Marien brachte, einer Kirche, die genau in den Jahrzehnten gebaut wurde, in der die gespielte Musik entstanden ist.

Info
Programm:

Sancto Marco glorioso (anonym, 13. Jh)
Doctorum principem (Johannes Ciconia, 1370-1412)
Laude novella (anonym, 13. Jh)
La Manfredina (anonym, 14. Jh)
Ave Mater, o Maria (anonym, um 1400)
Puisque m’Amour (John Dunstable, 1385-1453)
Sovent mes Pas (anonym, 14. Jh)
Istanpitta Ghaetta (anonym, 14. Jh)
Gloria (Antonio Romano, 1400-1432)
Gloria (Guillaume Dufay, 1400-1474)
Mercé o Morte (Johannes Ciconia, 1370-1412)
Ben Che da vui Donna (Johannes Ciconia, 1370-1412)
O Venecie Mundi splendor (Johannes Ciconia, 1370-1412)
O Rosa bell (anonym, 15. Jh)
Io son un Pellgrin (anonym, 15. Jh)
Presulem (Petrus Wilhelmi, 1410-1470)
Se ne prenés de Moy pité (Arnold de Lantins, 1390-1430)
Cacciando per Gstar (Antonio Zacchara de Teramo, 1360-1415)
Plaude Decus Mundi/ Venetum clarissima Turba (Christoforus de Monte, 1383-1437)
Benedicamus Domino (Don Paolo, 1390-1425)

Besetzung:
Antonia Köpcke (Sopran)
Juliane Sprengel (Sopran, Symphonia)
Anja Simon (Alt)
Caroline Schneider (Alt, Schalmei, Saitentamburin)
Rainer Böhm (Schalmei, Blockflöte, Saitentamburin, Leitung)
Dagmar Jaenicke (Pommer, Blockflöte)
Petra Prieß (Fidel, Symphonia)
Thomas Voehringer-Kuhnt (Pommer)
Michael Metzler (Perc)
Bei den tänzerischen Percussionklängen von „Laude novella“ blitzten die Augen von Juliane Sprengel und Anja Simon jugendlich lebendig in die Runde, während Michael Metzler mit Kastagnetten und auf den Holzboden knallenden Haken den Rhythmus vorgab. Spätestens jetzt näherte sich das Konzert einem Rock- und Pop-Konzert und erinnerte daran, dass die Klassik im 14. Jahrhundert noch ein Phänomen der Zukunft war. Das hier war Bauch- und keine Kopfmusik, Musik, die in der Ausspannung von lauten, tänzerischen und andächtigen Stücken den ganzen Körper und die Seele ansprach.

Punktuell, z.B. bei dem wieder von Pommern und Schalmaien getragenen „Gloria“ von Duffy, wurde der Vortrag so laut und durchdringend, dass die Klänge als Sirene eines Krankenwagens getaugt hätten. Kein Wunder, die Musiker mussten sich damals oft auch gegen den Lärm der geschäftigen Hafenstadt durchsetzen. Daneben standen sofort wieder ruhige andächtige Melodien, wie das Loblied auf den Dogen Michel Steno „O Venecie Mundi splendor“ von dem in diesem Konzert besonders häufig gespielten Johannes Ciconia, oder aufwendige Kompositionen, wie die abschließende Festmottete „Plaude Decus Mundi/ Venetum clarissima Turba“.

Ein vielfältiges Programm mit vielen selten gehörten Stücken, vorgetragen von einem versierten und auch emotional engagierten Ensemble.


Norbert von Fransecky



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